1 Grundlagen

 

Rz. 1

Die Vorschrift in § 103 S. 1 AO ist durch Gesetz v. 17.7.2017[1] mit Wirkung ab 25.5.2018 geändert worden.

§ 103 AO berechtigt Dritte[2] zur Auskunftsverweigerung für den Fall, dass sie sich oder einen ihrer Angehörigen durch die Beantwortung einer Frage der Gefahr einer Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit aussetzen würden.

Ein am Besteuerungsverfahren unbeteiligter Dritter kann aufgrund seiner Wahrheitspflicht in einen Gewissenskonflikt geraten, wenn er mit der Auskunft sich selbst oder einen seiner Angehörigen[3] einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezichtigen müsste, selbst wenn diese nicht steuerlicher Art wäre, und er im Hinblick auf das Steuergeheimnis und das Verwendungsverbot in § 393 Abs. 2 AO vor einer Verfolgung weitgehend gesichert wäre.[4] Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 103 AO bewahrt den Auskunftspflichtigen vor derartigen Gewissenskonflikten.[5] Die Vorschrift bezweckt hingegen nicht den Schutz von Beteiligten[6], auch wenn der Beweiswert der Aussage eines Dritten, der sich der Gefahr der Selbstbelastung ausgesetzt sieht, zumeist fragwürdig sein dürfte.

 

Rz. 2

§ 103 AO gilt für das gesamte Verwaltungsverfahren in Steuersachen[7] einschließlich des Einspruchsverfahrens.[8] Im finanzgerichtlichen Verfahren findet § 103 AO gem. § 84 Abs. 1 FGO sinngemäß Anwendung. Im Steuerstraf- und im Ordnungswidrigkeitenrecht gelten gem. §§ 385, 410 Abs. 1 AO für das Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht die Regelungen in §§ 52 bis 56 StPO.

 

Rz. 3

Liegen für die Auskunftsperson die Voraussetzungen des Auskunftsverweigerungsrechts nach § 101 AO vor, so hat dieses als das inhaltlich weitergehende Recht (s. Rz. 14) Vorrang vor dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 103 AO. Verzichtet die Auskunftsperson auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach § 101 AO, so kann sie sich im Einzelfall gleichwohl hinsichtlich der Beantwortung einzelner Fragen auf § 103 AO berufen.[9]

 

Rz. 4

Aus dem Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 103 AO folgt nach § 104 AO das Recht, die Erstattung von Gutachten oder die Vorlage von Urkunden zu verweigern.

[1] G. zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften, BGBl I 2017, 2541.
[2] D. h. Personen, die weder selbst Beteiligte sind noch für einen Beteiligten Auskunft zu erteilen haben und zu einer Auskunftserteilung in einer "fremden Steuersache" aufgefordert worden sind, s. Rz. 5.
[5] Schindler, in Gosch, AO/FGO, § 103 AO Rz. 2.
[6] Schindler, in Gosch, AO/FGO, § 103 AO Rz. 3; Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 103 AO Rz. 4; a. A. Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 103 AO Rz. 1.
[9] Schindler, in Gosch, AO/FGO, § 103 AO Rz. 10; s. aber Rz. 5.

2 Voraussetzungen (§ 103 S. 1 AO)

2.1 Verweigerungsberechtigte Personen

 

Rz. 5

§ 103 S. 1 AO beschreibt den Personenkreis, der zur Auskunftsverweigerung berechtigt ist, negativ. Die Personen dürfen nicht Beteiligte und nicht für einen Beteiligten auskunftspflichtig sein. Es muss sich also um "andere Personen" i. S. v. § 93 Abs. 1 AO[1] handeln.

Die Beteiligtenstellung[2] ergibt sich aus dem Verwaltungsverfahren, in dem die Beweiserhebung durch Auskunftseinholung erfolgt. Beteiligter ist derjenige, in dessen Abgabenangelegenheit eine Regelung getroffen werden soll. Die Pflicht, im Verwaltungsverfahren für einen Beteiligten handeln zu müssen, ergibt sich aus der fehlenden Handlungsfähigkeit des Beteiligten.[3]

 

Rz. 6

Aus der negativen Formulierung des § 103 S. 1 AO wird zumeist gefolgert, dass Beteiligte oder Personen, die für Beteiligte handlungspflichtig sind, nicht berechtigt seien, die Auskunft zu verweigern. Dies ist nur insoweit zutreffend, als § 103 S. 1 AO keine ausdrückliche Rechtsgrundlage für ein solches Verweigerungsrecht schafft, nicht aber insoweit, als durch § 103 S. 1 AO ein sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergebendes Verweigerungsrecht ausgeschlossen würde.[4]

2.2 Gefahr der Verfolgung

2.2.1 Gefährdeter Personenkreis

 

Rz. 7

Voraussetzung des Verweigerungsrechts ist, dass aus der Auskunftserteilung die Verfolgungsgefahr für den Auskunftspflichtigen oder einen seiner Angehörigen besteht. Angehörige i. d. S. sind die in § 15 AO aufgeführten Personen.

2.2.2 Gefahr

 

Rz. 8

Die Gefahr der Verfolgung muss sich aus der Auskunftserteilung ergeben. Diese Kausalität liegt nicht vor, wenn die die Verfolgungsgefahr begründenden Umstände ohnehin bekannt und nicht bestritten sind.[1]

Die Gefahr der Verfolgung besteht in der Möglichkeit der Einleitung oder Durchführung eines Verfahrens mit Zielrichtung der Ahndung. Voraussetzung eines solchen Verfahrens ist, dass ein entsprechender Tatverdacht entstehen oder verfestigt werden kann, d. h., dass tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat ...

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