Umsatzsteuerliche Behandlung von Reihengeschäften

Zum 1.1.2020 wurden durch die sog. "Quick Fixes" der EU neue Regelungen zu den innergemeinschaftlichen Reihengeschäften aufgenommen. In Deutschland wurden diese - erweitert um Drittlandssachverhalte - gesetzlich umgesetzt. Die Finanzverwaltung hat jetzt ihre Erläuterungen hierzu umfassend überarbeitet.

Bei einem Reihengeschäft schließen mehrere Unternehmer (mindestens 2 Unternehmer) Liefergeschäfte über einen Gegenstand ab, der Gegenstand wird aber von einem der am Reihengeschäft beteiligten Personen unmittelbar vom ersten Unternehmer in der Reihe zum letzten Abnehmer in der Reihe befördert oder versendet. Bei einem solchen Reihengeschäft liegen jeweils separat zu beurteilende Lieferungen (die Lieferungen ergeben sich aus den Rechtsgeschäften der beteiligten Vertragsparteien) der einzelnen Unternehmer in der Reihe vor. Die umsatzsteuerlichen Lieferungen folgen dem Rechnungslauf.

Durchführung der Beförderung oder Versendung

Das Reihengeschäft setzt voraus, dass die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur von einem an dem Reihengeschäft Beteiligten durchgeführt wird. Bei einer Warenbewegung, die von mehreren an dem Reihengeschäft beteiligten Personen durchgeführt wird (sog. gebrochene Beförderungen oder Versendungen, Abschn. 3.14 Abs. 4 UStAE), liegt kein Reihengeschäft vor.

Wichtig: Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung bezieht sich immer auf die Rechtsgeschäfte (Lieferungen). Die tatsächliche (körperliche) Warenbewegung ist nur für die Feststellung des Orts der jeweiligen Lieferungen und ggf. für die Feststellung einer Steuerbefreiung als Ausfuhrlieferung oder innergemeinschaftliche Lieferung von Bedeutung.

Ort der Lieferung

Von besonderer Bedeutung ist beim Reihengeschäft die Bestimmung des Orts der Lieferung. Bei einem Reihengeschäft liegt immer nur eine Beförderungs- oder Versendungslieferung vor, deren Ort sich nach § 3 Abs. 6 UStG (sog. bewegte Lieferung) bestimmt (§ 3 Abs. 6a Satz 1 UStG). Die Orte aller anderen Lieferungen bei einem Reihengeschäft bestimmen sich nach § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG (sog. ruhende Lieferungen). Abhängig davon, welche der am Reihengeschäft beteiligten Person den Gegenstand befördert oder versendet, ist die Zuordnung der bewegten Lieferung vorzunehmen.

Für die ruhenden Lieferungen ergeben sich nach § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG grundsätzlich 2 verschiedene Lösungen:

  • § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG: Eine ruhende Lieferung, die vor der Beförderungs- oder Versendungslieferung kommt, ist dort ausgeführt, wo die Warenbewegung tatsächlich beginnt.
  • § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG: Eine ruhende Lieferung, die nach der Beförderungs- oder Versendungslieferung kommt, ist dort ausgeführt, wo die Warenbewegung endet.

Insgesamt ergeben sich bei einem Reihengeschäft die folgenden Möglichkeiten:

Reihengeschäft

Unternehmer 1

befördert/versendet

Unternehmer 2

befördert/versendet

Abnehmer A

befördert/versendet

Lieferung 1

(Unternehmer 1 an Unternehmer 2)

§ 3 Abs. 6a Satz 2 UStG: Bewegte Lieferung; Ort ist dort, wo die Warenbewegung beginnt; § 3 Abs. 6 UStG.

§ 3 Abs. 6a Satz 4 UStG: Widerlegbare Vermutung, bewegte Lieferung; Ort ist dort, wo die Warenbewegung beginnt.

§ 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG: Ruhende Lieferung; Ort ist dort, wo die Warenbewegung beginnt.

Lieferung 2

(Unternehmer 2 an Abnehmer A)

§ 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG: Ruhende Lieferung; Ort ist dort, wo die Warenbewegung endet.

§ 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG: Ruhende Lieferung; Ort ist dort, wo die Warenbewegung endet, soweit Vermutung nach § 3 Abs. 6a Satz 5 ff. UStG nicht widerlegt.

