Rz. 228

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt nicht vor, wenn die in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannten Unternehmer zusätzlich die Voraussetzung gem. § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG erfüllen, nämlich mit ihren Erwerben eine bestimmte Erwerbsschwelle nicht überschreiten. Diese Erwerbsschwelle ist auch für Lieferungen im Versandhandel maßgebend, wenn der Ort der Lieferung im Inland liegt.[1]  Die Regelung, die mit der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG vergleichbar ist, dient der Steuervereinfachung sowohl für den Steuerpflichtigen, der von den damit verbundenen Erklärungen und Aufzeichnungen befreit ist, als auch für die Finanzverwaltung, die in Bagatellfällen keine gesonderte Veranlagung durchführen muss.

 

Rz. 229

Nach der Erwerbsschwellenregelung darf der Gesamtbetrag der Entgelte für Erwerbe i. S. v. § 1a Abs. 1 und 2 UStG im vorangegangenen Kj. den Betrag von 12.500 EUR nicht überschritten haben und dieser Betrag darf im laufenden Kj. voraussichtlich nicht überschritten werden. Maßgebend sind die Entgelte, für die im betreffenden Kj. die Steuer entstanden ist, d. h. im Regelfall mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats.[2]

 

Rz. 230

Ist im vorangegangenen Kj. die Erwerbsschwelle überschritten worden, unterliegt jeder Erwerb im laufenden Kj. der Erwerbsbesteuerung nach § 1a Abs. 1 UStG, auch wenn deren Entgelte die Erwerbsschwelle tatsächlich nicht erreichen. Dies gilt auch, wenn die Erwerbsschwelle erst aufgrund von späteren Korrekturen der Entgelte nachträglich überschritten wird. In diesem Fall sind unterbliebene Besteuerungen nachzuholen.

 

Rz. 231

Hat der Schwellenerwerber im Vorjahr die Erwerbsschwelle nicht erreicht oder beginnt der Erwerber erst mit seiner unternehmerischen Tätigkeit im laufenden Kj., kommt es für die Erwerbsbesteuerung auf die voraussichtlichen Verhältnisse an, d. h. es muss Anfang des Jahrs geprüft werden, ob der Betrag von 12.500 EUR im Kj. voraussichtlich überschritten wird. Der Schwellenerwerber hat also anlässlich seines ersten innergemeinschaftlichen Erwerbs eine Prognose für das laufende Jahr zu stellen, wenn er keine Erwerbsbesteuerung vornehmen will. Stellt sich im Verlauf des Kalenderjahrs heraus, dass die Prognose falsch war und die Erwerbsschwelle tatsächlich überschritten wird, bleibt es für das gesamte Kj. nach dem Wortlaut des Gesetzes bei der Nichtbesteuerung der Erwerbe.[3] Die entsprechende Anwendung der Regelung des vergleichbaren § 19 Abs. 1 UStG[4] stößt auf Bedenken, weil – anders als bei der Kleinunternehmerregelung – es für die innergemeinschaftlichen Erwerbe nicht auf die Jahresgesamtveranlagung ankommt, sondern – vergleichbar mit der EUSt – auf die einzelnen Erwerbsvorgänge. Es bereitet keine Schwierigkeiten, Erwerbsvorgänge, die die Erwerbsschwelle überschreiten oder gar jenseits der Erwerbsschwelle liegen, umsatzsteuerlich anders zu behandeln, als die vorangegangenen Umsätze. Art. 3 Abs. 2 MwStSystRL sieht eine Prognose nicht vor, sondern unterwirft rückwirkend sämtliche innergemeinschaftliche Erwerbe der Erwerbsteuer, wenn im laufenden Kj. die Erwerbsschwelle überschritten wird.[5] Der Erwerber hat dem FA gegenüber die Gründe darzustellen, aus denen sich seine Prognose ergeben hat.[6]

 

Rz. 232

Der Erwerbsschwellenbetrag von 12.500 EUR ist ein Nettobetrag, der sich auf die Entgelte i. S. v. § 10 Abs. 1 S. 2 UStG bezieht. In die Erwerbsschwellenberechnung sind nur die der Erwerbsteuer unterliegenden Umsätze einzubeziehen, nicht dagegen Bezüge von Kleinunternehmern.[7] Zu den Entgelten gehören auch die des unternehmerischen Verbringens; denn dieses Verbringen gilt gem. § 1a Abs. 2 UStG als innergemeinschaftlicher Erwerb gegen "Entgelt". In diesen Fällen wird der innergemeinschaftliche Erwerb ausgeführt, wenn die verbrachten Gegenstände nicht nur vorübergehend in den inländischen Unternehmensteil aufgenommen worden sind; die Entgelte für diese Erwerbe entstehen mit Ablauf des der Aufnahme in den Betrieb folgenden Kalendermonats.[8] Sie werden nach dem Einkaufspreis zuzüglich Nebenkosten bzw. nach den Selbstkosten bemessen.[9]

 

Rz. 233

Da die Erwerbsschwellenregelung auf den Erwerb neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtiger Waren nicht anzuwenden ist[10], bleibt bei der Schwellenberechnung das Entgelt für diese Erwerbe außer Betracht. Diese Auslegung entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL, der ausdrücklich die Erwerbe neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtige Waren von der Schwellenberechnung ausnimmt.

 

Rz. 234

Die Erwerbsschwelle von 12.500 EUR bezieht sich auf die Erwerbe aus dem gesamten übrigen Gemeinschaftsgebiet und nicht nur – wie bei der Berechnung der Lieferschwelle gem. § 3c Abs. 2 UStG – auf die Erwerbe aus einem einzelnen Mitgliedstaat. Hat der Schwellenerwerber die Erwerbsschwelle überschritten (oder auf ihre Anwendung verzichtet), entfällt die Besteuerung innergemeinschaftlicher Umsätze nach dem Ursprungslandprinzip mit der Folge, dass die Erwerbe im Inland steuerpflichtig werden.

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