Entscheidungsstichwort (Thema)

Dreiwochenklagefrist für jede einzelne Befristungsabrede gültig. Bindung des Gerichts an Vortrag zu Unwirksamkeitsgründen der Befristung des Arbeitsverhältnisses. Keine Umgehung der Höchstüberlassungsdauer eines Leiharbeitnehmers bei sich anschließender sachgrundloser Befristung. Rechtsmissbräuchliche Befristung bei strategischen, systematischen Befristungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Greift eine klagende Partei mit einer Befristungskontrollklage mehrere Befristungsabreden an, muss die dreiwöchige Klagefrist im Hinblick auf jede der Befristungsabreden gewahrt sein.

2. Bringt eine klagende Partei zweifelsfrei zum Ausdruck, dass sie die Unwirksamkeit einer Befristung nur auf bestimmte Unwirksamkeitsgründe stützen will, ist dies nach § 17 Satz 2 TzbfG in Verbindung mit § 6 KSchG zu respektieren und der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen.

3. Ein Entleihunternehmen, das mit einem oder einer Leiharbeitnehmer:in einen sachgrundlos befristeteten Arbeitsvertrag abschließt und den oder die Arbeitnehmer:in auf demselben Arbeitsplatz weiterbeschäftigt, auf dem er oder sie bereits zuvor 18 Monate als Leiharbeitnehmer:in tätig war, umgeht allein dadurch nicht die Regelungen zur Höchstüberlassungsdauer nach § 1 Absatz 1b in Verbindung mit § 9 Absatz 1 Nr. 1b und § 10 Absatz 1 AÜG.

4. Als rechtsmissbräuchlich ist ein solches Verhalten jedoch dann anzusehen, wenn es systematisch und strategisch zu einem der Höchstüberlassungsdauer widersprechenden Zweck erfolgt.

 

Normenkette

AÜG § 1 Abs. 1b, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1; TzBfG § 14 Abs. 2, § 17 S. 1; KSchG § 6; BGB § 188 Abs. 2, § 242; ZPO § 97 Abs. 1, § 222 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 18.08.2020; Aktenzeichen 8 Ca 681/20)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. August 2020 - 8 Ca 681/20 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin war ursprünglich auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 22. September 2015 bei der Firma A GmbH als Leiharbeitnehmerin beschäftigt und als solche seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten als Serviceassistentin eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis mit der Verleiherin war zunächst bis zum 30. September 2016 befristet, wurde dann bis zum 31. Dezember 2016 verlängert und schließlich als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortgesetzt.

Mit Arbeitsvertrag vom 16. November 2017 wurde die Klägerin von der Beklagten bei unveränderter Tätigkeit mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 als "Fachkraft Counter/Kasse" befristet bis zum 30. Dezember 2018 eingestellt. Mit Vereinbarung vom 2. Oktober 2018 wurde der befristete Arbeitsvertrag bis zum 30. Dezember 2019 verlängert. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Dezember 2019 hinaus wurde der Klägerin nicht angeboten.

Mit der am 18. Januar 2020 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, der Beklagten am 27. Januar 2020 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten gewandt, ihre vorläufige Weiterbeschäftigung begehrt und hilfsweise einen Wiedereinstellungsanspruch geltend gemacht.

Die Klägerin hat vorgetragen, entgegen ursprünglicher Zusagen sei ihr mit Auslaufen der Befristung am 30. Dezember 2019 kein unbefristetes Arbeitsverhältnis ermöglicht worden.

Weiter hat sie die Auffassung vertreten, die Befristung sei rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagte durch die sachgrundlose Befristung die Rechtsfolge einer unbefristeten Übernahme des § 1 Absatz 1b in Verbindung mit § 10 Absatz 1 AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) umgangen habe. Mit der Einführung der 18-Monate-Frist in § 1 Absatz 1b AÜG und dem automatischen Übergang des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf dieser Frist auf das Entleihunternehmen nach § 10 Absatz 1 AÜG habe der Gesetzgeber dem Missbrauch begegnen wollen, dass bei einem dauerhaften Beschäftigungsbedarf die Stammbelegschaft durch Leiharbeit ersetzt werde. Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem Verleihunternehmen sei auch mit dem Entleihunternehmen unbefristet fortzusetzten. Die Übergangsvorschrift des § 19 Absatz 2 AÜG habe diese Rechtsfolge nur für den Fall hinausschieben wollen, dass der oder die Arbeitnehmer:in bis zum 30. September 2018 als Leiharbeitnehmer:in eingesetzt werde. Werde die Übernahme hingegen - wie vorliegend - vorgezogen, bestehe kein Bedürfnis, die Rechtsfolge des unbefristeten Übergangs bis zum 30. September 2018 hinauszuzögern. Werde der oder die bereits vor dem 1. Oktober 2018 übernommene Leiharbeitnehmer:in nach der Übernahme auf dem bisherigen Arbeitsplatz beschäftigt und sei er oder sie auf diesem Arbeitsplatz mindestens 18 Monate als Leiharbeitnehmer:in eingesetzt gewesen, dann trete die gesetzgeberisch gewollte Rechtsfolge schon mit der Übernahme ein.

Die Umgehung ergebe sich vorliegend daraus, dass die Übernahme durch die Beklagt...

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