§ 3 Abs. 6a Satz 3 UStG: Bewegte Lieferung; Ort ist dort, wo die Warenbewegung beginnt;
§ 3 Abs. 6 UStG.

Erster Unternehmer befördert oder versendet

Wenn der erste Unternehmer in der Reihe den Gegenstand selbst befördert oder versendet, ist die von ihm ausgeführte Lieferung die Beförderungs- oder Versendungslieferung, deren Ort sich nach § 3 Abs. 6 UStG mit dem Ort bestimmt, an dem die Warenbewegung beginnt bzw. wo der Gegenstand dem beauftragten Dritten übergeben wird (§ 3 Abs. 6a Satz 2 UStG).  Alle anderen – danach folgenden – Lieferungen sind nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand am Ende der Warenbewegung befindet.

Wichtig: Eine Steuerbefreiung als Ausfuhrlieferung oder als innergemeinschaftliche Lieferung kann nur für die Lieferung infrage kommen, die als Beförderungs- oder Versendungslieferung nach § 3 Abs. 6 UStG eingestuft worden ist. Bei einer ruhenden Lieferung kann eine solche Steuerbefreiung nie in Betracht kommen (grundsätzlich bestätigt durch EuGH, Urteil v. 6.4.2006, C-245/04 (Handel Eder oHG)).

Letzter Unternehmer befördert oder versendet

Wenn der letzte Abnehmer in der Reihe den Gegenstand selbst befördert oder versendet, ist die an ihn ausgeführte Lieferung (die letzte Lieferung) die Beförderungs- oder Versendungslieferung, deren Ort sich nach § 3 Abs. 6 UStG mit dem Ort bestimmt, an dem die Warenbewegung beginnt bzw. wo der Gegenstand dem beauftragten Dritten übergeben wird (§ 3 Abs. 6a Satz 3 UStG).  Alle anderen – davor ausgeführten – Lieferungen sind nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG ruhende Lieferungen, die ebenfalls dort ausgeführt sind, wo sich der Gegenstand am Beginn der Warenbewegung befindet.

Mittlerer Unternehmer befördert oder versendet

Zu der besonders streitanfälligen Frage der Zuordnung der bewegten Lieferung, wenn ein mittlerer Unternehmer den Gegenstand der Lieferung befördert oder versendet, wurde zum 1.1.2020 eine unionseinheitliche Lösung – zumindest für die EU-grenzüberschreitenden Reihengeschäfte - vorgegeben. Durch Art. 36a MwStSystRL ist für diese Reihengeschäfte, bei denen der mittlere Unternehmer den Gegenstand befördert oder versendet (der mittlere Unternehmer ist dann der sog. Zwischenhändler) eine widerlegbare Vermutungsregelung geschaffen worden, die national – erweitert – in § 3 Abs. 6a Satz 4 ff. UStG umgesetzt worden ist. Danach gilt für die Zuordnung Folgendes, wenn der mittlere Unternehmer die Transportveranwortung hat (also Zwischenhändler ist):

  • Befördert oder versendet ein mittlerer Unternehmer (Zwischenhändler) in der Reihe den Gegenstand, ist grundsätzlich die Lieferung an ihn die Beförderungs- oder Versendungslieferung, es gilt aber die Möglichkeit, dass diese Vermutung widerlegt wird (§ 3 Abs. 6a Satz 4 UStG).
  • Binnenmarkt: Verwendet aber der Zwischenhändler in den Fällen, in denen der Gegenstand von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat gelangt, gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilte USt-IdNr., ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen (§ 3 Abs. 6a Satz 5 UStG).
  • Drittland, Export: Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Inland in das Drittlandsgebiet, wird die Grundvermutung widerlegt, wenn der Zwischenhändler gegenüber seinem Vorlieferanten bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilte USt-IdNr. oder eine ihm dort erteilte Steuernummer verwendet. Dann ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen (§ 3 Abs. 6a Satz 6 UStG).
  • Drittland, Import: Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, wird die Grundvermutung widerlegt, wenn der Gegenstand der Lieferung für den Zwischenhändler nach den unionszollrechtlichen Bedingungen in den freien Verkehr gebracht wird (Einfuhr, § 3 Abs. 6a Satz 7 UStG).

