Rz. 31

Eine fehlende, unzureichende oder dürftige Begründung der Einspruchsentscheidung führt zur Rechtswidrigkeit, aber nicht zur Nichtigkeit der Einspruchsentscheidung.[1] Mit der fehlenden oder fehlerhaften Begründung alleine liegt für den Einspruchsführer regelmäßig keine Beschwer vor, die ihn zu einer Klage berechtigen würde. Es ist lediglich ein Verfahrensfehler gegeben, für den über § 365 AO die §§ 126 und 127 AO Anwendung finden.[2]

 

Rz. 32

Die Finanzbehörde hat deshalb nach § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO die Möglichkeit, eine fehlende Begründung bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachzuholen.[3] Ist die Finanzbehörde in der Einspruchsentscheidung nur auf einen Teil der in dem Einspruch erhobenen Einwendungen eingegangen, könnte eine ggf. nicht erkannte Teileinspruchsentscheidung vorliegen.[4] In diesem Fall hat der Stpfl. einen Anspruch auch auf eine Entscheidung über den noch nicht entschiedenen Teil des Einspruchs.[5]

 

Rz. 33

Liegt bis dahin keine Begründung vor, hebt das FG die Einspruchsentscheidung isoliert auf und verweist die Sache an die Finanzbehörde zurück.[6] Gleiches gilt, wenn die Begründung so unverständlich oder floskelhaft ist, dass sie den Zwecken des Begründungszwangs und des Einspruchsverfahrens nicht mehr hinreichend Rechnung trägt.[7] Allerdings führt eine fehlende Begründung nach § 127 AO regelmäßig nicht zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung, wenn in der Sache keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können.[8] Bei Ermessensentscheidungen kann diese Voraussetzung aber grds. nicht vorliegen.

 

Rz. 34

War die fehlende Begründung ursächlich dafür, dass die Klagefrist versäumt wurde, gilt die Säumnis nach § 126 Abs. 3 AO als nicht verschuldet mit der Folge, dass unter den Voraussetzungen des § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.[9]

Rz. 35–36 einstweilen frei

[2] BFH v. 29.2.1996, X B 303/95, BFH/NV 1996, 606; vorsichtig Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 366 AO Rz. 16: "auf verfassungskonforme Weise einschränkend auszulegen".
[3] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 366 AO Rz. 4; Hardtke, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 366 AO Rz. 4; Birnbaum, in BeckOK, § 366 AO Rz. 48; a. A. Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 366 Rz. 18.
[4] L'habitant, AO-StB 2020, 179.
[6] FG Berlin v. 30.10.1973, IV 97/72, EFG 1974, 484; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 366 AO Rz. 16.
[7] FG Düsseldorf v. 28.10.1999, 11 K 2229/99 E,F, EFG 2000, 47; FG Berlin v. 30.10.1973, IV 97/72, EFG 1974, 484; ebenso Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 366 AO Rz. 188; i. E. wohl auch Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 366 AO Rz. 4; a. A. – ohne nähere Begründung – Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 366 Rz. 16.
[9] I. E. ebenso Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 366 AO Rz. 19.

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