Rz. 619

[Autor/Stand] Das Zwischenverfahren wird eingeleitet, indem die StA die öffentliche Klage durch Einreichung der Anklageschrift unter Vorlage der Akten (vgl. zu deren Inhalt § 200 StPO) bei dem zuständigen Gericht erhebt (§ 170 Abs. 1, § 199 Abs. 2 StPO).

 

Rz. 620

[Autor/Stand] Das Gericht muss selbst seine Zuständigkeit überprüfen. Das kann zu einer Eröffnung des Hauptverfahrens vor einem Gericht niedrigerer Ordnung (§ 209 Abs. 1 StPO) bzw. zur Vorlage der Sache an ein Gericht höherer Ordnung führen (§ 209 Abs. 2 StPO). Zur Zuständigkeitsänderung vor der Hauptverhandlung vgl. § 225a StPO.

 

Rz. 621

[Autor/Stand] Die (Wirtschafts-)Strafkammer beschließt zudem über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung (zwei oder drei Berufsrichter, vgl. § 76 Abs. 2 Satz 3 GVG). In Wirtschafts- und Steuerstrafsachen wird in aller Regel die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters notwendig sein.

 

Rz. 622

[Autor/Stand] Nach Anklageeinreichung teilt der Vorsitzende dem Angeschuldigten die Anklageschrift mit, fordert ihn auf, "innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen wolle" (§ 201 Abs. 1 StPO). Dadurch erhält der Angeschuldigte bzw. seine Verteidigung die Möglichkeit, gegen das ihm ungerechtfertigt erscheinende Ermittlungsergebnis Einwände geltend zu machen. Es kann sich dabei um Einwände materieller Art (z.B. Fehlen des hinreichenden Tatverdachts) oder formeller Art (z.B. Bestehen eines Verfahrenshindernisses, Mängel der Anklageschrift) handeln.

 

Rz. 623

[Autor/Stand] Mängel der Anklage liegen insb. bei Verstößen gegen die Umgrenzungsfunktion[6] vor (s. Rz. 593 ff.), etwa weil die zur Last gelegte Tat nicht hinreichend konkret bestimmt ist. In diesen Fällen gibt der Vorsitzende die Akten zur Behebung der Mängel an die StA zurück (vgl. § 202 Satz 1 StPO). Sollte die StA – was wohl selten vorkommen wird – weiter auf der Anklage beharren, muss das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens mangels wirksamer Anklageschrift (die ein Verfahrenshindernis darstellt) aus Rechtsgründen ablehnen[7]. Das Gericht ist in diesen Fällen nicht zur Anordnung von Nachermittlungen verpflichtet.

 

Rz. 623.1

[Autor/Stand] Die Unwirksamkeit der Anklageschrift führt zur Verfahrenseinstellung[9]. Eine unwirksame Anklageschrift stellt keine taugliche Verfahrensgrundlage für das Hauptverfahren dar. Mängel bei der Umgrenzungsfunktion der Anklage können weder durch klarstellende Ausführungen zur Konkretisierung des Anklagevorwurfs noch durch einen gerichtlichen Hinweis zu Beginn der Hauptverhandlung geheilt werden. Eine Heilung ist insoweit ausgeschlossen; frühere Rspr. zur möglichen Heilung diesbezüglicher Anklagemängel ist mit der Aufgabe der Rechtsfigur der "fortgesetzten Handlung" obsolet geworden[10].

 

Rz. 624

[Autor/Stand] Insoweit kann es taktisch zweckmäßig sein, die entlastenden Tatsachen erst in der Hauptverhandlung vorzutragen. Der Sitzungsstaatsanwalt wird die überraschend vorgebrachten Anklagemängel meist schlechter ausräumen können als der Sachbearbeiter der StA, der in der sog. "Schutzschrift" das Verteidigungsvorbringen frühzeitig präsentiert bekommt[12]. Auch können (nicht funktionelle) Anklagemängel nach der Rspr. durch das Gericht im Eröffnungsverfahren beseitigt werden[13].

 

Rz. 625

[Autor/Stand] Im Steuerstrafverfahren kann die Einreichung einer Schutzschrift hingegen durchaus ratsam erscheinen, wenn sie die steuerrechtliche Beurteilung des Sachverhalts aus der Sicht der Verteidigung dem Gericht gegenüber darlegt.

 

Rz. 626

[Autor/Stand] Über die Anträge und Einwendungen des Angeschuldigten entscheidet das Gericht durch Beschluss (§ 201 Abs. 2 Satz 1 StPO), dessen Anfechtbarkeit beschränkt ist (§ 201 Abs. 2 StPO). Über Beweisanträge wird nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden, die strengen Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3, 4 StPO gelten nicht (str.)[16]. Sie geben aber Anhaltspunkte für die Entscheidung[17].

Das Gericht kann – evtl. auch von Amts wegen – zur besseren Aufklärung der Sache ergänzende Ermittlungen anordnen (§ 202 StPO). Es handelt sich hier um Zwischenentscheidungen, die die Entschließung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nur vorbereiten.

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2020
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2020
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2020
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2020
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2020
[6] Vgl. BGH v. 19.3.2013 – 1 StR 318/12, ZWH 2014, 58 (68) Rz. 33: Danach ist der Umgrenzungsfunktion Genüge getan, wenn in der Anklage die Daten der unrichtigen Steuererklärungen, die Steuerarten und die Veranlagungszeiträume enthalten sind.
[7] Vgl. LG Köln v. 28.11.2007 – 111 Qs 355/06, StV 2007, 572 m. Anm. Rieß; Tolksdorf in KK8, § 203 StPO Rz. 3; ferner Strauß, NStZ 2006, 556 m.w.N.; a.A. Schmitt in Meyer-Goßner/Sch...

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