Rz. 80

Nach § 1a Abs. 1 UStG liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb nur vor, wenn der Gegenstand der Lieferung entweder vom Unternehmer oder Abnehmer aus einem Mitgliedstaat befördert oder in deren Auftrag versendet wird und wenn der Gegenstand in den anderen Mitgliedstaat gelangt. Da seit 1.1.1993 eine Grenzabfertigung an den Binnengrenzen nicht mehr stattfindet, wirken die Zollbehörden weder beim Eingang der Gegenstände ins Inland noch anschließend bei der Erhebung der Erwerbsteuer mit. Das Gelangen des Gegenstands aus einem Mitgliedstaat in einen anderen wird – anders als bei der EUSt – nicht mehr durch eine Behörde dokumentiert. Es besteht daher keine Verpflichtung oder Möglichkeit, das Verbringen eines Gegenstands im innergemeinschaftlichen Warenverkehr anzumelden, um eine Abfertigung zu erreichen oder den Nachweis der Grenzüberschreitung feststellen zu lassen. Das Gleiche gilt für den Vorgang des Ausgangs aus einem anderen Mitgliedstaat. Der für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung erforderliche Nachweis der "Ausfuhr" kann daher nicht mehr durch eine Bestätigung der Zollstelle geführt werden. An die Stelle der zollamtlichen Bescheinigung sind nunmehr als Nachweis der "Ausfuhr" Angaben des liefernden Unternehmers mit Beförderungs- bzw. Versandbelegen, die Empfangsbestätigung und Versicherung des Abnehmers getreten.[1]

 

Rz. 81

Es kommt – ebenso wie bei der EUSt – für die Steuerentstehung zwar grundsätzlich nicht darauf an, wie und durch welche Person (Lieferer, Abnehmer oder Beauftragter) der Gegenstand der Lieferung in das Inland gelangt ist und aufgrund welcher Beförderungsart. Sonderregelungen bestehen aber im nichtunternehmerischen Bereich und für Schwellenerwerber (Rz. 223ff.); holen Privatpersonen und Schwellenerwerber (bei Nichterreichen der Erwerbsschwelle) den Liefergegenstand selbst oder durch einen Beauftragten ab, entsteht keine Erwerbsteuer. Wird der Gegenstand dagegen vom Lieferer selbst oder durch einen Beauftragten befördert bzw. versendet, kann in der Person des Lieferers die Erwerbsteuer entstehen, wenn dieser die inländische Lieferschwelle überschreitet (Rz. 228).

 

Rz. 82

Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands.[2] Der Begriff umfasst nicht nur die Beförderung durch den Lieferer, sondern auch das Abholen durch den Abnehmer. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung eines Gegenstands durch einen selbstständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt.[3] Die Lieferung endet am Bestimmungsort; dabei sind kurzfristige Unterbrechungen unschädlich.[4]

 

Rz. 83

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt nur vor, wenn der Gegenstand der innergemeinschaftlichen Lieferung über eine innergemeinschaftliche Grenze ins Inland verbracht wird und auch tatsächlich ins Inland physisch gelangt. Diese Voraussetzung der Erwerbsbesteuerung hat insbesondere Bedeutung für Reihengeschäfte. Schließen Unternehmer aus mehreren Mitgliedstaaten ein Reihengeschäft ab und wird der Gegenstand der Lieferung nur innerhalb eines Mitgliedstaats bewegt, liegt kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor.[5]

Verbringen in ein Auslieferungs- oder Konsignationslager ist unter bestimmten Voraussetzungen nicht steuerbar (s. Rz. 192ff.).

 

Rz. 84

Ist der Gegenstand der Lieferung vor Überschreitung der innergemeinschaftlichen Grenze verloren- oder untergegangen, kommt eine Erwerbsbesteuerung ebenso wenig wie eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG in Betracht, weil der Gegenstand nicht in einen anderen Mitgliedstaat gelangt ist. Inwieweit bereits eine steuerpflichtige Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet vorliegt, bestimmt sich danach, ob die Verfügungsmacht an dem Gegenstand bereits verschafft war, und damit nach den Regeln über den Ort der Lieferung (Rz. 66ff.). Geht der Gegenstand der Lieferung während seiner Beförderung nach Überschreitung der innergemeinschaftlichen Grenze im Inland unter, liegt im Ausgangsstaat keine steuerbare Lieferung vor, wenn eine solche noch nicht bewirkt war[6], wohl aber im Inland ein dem innergemeinschaftlichen Erwerb gleichgestelltes unternehmerisches Verbringen[7], das aber von der Erwerbsteuer ausgenommen ist. War die Lieferung im Zeitpunkt des Untergangs bereits ausgeführt, unterliegt sie der Erwerbsbesteuerung; damit sind zugleich die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung[8] erfüllt. Nur insoweit kann bei Untergang während der Beförderung (Art. 17 Abs. 2 Buchst. e MwStSystRL) und der vorübergehenden Verwendung im Inland eine Erwerbsbesteuerungspflicht eintreten.

 

Rz. 85

Die Formulierung in § 1a Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG"in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats" bedeutet für die Erwerbsbesteuerung "ins Inland", weil Steuergegenstand[9] nur "der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland" ist. Das Inland[10] umfasst das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freihäfen, der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie...

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