Entscheidungsstichwort (Thema)

Umgehung des "Zuvorbeschäftigungsverbots" des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG durch rechtsmissbräuchliche Rechtsgestaltung. Rechtsmissbräuchliche Umgehung des § 1 Abs. 1b AÜG durch Überschreitung der Höchstbeschäftigungsdauer bei Leiharbeitnehmern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen kann vorliegen, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich miteinander verbundene Arbeitgeber bewusst und gewollt bei aufeinanderfolgenden Arbeitsverträgen das "Zuvorbeschäftigungsverbot" des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG umgehen wollen.

2. Nimmt der Arbeitgeber eine rechtliche Gestaltungsmöglichkeit im Rahmen der geltenden Gesetze bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern für eine Dauer von zwei Jahren und einem Monat vor, kann noch keine rechtsmissbräuchliche Umgehung des § 1 Abs. 1b AÜG festgestellt werden.

 

Leitsatz (amtlich)

Der Entleiher ist grundsätzlich nicht gehindert, einen zuvor bei ihm eingesetzten Leiharbeitnehmer auf Basis eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags einzustellen. Das Leiharbeitsverhältnis ist grundsätzlich nicht auf die Befristungshöchstdauer anzurechnen (in Anschluss an LAG Köln vom 06.09.2019 - 9 TaBV 23/19). (Rn. 24 - 25)

 

Normenkette

AÜG § 1 Abs. 1b S. 1; TzBfG § 14 Abs. 2; RL 2008/104/EG v. 19.11.2008 Art. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Weiden (Entscheidung vom 09.09.2020; Aktenzeichen 3 Ca 53/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden - Kammer Schwandorf - vom 09.09.2020, AZ.: 3 Ca 53/20 - wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristungsvereinbarung sowie einen Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin.

Die Klägerin arbeitete bei der Beklagten über eine Zeitarbeitsfirma von Dezember 2017 bis 01.06.2018. Am 01.06.2018 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, dies zunächst befristet bis 31.05.2019 (vgl. Bl. 7 ff. d.A.). Unter dem 17.04.2019 vereinbarten sie eine Verlängerung der Befristung bis 31.12.2019 (vgl. Bl. 6 d.A.). Das derzeitige Bruttomonatsgehalt beträgt ca. 2.493,39 €.

Gegen die Wirksamkeit der Befristung wehrt sich die Klägerin mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht am 20.01.2020 eingegangenen und der Beklagten am 28.01.2020 zugestellten Klage.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vertreten, ihr gegenüber sei mitgeteilt worden, dass sie fest übernommen werde.

Nachdem sie im Sommer 2019 unverschuldet erkrankt sei, sei in der Firma aber kommuniziert worden, dass sie deshalb nicht übernommen werde. Die Beklagte habe versucht, der Pflicht zur Entgeltfortzahlung zu entgehen, indem sie die Klägerin am 28.08.2019 infolge der Erkrankung gekündigt habe. Diese Kündigung sei aber durch Anerkenntnisurteil der beklagten Partei für gegenstandslos erklärt worden. Es verstoße gegen § 242 BGB, wenn die Beklagte ihre Entscheidung, ein Arbeitsverhältnis zu entfristen, von einer durch die Klägerin nicht zu beeinflussenden Erkrankung abhängig mache.

Außerdem umgehe die Beklagte durch die Befristungen im Anschluss an ein Leiharbeitsverhältnis die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten gem. § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG. Die anderslautende BAG-Entscheidung vom 09.02.2011 (7 AZR 32/10) sei noch zum alten AÜG ergangen.

Es liege arbeitsplatzbezogen ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten vor. Die Beklagte besetze Dauerarbeitsplätze, auf denen die Klägerin gearbeitet habe, im rollierenden System mit Zeitarbeitnehmern. Die Klägerin habe als Leiharbeitnehmerin zuerst im Modul 3 gearbeitet und dort Ölablassschrauben in Ölwannen montiert, sowie die Endkontrolle von Schäfflerteilen durchgeführt. Dann sei sie als befristete Arbeitnehmerin in die Abteilung Reklamation gewechselt, wo sie zurückgesandte Teile aussortiert habe. Dann habe sie im Modul 10 gearbeitet bei der zweiten betriebsinternen Qualitätskontrolle, danach noch im Modul 4. Diese Arbeitsplätze seien alle Dauerarbeitsplätze in der Produktion bzw. Qualitätssicherung.

Die Leiharbeitsrichtlinie 2008/104, die das Verbot der dauerhaften Überlassung regle, verbiete die dauerhafte Überlassung nicht nur leiharbeitnehmerbezogen, sondern auch arbeitsplatzbezogen. § 1 Abs. 1 b AÜG müsse richtlinienkonform so ausgelegt werden, dass die Überlassung von Arbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen nicht zulässig sei, weil nur eine vorübergehende Überlassung in Bezug auf den Arbeitsplatz zulässig sei. Nach der Leiharbeitnehmer-RL dürften Leiharbeitnehmer nicht auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt werden. Die Klägerin habe aber auf Dauerarbeitsplätzen gearbeitet, was bereits zu Beginn des Leiharbeitsverhältnisses gem. § 10 I 1 AÜG zu einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten geführt habe. Eine sachgrundlose Befristung sei nachfolgend zu diesem Arbeitsverhältnis aber unwirksam gem. § 14 II 2 TzBfG.

Außerdem sei die Befristung auch ungeachtet des Leiharbeitsverhältnisses unwirksam. Nach dem EuGH müssten die nationalen Gerichte den rechtsmissbräuchlichen ...

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