Hinweis: Grundsätzlich können an einem Reihengeschäft auch mehr als 3 Personen beteiligt sein. In diesen Fällen ergeben sich aber auch nur die oben dargestellten Möglichkeiten, da immer eine Lieferung als Beförderungs- oder Versendungslieferung festgelegt werden muss, alle anderen Lieferungen sind dann ruhende Lieferungen nach § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG. Wenn an einem Reihengeschäft 3 Unternehmer beteiligt sind, die aus 3 verschiedenen Mitgliedstaaten der Union heraus handeln, kann ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft vorliegen, für das dann zusätzlich die Sonderregelungen des § 25b UStG anzuwenden sind.

Die neue Anweisung des BMF

Das BMF-Schreiben überarbeitet Abschn. 3.14 UStAE umfassend. Im Zuge der Überarbeitung passt die Finanzverwaltung Begriffe an und verwendet sie jetzt einheitlich:

  • Entsprechend der neuen gesetzlichen Wortwahl ersetzt die Finanzverwaltung den Begriff der "Umsatzgeschäfte" durch "Liefergeschäfte".
  • Die Finanzverwaltung verwendet für die Beförderungs- oder Versendungslieferung den Begriff der "bewegten Lieferung".
  • Die Lieferungen nach § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG werden von der Finanzverwaltung als "ruhende Lieferungen" bezeichnet.
  • Zwischenhändler ist ein Unternehmer, der nicht erster oder letzter in der Leistungskette ist und der den Gegenstand selbst oder auf seine Rechnung durch einen Dritten befördert oder versendet.
  • Für die Transportverantwortlichkeit ist immer darauf abzustellen, wer die Beförderung durchgeführt oder die Versendung veranlasst hat.

Wichtig: Für die Zuordnung der bewegten Lieferung ist immer darauf abzustellen, wer von den Beteiligten die Transportverantwortlichkeit hat. Aus den vorhandenen Aufzeichnungen muss sich eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben, wer die Beförderung durchgeführt oder die Versendung veranlasst hat. Im Fall der Versendung ist dabei auf die Auftragserteilung an den selbstständigen Beauftragten abzustellen. Eine davon abweichende Zuordnung ist nur zulässig, wenn der Unternehmer nachweist, dass die Beförderung bzw. die Versendung auf Rechnung eines anderen Unternehmers erfolgt ist und dieser tatsächlich die Gefahr des zufälligen Untergangs des Gegenstands während des Transports getragen hat.

Tipp: Online-Seminar "Reihengeschäfte in der Umsatzsteuer"

Reihengeschäfte stellen an die betroffenen Unternehmer in der Praxis besondere Herausforderungen und bergen auch erhebliche umsatzsteuerliche Risiken. Prof. Rolf-R. Radeisen erläutert in einem Online-Seminar (7.6.2023, 15:00 Uhr) die systematischen Grundsätze für die Abwicklung der Reihengeschäfte und die Konsequenzen aus dem neuen BMF-Schreiben vom 25.4.2023.

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Zuordnung der bewegten Lieferung bei Warentransport durch einen Zwischenhändler

Breiten Raum nimmt die Zuordnung der bewegten Lieferung bei Warentransport durch einen Zwischenhändler ein. Obwohl die Frage der Zuordnung der bewegten Lieferung in diesen Fällen eigentlich nur interessant ist, wenn die Ware grenzüberschreitend befördert oder versendet wird, nimmt die Finanzverwaltung auch zu rein inländischen Reihengeschäften Stellung (Beginn und Ende der Beförderung im Inland, Abschn. 3.14 Abs. 9 UStAE).

Der Zwischenhändler kann die Warenbewegung seiner eigenen Lieferung zuordnen, wenn er nachweist, dass er den Gegenstand in seiner Eigenschaft als Lieferer befördert bzw. versendet hat (§ 3 Abs. 6a Satz 4 2. Halbsatz UStG). Dies kann durch eine Auftragsbestätigung, das Doppel der Rechnung oder andere handelsübliche Belege und Aufzeichnungen nachgewiesen werden. Der Zwischenhändler kann die Eigenschaft als Lieferer unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls nachweisen (z. B. anhand Übernahme von Kosten des Transports aufgrund der mit dem Vorlieferanten und seinem Auftraggeber vereinbarten Lieferkonditionen, Mitteilung über den Weiterverkauf vor Beginn der Beförderung oder Versendung usw.). Nur die Mitteilung an den Vorlieferanten über den Weiterverkauf des Liefergegenstands ist hierfür nicht ausreichend (BFH, Urteil v. 28.5.2013, XI R 11/09).

