Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderbarkeit einer Umsatzsteuerfestsetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Finanzbehörde hat, solange sie dem Begehren des Stpfl. nicht umfassend stattgibt, auch nach Änderung des Bescheids, gegen den Einspruch eingelegt wurde, über den (ursprünglichen) Einspruch zu entscheiden. Denn ein Einspruch erledigt sich nicht dadurch, dass Änderungsbescheide erlassen werden, die dem Begehren des Stpfl. nicht in vollem Umfang stattgeben. Die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide haben dem Begehren des Stpfl. nach Steuerfreistellung der Erstattungsleistungen nicht entsprochen, so dass hierdurch keine Beendigung des Einspruchsverfahrens durch Abhilfe eintreten konnte.

 

Normenkette

AO § 367 Abs. 2 S. 3, § 164 Abs. 2

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob die Umsatzsteuerfestsetzung für 2008 noch änderbar ist.

Der Kläger erhielt in den Jahren 1993 bis 2011 und damit auch im Streitjahr 2008 Erstattungsleistungen vom Bundesamt für den Zivildienst (jetzt: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben). Der Beklagte hielt die Erstattungsleistungen zunächst für steuerpflichtig. Datierend auf den 18.9.2009, eingegangen beim Beklagten am 25.9.2009, reichte der Kläger eine einen Erstattungsbetrag ausweisende Umsatzsteuererklärung für 2008 ein, der der Beklagte mit Mitteilung vom 12.10.2009 zustimmte. Die fraglichen Leistungen deklarierte der Kläger – in Übereinstimmung mit der damaligen Rechtsauffassung des Beklagten – in der Umsatzsteuererklärung für 2008 als umsatzsteuerpflichtig zum Regelsteuersatz. Der Kläger teilte die Rechtsansicht des Beklagten allerdings nicht und legte mit Schriftsatz vom 20.10.2009 Einspruch gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für 2008 mit der Begründung ein, dass die Erstattungen des Bundesamtes für den Zivildienst dem ermäßigten Steuersatz unterlägen (nachfolgend auch als „Einspruchsverfahren I” bezeichnet). Gleichzeitig regte der Kläger das Ruhen des Einspruchsverfahrens unter Hinweis auf ein beim Finanzgericht (FG) Niedersachen anhängiges Verfahren (5 K 520/01) an. Der Beklagte stellte das Einspruchsverfahren I auf Antrag des Klägers ruhend.

Im Jahr 2010 fand beim Kläger eine Lohnsteueraußenprüfung statt, in deren Rahmen der Beklagte feststellte, dass von Mitarbeitern gezahlte Entgelte für Mahlzeiten nicht umsatzversteuert worden seien. Der Beklagte änderte daraufhin mit Bescheid vom 15.12.2010 die Umsatzsteuerfestsetzung für 2008 und erhöhte die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage um die gezahlten Entgelte für die Mahlzeiten der Mitarbeiter. Die Umsatzsteuer setzte er auf 1.090,25 € fest, wobei der Beklagte außerdem die Vorsteuern um 533 € kürzte, anstatt sie bei der angenommenen Steuerpflichtigkeit der Entgelte um diesen Betrag zu erhöhen. Dagegen legte der Kläger am 22.12.2010 Einspruch ein (nachfolgend auch als „Einspruchsverfahren II” bezeichnet). Am 24.5.2012 änderte der Beklagte die Umsatzsteuerfestsetzung 2008 und setzte die Umsatzsteuer auf 24,25 € fest, wobei die versehentliche Vorsteuerkürzung um 533 € in eine Vorsteuererhöhung um 533 € berichtigend geändert wurde. Mit Einspruchsentscheidung vom 1.6.2012, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wies der Beklagte den Einspruch vom 22.12.2010 als unbegründet zurück. Im Rubrum der Einspruchsentscheidung bezieht sich der Beklagte unter dem Textfeld „Eingangsdatum des Einspruchs/der Einsprüche” nur auf den Einspruch vom „22.12.2010”. Die Einspruchsbegründung befasst sich ausschließlich mit der Steuerpflichtigkeit „der Umsätze aus der Beköstigung des pädagogischen Personals”. Zur Steuerpflicht der Erstattungen des Bundesamtes für den Zivildienst enthält die Einspruchsentscheidung keinen Hinweis. Gegen die Entscheidung des Beklagten erhob der Kläger am 28.6.2012 Klage vor dem Finanzgericht. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen (Az.) 15 K 2162/12 U geführt. Nachdem der Beklagte bereits kurze Zeit nach Klageerhebung die Rechtswidrigkeit des mit der Klage angefochtenen Bescheids erkannt hatte, änderte er die Umsatzsteuerfestsetzung für 2008 mit Bescheid vom 3.7.2013 erneut und stellte die Entgelte des pädagogischen Personals für Mahlzeiten nach § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. b) UStG umsatzsteuerfrei. Die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung erging, ausweislich des Bescheids vom 3.7.2013, weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Kläger und der Beklagte erklärten daraufhin den Rechtsstreit 15 K 2162/12 U in der Hauptsache für erledigt. Dem Beklagten wurden mit Beschluss vom 31.7.2013 die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. In den im Klageverfahren 15 K 2162/12 U ausgetauschten Schriftsätzen wurde ausschließlich über die Steuerpflichtigkeit der von Mitarbeitern gezahlten Entgelte für Mahlzeiten gestritten.

Mit inhaltsgleichen Schreiben vom 15.9.2014 und 13.10.2014 wandte sich der Beklagte erneut an den Kläger und teilte mit, dass die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 2005 und 2008 bislang ruhten und wieder aufgenommen werden sollen. Er, der Beklagte, bitte n...

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