Rz. 592

[Autor/Stand] Die StA (und nur sie, s. Rz. 61, 71) erhebt die öffentliche Klage, wenn die Ermittlungen dazu genügenden Anlass bieten (§ 170 Abs. 1 StPO). Da die Eröffnung des richterlichen Hauptverfahrens davon abhängig ist, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht, hat sie den ermittelten Sachverhalt in dieser Hinsicht zu würdigen (§ 203 StPO). Die gesetzliche Formulierung lässt dabei einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum zu[2]. Ein solcher Tatverdacht ist anzunehmen, wenn nach dem gesamten Akteninhalt die Verurteilung des Beschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist[3].

Erwägt die StA die Anklageerhebung, muss sie gem. § 169a StPO den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerken.

 

Rz. 593

[Autor/Stand] Wie sich aus § 170 Abs. 1 StPO ergibt, erfolgt die Erhebung der öffentlichen Klage durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts s. Tabelle Rz. 768 und die dazugehörigen Erläuterungen.

Der notwendige Inhalt der Anklageschrift ergibt sich aus § 200 StPO. Sie muss enthalten: den Namen des Angeschuldigten, die ihm zur Last gelegte Tat, das anzuwendende Strafgesetz, die Beweismittel, das zuständige Gericht, den Namen des Verteidigers sowie grds. das wesentliche Ermittlungsergebnis.

Im Steuerstrafverfahren sind neben Angaben zu der von der Steuerhinterziehung betroffenen Steuerart und Höhe der Steuerverkürzung auch detaillierte Ausführungen zu dem den Steueranspruch begründenden tatsächlichen Sachverhalt, zum Täterverhalten und zur Verletzung steuerlicher Erklärungs- und Mitwirkungspflichten, bezogen auf die jeweiligen Steuerabschnitte sowie ein Vergleich der gesetzlich geschuldeten Steuer mit derjenigen, die aufgrund des steuerunehrlichen Verhaltens nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig angemeldet oder festgesetzt wurde, erforderlich (s. auch Rz. 623)[5].

Die – teilweise – Unwirksamkeit der Anklage und – daran anknüpfend – des Eröffnungsbeschlusses (§ 203 StPO, s. Rz. 628 ff.) führt als von Amts wegen zu beachtendes Verfahrens- bzw. Prozesshindernis insoweit zur Einstellung des Strafverfahrens (§§ 206a, 260 Abs. 3 StPO). S. dazu Rz. 623 und 628 ff.

 

Rz. 594

[Autor/Stand] Bei einer Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung im Rahmen einer abgesprochenen Lieferkette eines Umsatzsteuerkarussells setzt eine wirksame Anklage nach der insofern (einzig) zu wahrenden Umgrenzungsfunktion Angaben zum Tatzeitraum, zu den generellen Tatmodalitäten, zu der Art und dem Umfang der Tatbeteiligung sowie zum Umfang der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuern voraus[7].

 

Rz. 595

[Autor/Stand] Anders hat der BGH in einem Fall entschieden, in dem die dem Angeklagten zur Last gelegte Höhe der Steuerverkürzung zwar benannt war, allerdings auf Grundlage einer Schätzung, selbst wenn eine genauere Berechnung der Verkürzung möglich gewesen wäre. Ausführungen zur Schadensberechnung könnten keinen Beitrag zur Individualisierung der Tat leisten, im Anklagesatz aber mitunter dem Ziel zuwiderlaufen, den Tatvorwurf klar, übersichtlich und verständlich darzustellen. Aufgrund der verschiedenen Anforderungen könnten die für Urteile bei Steuerschadensschätzungen geltenden Maßstäbe nicht auf Anklageschriften übertragen werden[9].

 

Rz. 596

[Autor/Stand] Für den Straftatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) gilt insoweit nach der BGH-Rspr. nichts Abweichendes[11].

Zwar sei es mit Blick auf die Informationsfunktion der Anklageschrift regelmäßig angezeigt, im wesentlichen Ermittlungsergebnis (§ 200 Abs. 2 Satz 1 StPO) die für eine nachvollziehbare Darstellung der Berechnung der Abgabenverkürzung und der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge erforderlichen Tatsachenfeststellungen sowie (Steuer-)Berechnungen oder Schätzungen anzuführen. Auch erscheine es zweckmäßig, die Ausführungen bereits an den für das Gericht geltenden Maßstäben auszurichten. Fehlten derartige Angaben oder erwiesen sie sich als ungenügend, könne dies für sich allein indes die Wirksamkeit der Anklage nicht in Frage stellen, da Mängel der Informationsfunktion ihre Wirksamkeit nicht berührten.

 

Rz. 597– 599

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2020
[2] BVerfG v. 28.3.2002 – 2 BvR 2104/01, NStZ 2002, 606; BGH v. 18.5.2000 – III ZR 180/99, MDR 2000, 952 = VersR 2001, 586 = ZIP 2000, 1159 = StV 2001, 579 m. Anm. Thode; BGH v. 18.6.1970 – III ZR 95/68, NJW 1970, 1543.
[3] KG v. 30.7.1999 – 2 AR 92/95, 4 Ws 132/97; OLG Rostock v. 29.3.1996 – 1 Ws 242/95, NStZ-RR 1996, 272; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt63, § 170 StPO Rz. 1.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2020
[5] OLG Düsseldorf v. 23.12.1981 – 3 Ws 601/81, 3 Ws 602/81, 3 Ws 603/81, 3 Ws 604/81, 3 Ws 605/81, wistra 1982, 159 = NStZ 1982, 336.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2020
[7] BGH v. 28.6.2017 – 1 StR 677/16, m. Anm. Zeller, jurisPR-StrafR 11/2018 Anm. 5; zu weiteren Einzelheiten zur notwendigen Umgrenzung des Ve...

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