Rz. 13

Weitere Voraussetzung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 23 UStG ist, dass die Aufnahme zu Erziehung-, Ausbildung-, Fortbildungs- oder Zwecken der Säuglingspflege erfolgt. Ausreichend ist insoweit, dass einer der genannten Zwecke mit der Aufnahme verfolgt wird. Die Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungsleistungen müssen dem Unternehmer, der die Jugendlichen aufgenommen hat, selbst obliegen, auch wenn der Unternehmer die ihm obliegenden Leistungen teilweise durch Beauftragte erbringen lassen kann (vgl. Abschn. 4.23.1. Abs. 2 S. 1 u. 2 UStAE). In seinem Urteil vom 28.09.2000, Az: V R 26/99, BFHE 192, 360, hat der BFH entschieden, dass der begünstigte Unternehmer die Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke zwar nicht allein verfolgen müsse, es reiche aber auch nicht aus, dass sie lediglich von einem Dritten verfolgt werden. Ebenso hat der BFH in seinen Urteilen vom 19.05.2005, Az: V R 32/03, BFHE 210, 175 und vom 28.09.2006, Az: V R 57/05, BStBl II 2007, 846 Nr. 17, zur Vermietung von Wohnraum und Abgabe von Mahlzeiten durch ein Studentenwerk entschieden und die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 23 UStG versagt. Allerdings erfülle die Vermietung von Wohnraum bzw. die Abgabe von Mahlzeiten durch ein Studentenwerk als Einrichtung des öffentlichen Rechts, der die soziale Betreuung und Förderung der Studenten obliege, die gemeinschaftsrechtliche Steuerbefreiungsvorschrift nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG; die Finanzverwaltung reagierte hierauf mit einem Nichtanwendungserlass, BMF vom 27.09.2007, Az: IV A 6 – S 7175/07/0003, BStBl I 2007, 768. Entgegen der Auffassung des BFH in seinen Urteilen V R 32/03 (Wohnraumvermietung) und V R 57/05 (Abgabe von Mahlzeiten) erfülle ein Studentenwerk unter Beachtung des EuGH-Urteils vom 14.06.2007, C-434/05, Horizon College, UR 2007, 587, nicht die persönlichen Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL, da es nicht selbst Unterrichtsleistungen als Hauptleistungen erbringe. Dass dem Studentenwerk im Zusammenwirken mit den Hochschulen die soziale Betreuung und Förderung der Studierenden oblag, reiche nicht aus.

Unerheblich ist auch, ob die Aufnahme von Jugendlichen zu den vorgenannten Zwecken den alleinigen Gegenstand oder Hauptgegenstand des Unternehmens darstellt (Urteil des BFH vom 24.05.1989, Az: V R 127/84, BStBl II 1989, 912). Insoweit erachtet es die Verwaltungsauffassung als ausreichend, wenn der leistende Unternehmer konkrete Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke in seiner Satzung festschreibt und den Leistungsempfänger vertraglich zur Orientierung an diesen pädagogischen Grundsätzen im Rahmen des Aufenthaltes verpflichtet (vgl. Abschn. 4.23.1. Abs. 2 S. 4 und 5 UStAE).

Nach Abschn. 4.23.1 Abs. 4 UStAE umfassen Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecke nicht nur den beruflichen Bereich, sondern die gesamte geistige, sittliche und körperliche Erziehung und Fortbildung von Jugendlichen (vgl. BFH vom 21.11.1974, Az: II R 107/68, BStBl II 1975, 389). Hierzu gehört nach Verwaltungsauffassung u. a. auch die sportliche Erziehung. Die Befreiungsvorschrift gilt deshalb sowohl bei Sportlehrgängen für Berufssportler als auch bei solchen für Amateursportler.

In seinem Urteil vom 21.11.1974, Az: II R 107/68, BFHE 115, 64 (dort Rz. 8), definiert der BFH Erziehung nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, als planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung junger Menschen zu tüchtigen, mündigen Menschen, wobei unter Mündigkeit die Fähigkeit verstanden wird, selbständig und verantwortlich die Aufgaben des Lebens zu bewältigen. Erziehung erfasse damit alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Erziehungsvorgang (Entwicklungsvorgang) beeinflussen. Zur Erziehung gehöre außer der – regelmäßig im Wege des Unterrichts dargebotenen – Wissensvermittlung die Willensbildung und die Charakterbildung (Wissensbildung; Tätigkeiten, die darauf ziele, dass sich der Erzogene selbst zu sehen und zu beurteilen lernt; Bildung der Entscheidungsfähigkeit; das Lernen, Entscheidungen als rationale Akte zu steuern, Folgen zu bedenken usw.).

Erziehungs- und Fortbildungszwecke sind nicht scharf voneinander zu trennen, sondern berühren und ergänzen sich gegenseitig. Der Begriff "Fortbildungszwecke" ist so auszulegen, dass er nicht allein die berufliche, sondern auch die geistige und sittliche Fortbildung umfasst, BFH vom 07.07.1960, Az: V 282/57 U, BFHE 71, 393. Nach Urteil des BFH vom 30.07.2008, Az: V R 66/06, BStBl II 2010, 507, ist die Aufnahme zu Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken jedoch von Leistungen der Beherbergung und Verköstigung während eines kurzfristigen Urlaubsaufenthalts mit Freizeitangebot und Freizeitgestaltung abzugrenzen. Die Beherbergung und Verköstigung von Jugendlichen für ca. eine Woche in einem Urlaubsaufenthalt mit Freizeitangebot und Freizeitgestaltung erfülle danach die im Gesetz vorausgesetzte "Aufnahme zu Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecken" jedenfall...

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