1 Einordnung der Vorschrift

1.1 Strafe und allgemeine Nebenfolgen

 

Rz. 1

Der gesetzliche Straftatbestand regelt für die Steuerstraftat[1] nur die "Haupt"-Strafe, die Strafandrohung für Geld- und/oder Freiheitsstrafe.[2] Die rechtswidrige und schuldhafte Verwirklichung des Steuerstraftatbestands kann darüber hinaus aber auch strafrechtliche Nebenfolgen haben. Insoweit gelten die allgemeinen Strafrechtsbestimmungen.[3]

Die Anordnung von Nebenfolgen liegt teils im Ermessen des Gerichts[4], teils ist diese gesetzlich verpflichtend.[5] Bei der Strafzumessung sind diese Nebenfolgen grds. in die Gesamtbelastung einzubeziehen.[6]

 

Rz. 1a

Solche strafrechtlichen Nebenfolgen sind z. B.

  • nach § 44 StGB das Fahrverbot;
  • nach § 45 StGB (s. Rz. 3)

    • die Aberkennung der Amtsfähigkeit,
    • die Aberkennung der Wählbarkeit und des Wahlrechts;
  • nach § 61 StGB die Maßregeln der Sicherung und Besserung;
  • nach § 70 StGB das Berufsverbot;
  • nach §§ 73ff. StGB die Anordnung der Einziehung von Taterträgen/Vorteilen aus der Tat bzw. gem. § 73c StGB die Einziehung des Wertes von Taterträgen.[7]

    Die Einziehung dient dazu, einen Vermögensvorteil abzuschöpfen, den der Tatbeteiligte aus der Tat erlangt hat.[8] Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer grds. "erlangtes Etwas" im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sein, weil der Täter sich die Aufwendungen für diese Steuern erspart.[9] Während die Einziehung (bzw. der Verfall) in der Vergangenheit i. d. R. wegen § 73 Abs. 1 S. 2 StGB scheiterte, ist die Einziehung durch die Neufassung des Gesetzes nunmehr auch bei Steuerstraftaten uneingeschränkt möglich.[10] Zudem kommt § 73a StGB, also die erweiterte Einziehung des durch die rechtswidrige Tat Erlangten, auch im Steuerstrafrecht nunmehr bei jeder rechtswidrigen Steuerstraftat in Betracht.

  • nach § 74 StGB die Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten (s. Rz. 17).
[3] § 369 Abs. 2 AO; s. Webel/Dumke, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 369 AO Rz. 75a.
[4] z. B. § 74 StGB.
[5] §§ 73, 73c StGB.
[6] BGH v. 23.8.2016, 1 StR 204/16 mit Anm. Kirch-Heim, NStZ 2017, 361; vgl. auch § 370 AO Rz. 243; streitig ist, ob der Abschöpfung gem. §§ 73, 73c StGB Strafcharakter zukommt, zusammenfassend Bach, wistra 2019, 485; Bittmann, NStZ 2019, 383, 386f.
[7] Neu geregelt ab 1.7.2017 mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017, BGBl I 2017, 872ff.; es handelt sich dabei gem. Art. 316h EGStGB um eine Stichtagsregelung. Zur Gesetzesreform z. B. Schilling/Cortsen/Hübner, StraFo 2017, 305; Trüg, NJW 2017, 1913; Köllner/Mück, NZI 2017, 593; Köhler, NStZ 2017, 497; Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665.
[8] BGH v. 21.9.1983, 3 StR 271/83, wistra 1983, 256.
[10] Ausführlich dazu z. B. Krumm, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 375 AO Rz. 23a-29e; kritisch Bach, wistra 2019, 485.

1.2 Nebenfolgen nach § 375 AO

 

Rz. 2

§ 375 AO regelt zwei voneinander unabhängige, bei bestimmten Steuerstraftaten (s Rz. 7) zulässige Nebenfolgen:

  • Abs. 1 – Aberkennung der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit,
  • Abs. 2 – Einziehung von Gegenständen (Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten).

Beide Nebenfolgen sind hinsichtlich ihrer Anwendung und ihres Inhalts getrennt zu betrachten. In beiden Fällen "kann" nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut das Gericht die Nebenfolgen anordnen, die Anordnung liegt also im Ermessen des Gerichts und ist im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen (s. Rz. 1).

Die Vorschrift lässt im Übrigen die Anordnung von Nebenfolgen nach dem StGB (S. Rz. 1a) unberührt, soweit sich deren Nichtanwendbarkeit nicht ausdrücklich oder konkludent ergibt.

 

Rz. 2a

§ 375 AO gilt dabei nur für die von ihm genannten Steuerstraftaten, nicht bei Ordnungswidrigkeiten. Auch im Jugendstrafrecht ist § 375 Abs. 2 AO uneingeschränkt anwendbar.[1] Bei § 375 Abs. 1 AO ist zu differenzieren. Statusfolgen dürfen bei Jugendlichen nicht angewendet werden[2] und bei Heranwachsenden nur dann, wenn § 105 JGG nicht gilt.[3]

[1] Krumm, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 375 AO Rz. 2.
[3] Krumm, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 375 AO Rz. 2.

2 Aberkennung der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit

2.1 Inhalt der Nebenfolge

2.1.1 Allgemeines

 

Rz. 3

§ 45 Abs. 2 StGB i. V. m. § 375 Abs. 1 AO gibt dem Gericht die Befugnis, als Nebenstrafe[1] dem Verurteilten für die Dauer von zwei bis zu fünf Jahren die Amtsfähigkeit (s. Rz. 5) und die Wählbarkeit (s. Rz. 6) abzuerkennen. Dies gilt nicht bei der Verurteilung von Jugendlichen.[2] Das aktive Wahlrecht kann hiernach (s. aber Rz. 1a) mangels ausdrücklicher Regelung nicht aberkannt werden.[3]

 

Rz. 4

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 375 Abs. 1 AO können beide Eigenschaften, Amtsfähigkeit und Wählbarkeit, nur zusammen aberkannt werden.[4]

[1] BGH v. 31.8.1955, 2 StR 110/55, MDR 1956, 9.
[2] Rz. 2a, § 6 Abs. 1 S. 1 JGG.
[4] Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 375 Rz. 9; a. A. Makee Mosa, in Gosch, AO/FGO, § 375 AO Rz. 10; Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 45 Rz. 2, 6; Bülte, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 375 AO Rz. 11; Hilgers-Klautzsch, in Kohl...

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