Bei den EU-grenzüberschreitenden Reihengeschäften (Abschn. 3.14 Abs. 13 UStAE) kann der Zwischenhändler die Zuordnung der bewegten Lieferung zu seiner Lieferung nur über die Verwendung der USt-IdNr. aus dem Mitgliedstaat des Beginns der Warenbewegung führen. Verwendung setzt dabei ein positives Tun voraus. Die Verwendung soll dabei schon bei Vertragsabschluss erfolgen, muss aber spätestens bis zum Beginn der Beförderung des Gegenstands erfolgen. Spätere Änderungen bei der Verwendung der USt-IdNr. bleiben ohne Auswirkung.

Die verwendete USt-IdNr. soll in dem jeweiligen Auftragsdokument schriftlich festgehalten werden. Bei mündlicher Erteilung eines Auftrags muss die rechtzeitige Verwendung der USt-IdNr. vom mittleren Unternehmer dokumentiert werden. Es reicht aus, wenn der Zwischenhändler dokumentiert, dass er gegenüber seinem leistenden Unternehmer erklärt hat, die ihm vom Abgangsstaat erteilte USt-IdNr. für alle künftigen Lieferungen verwenden zu wollen. Eine in einem Dokument lediglich formularmäßig eingedruckte USt-IdNr. reicht nicht aus.

Wichtig: Ein positives Tun des Zwischenhändlers zur Verwendung der USt-IdNr. liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. 3.14 Abs. 10 Satz 9 UStAE) auch dann vor, wenn dessen Leistungsempfänger (Erwerber) die Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug objektiv nachvollziehbar vorgenommen hat und der Leistungsbezug vom Leistungsempfänger in zutreffender Weise erklärt worden ist, der Zwischenhändler seinen Meldepflichten in der Zusammenfassenden Meldung (§ 18a UStG) nachgekommen ist und die Rechnung über die Lieferung einen Hinweis auf die USt-IdNr. des Leistungsempfängers, die in der Zusammenfassenden Meldung angegeben wurde, enthält.

Bei den drittlandsgrenzüberschreitenden Reihengeschäften (Abschn. 3.14 Abs. 14 - 17 UStAE) gelten die Grundsätze entsprechend. Anders als bei den Reihengeschäften im Binnenmarkt kann der Zwischenhändler die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung aber nicht nur durch Verwendung einer im Ausgangsstaat erteilten USt-IdNr., sondern auch mit einer erteilten Steuernummer nachweisen.

Tipp: Die Finanzverwaltung illustriert die Vorgaben durch diverse Beispiele, die jeweils alle Varianten der Zuordnung der bewegten Lieferung enthalten.

Vereinfachungsregelung

Ansonsten übernimmt die Finanzverwaltung auch schon die bisher vertretene Auffassung zu den Reihengeschäften mit privaten Endabnehmern (Abschn. 3.14 Abs. 18 UStAE). sowie die Vereinfachungsregelung, dass in den Fällen, in denen die Zuordnung der bewegten Lieferung von einem Unternehmer aufgrund des Rechts eines anderen Mitgliedstaats nach anderen Grundsätzen vorgenommen wurde, dieser anderen Zuordnung gefolgt werden kann.

Einschaltung einer elektronischen Schnittstelle

Neu mit aufgenommen wurde der Hinweis, dass in den Fällen der Fiktion eines Reihengeschäfts bei Einschaltung einer elektronischen Schnittstelle (§ 3 Abs. 3a i. V. m. Abs. 6b UStG) diese Grundsätze nicht gelten. Dies ist zutreffend, da für diesen Fall die Beförderungs- oder Versendungslieferung ohne Ausnahme oder Wahlmöglichkeit zwingend der fiktiven Lieferung der elektronischen Schnittstelle zugeordnet ist.

Konsequenzen für die Praxis

Die Finanzverwaltung hat ihre Verwaltungsanweisungen zu den Reihengeschäften an die seit dem 1.1.2020 geltende Rechtslage angepasst, ist aber weitestgehend in der bisherigen Struktur verblieben. Positiv ist hervorzuheben, dass die Finanzverwaltung die Beispiele übersichtlicher strukturiert und auch inhaltlich ausgeweitet hat. So können zu den wichtigsten Abläufen bei Reihengeschäften entsprechende Anwendungsbeispiele gefunden werden.

Neben den sprachlichen Anpassungen werden insbesondere die neuen Regelungen zur Zuordnung der bewegten Lieferung behandelt.

