Rz. 161

Das Strafgesetz gibt für die Ahndung der Tat einen Strafrahmen vor. Dieser Strafrahmen wird in bestimmten Fällen strafschärfend[1] bzw. strafmildernd (s. z. B. zur Beihilfe Rz. 99ff., zum Versuch Rz. 75ff.) modifiziert.

 

Rz. 162

Innerhalb des Strafrahmens hat das Gericht die für die Tat angemessene Strafe festzusetzen. Grundlage der Strafzumessung ist die Schuld des Tatbeteiligten.[2] Hierbei ist einzeln auf die individuelle Schuld eines jeden Tatbeteiligten abzustellen, im Steuerstrafrecht i. d. R. insb. auf die Höhe der verkürzten Steuer oder des zu Unrecht erlangten Steuervorteils. Dadurch wird im konkreten Einzelfall maßgeblich die Vorwerfbarkeit bei der Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Unrechts, d. h. die Schuld i. S. d. § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB geprägt.[3] Auf die Höhe des Hinterziehungsbetrags abzustellen ist jedoch für die Bestimmung der Schuld des Tatbeteiligten nicht ausreichend.

 

Rz. 163

Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB sind alle Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander abzuwägen. Dabei kommen nach § 46 Abs. 2 S. 2 StGB als Strafzumessungsgründe insbesondere in Betracht:

  • die Beweggründe und Ziele des Täters,
  • die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,
  • das Maß der Pflichtwidrigkeit,
  • die Art der Ausführung und die verschiedenen Auswirkungen der Tat,
  • das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse,
  • sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wieder gutzumachen, sowie sein Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen sowie
  • die sich aus der Anwendung des Kompensationsverbots ergebenden Gesichtspunkte.
 

Rz. 164

Bei der Geldstrafe (Rz. 153ff.) ist die Höhe des Tagessatzes nicht für die Strafzumessung erheblich.

Ein wesentliches bei der Strafzumessung zu berücksichtigendes Kriterium ist die Dauer der Strafverfolgung und des Strafverfahrens.[4]

Absprachen über das Strafmaß können getroffen werden[5]; auch eine Verständigung im Strafverfahren ist in § 257c StPO gesetzlich geregelt.

 

Rz. 165

Für die Abwägung und Gewichtung der verschiedenen Gesichtspunkte lassen sich allerdings keine festen Regeln aufstellen, da sie von den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls abhängig sind. Viele Gesichtspunkte spielen eine Rolle, die sich einer systematischen oder mathematischen Erfassung entziehen. Um jedoch zu große Abweichungen in der Strafzumessung zu verhindern, hat der BGH in einer Grundsatzentscheidung[6] konkrete Vorgaben gemacht, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

 

Rz. 166

  • Die Höhe des Hinterziehungsbetrags ist das maßgebliche Strafzumessungskriterium. Dies gilt für die Wahl des Strafrahmens ebenso wie für die konkrete Strafzumessung.
  • Eine Verkürzung "in großem Ausmaß" i. S. v. § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO liegt in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Betrug bei einem Steuerschaden (= der Täter erlangt ungerechtfertigt eine Zahlung von der Finanzbehörde) i. H. v. 50.000 EUR vor. Lässt der Täter hingegen die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis und führt dies zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, dann liegt eine Verkürzung in großem Ausmaß ab 100.000 EUR vor.[7]

In einer späteren Entscheidung[8] stellte der BGH jedoch fest, dass die Wertgrenze von 50.000 EUR auch dann gelten soll, wenn der Täter steuermindernde Umstände vortäuscht, indem er tatsächlich nicht vorhandene Betriebsausgaben behauptet und nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht.

  • Bei einem Verkürzungsschaden von über 100.000 EUR kommt eine Geldstrafe nach Ansicht des BGH nur bei Vorliegen von besonders gewichtigen Milderungsgründen in Betracht. Ebenso sei eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe (von bis zu zwei Jahren) bei hinterzogenen Beträgen in Millionenhöhe nur bei Vorliegen besonderer Milderungsgründe möglich.[9] Bei einem solchen Hinterziehungsbetrag sei die Möglichkeit zum Abschluss des Verfahrens im Strafbefehlswege ausgeschlossen. Es ist allerdings durchaus auch möglich, dass bei einem die Millionengrenze nicht übersteigenden Hinterziehungsbetrag eine nicht aussetzungsfähige Freiheitsstrafe von über zwei Jahren verhängt wird.[10]
[1] S. § 370 Abs. 3 AO für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung.
[3] BGH v. 6.6.2007, 5 StR 127/07, wistra 2007, 388, 389; BGH v. 19.12.1997, 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 404; BGH v. 23.3.1994, 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, 111.
[7] Bestätigt durch BGH v. 5.5.2011, 1 StR 116/11, wistra 2011, 347; vgl. auch BT-Drs. 17/4182, 17/4802 und 17/5067.
[9] Bestätigt durch BGH v. 7.2.2012, 1 StR 525/11, wistra 2012, 236, 238; danach können besondere Milderungsgründe nicht sein: die Unbestraftheit des Beschuldigten, seine Entschuldigung, die psychische Belastung aufgrund einer drohenden Haftstrafe, ein in d...

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