Vermutungsregelung unklar

Unklar ist allerdings die von der Finanzverwaltung in Abschn. 3.14 Abs. 10 Satz 9 UStAE aufgenommene Vermutung, dass ein positives Tun des Zwischenhändlers zur Zuordnung der bewegten Lieferung auch dann vorliegt, wenn dessen Leistungsempfänger (dies ist der Abnehmer des Zwischenhändlers) die Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug objektiv nachvollziehbar vorgenommen hat und der leistende Unternehmer seinen Meldepflichten nach § 18a UStG nachgekommen ist.

Warum die Abwicklung gegenüber dem Abnehmer des Zwischenhändlers ein positives Tun gegenüber dem Vorlieferanten begründen soll, bleibt ein Geheimnis der Finanzverwaltung. Zudem würde dies nur greifen, wenn der Abnehmer ein Unternehmer ist – was aber sowohl systematisch als auch praktisch zu Problemen führen würde. Gerade bei Lieferungen an Nichtunternehmer in anderen Mitgliedstaaten kann durch die Zuordnung der bewegten Lieferung zum Zwischenhändler und den Voraussetzungen eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs (§ 3c Abs. 1 UStG) die individuelle Veranlagung des Zwischenhändlers im Bestimmungsmitgliedstaat vermieden werden und der Vorgang über den One-Stop-Shop besteuert werden.

Offensichtlich hat die Finanzverwaltung diesen Passus aus Abschn. 3a.2 Abs. 10 UStAE einfach an diese Stelle kopiert (in einem Entwurf zu diesem Schreiben aus dem Juni 2022 war an dieser Stelle nur auf die analoge Anwendung der Grundsätze zum positiven Tun bei Verwendung einer USt-IdNr. bei sonstigen Leistungen nach § 3a Abs. 2 UStG verwiesen worden).

Offenes Problem

Die Finanzverwaltung hat es (leider) auch versäumt, zu einem anderen Problem Stellung zu nehmen und hat die wohl nicht vollständig mit der Rechtsprechung vereinbare bisherige Rechtsauffassung (Abschn. 3.14 Abs. 18 – Beispiel – UStAE) übernommen.

Wenn der erste Unternehmer in der Leistungskette den Gegenstand aus dem Inland in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet und damit die bewegte Lieferung zwingend der ersten Lieferung zuzuordnen ist (§ 3 Abs. 6a Satz 2 UStG) und der mittlere Unternehmer gegenüber dem ersten Unternehmer mit einer deutschen USt-IdNr. auftritt, verwirklicht der mittlere Unternehmer (da an ihn eine Beförderungs- oder Versendungslieferung ausgeführt wird) im Bestimmungsmitgliedstaat einen dort steuerbaren innergemeinschaftlichen Erwerb (der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs bestimmt sich in diesem Fall nach § 3d Satz 1 UStG)

Zusätzlich hat danach der mittlere Unternehmer – zumindest, solange er nicht in Deutschland nachweisen kann, dass der innergemeinschaftliche Erwerb zutreffend im Bestimmungsmitgliedstaat besteuert worden ist – wegen des Auftretens mit der deutschen USt-IdNr. auch noch einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland (§ 3d Satz 2 UStG) zu besteuern. Diese Rechtsfolge ist aber wohl nicht mit der Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 7.7.2022, C-696/20 (B)) vereinbar, da es in diesem Fall zu einer Kumulation von Umsatzsteuer in Deutschland kommen würde. Zumindest wäre ein Hinweis der Finanzverwaltung zu dieser Problematik wünschenswert gewesen.

Anwendungsregelung

Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Dabei ist wohl – unausgesprochen – davon auszugehen, dass sich die Regelungen nur auf die ab dem 1.1.2020 ausgeführten Lieferungen beziehen kann, da vor dem 1.1.2020 § 3 Abs. 6a UStG noch nicht anzuwenden war.

Darüber hinaus beanstandet es die Finanzverwaltung bis zur Veröffentlichung des Schreibens nicht, wenn die Zuweisung der Transportverantwortlichkeit von den Beteiligten abweichend von der jetzt von der Finanzverwaltung vertretenen Rechtsauffassung (jetzt Abschn. 3.14 Abs. 7 - 11 UStAE) bestimmt worden ist.

BMF, Schreiben v. 25.4.2023, III C 2 - S 7116-a/19/10001 :003