Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer Klage gegen eine vom Steuerpflichtigen nicht beantragte, aber dennoch gewährte Aufhebung der Vollziehung wegen möglicher Aussetzungszinsen und Ermessensnichtgebrauch der Finanzbehörde

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Durch eine von Amts wegen gewährte Aufhebung der Vollziehung einer Steuerfestsetzung ist der Stpfl. beschwert, da ihm im Falle des Unterliegens in der Hauptsache zwangsläufig ein rechtlicher Nachteil in Gestalt der Festsetzung von Aussetzungszinsen entsteht.
  2. Bei einem erledigten Bescheid über die Aufhebung der Vollziehung hat der Steuerpflichtige ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsakts, da er auf Grund der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts über die Aufhebung der Vollziehung nur auf diesem Wege die später mögliche Festsetzung von Aussetzungszinsen verhindern kann.
  3. Bei der Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.
  4. Geht die Finanzbehörde dabei zu Unrecht von einer gebundenen Entscheidung aus, scheidet eine „Ergänzung” nach § 102 Satz 2 FGO aus.
 

Normenkette

AO §§ 5, 237, 350, 361 Abs. 2; FGO § 40 Abs. 2, § 44 Abs. 1, § 100 Abs. 1 S. 4, § 102 S. 2

 

Streitjahr(e)

1996

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.09.2007; Aktenzeichen I R 43/06)

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen „im Bereich der Telekommunikation” in Deutschland.

Im Anschluss an eine Außenprüfung für den Zeitraum 1996 bis 1998 hat der Beklagte u. a. einen Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer 1996, über Zinsen zur Körperschaftsteuer 1996 und zum Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 1996 vom 31.03.2005 erlassen. Mit diesem Änderungsbescheid ist der Beklagte den Vorschlägen der Betriebsprüfer im Betriebsprüfungsbericht vom 16.12.2004 gefolgt. Den von der Klägerin erhobenen Einspruch hat der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 25.06.2005 zurückgewiesen. Mit ihrer Klage vom 29.07.2005 (6 K 3224/05) wendet sich die Klägerin wie im Einspruchsverfahren u.a. gegen die vom Beklagten vorgenommene Auflösung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens. Dieser war vom Beklagten für sog. „A-” Subventionen gebildet worden. „...”. Über die Klage ist noch nicht entschieden.

Während des noch laufenden Einspruchsverfahrens hob der Beklagte die Vollziehung des Bescheides zur Körperschaftsteuer 1996, über Zinsen zur Körperschaftsteuer 1996 und über den Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 1996 mit Verfügung vom 31.05.2005 bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch auf (wegen des genauen Inhalts wird auf das Schreiben des Beklagten vom 31.05.2005 Bezug genommen). Mit Schreiben vom 09.06.2005 legte die Klägerin gegen die Verfügung über die Aufhebung der Vollziehung Rechtsmittel ein. Der Beklagte wertete das Schreiben als Einspruch und verwarf diesen durch Einspruchsentscheidung vom 08.12.2005 als unzulässig, da die Aufhebung der Vollziehung einen begünstigenden Verwaltungsakt darstelle und die Klägerin folglich nicht i. S. d. § 350 Abgabenordnung -AO- beschwert sei.

Mit ihrer Klage vom 10.01.2006 macht die Klägerin geltend, der Einspruch gegen die Verfügung über die Aufhebung der Vollziehung vom 31.05.2005 sei entgegen der Auffassung des Beklagten zulässig gewesen. Zwar stelle die Aufhebung der Vollziehung grundsätzlich einen begünstigenden Verwaltungsakt dar, der keine Rechtsverletzung auf Seiten des Begünstigten auslösen könne, jedoch sei zu berücksichtigen, dass eine Verletzung von Rechten auch dann vorliege, wenn ein Vorteil in späteren Jahren zu einem Nachteil umschlagen könne. Dieses sei vorliegend der Fall, da die Klägerin bei einem Unterliegen in der Hauptsache verpflichtet sei, Aussetzungszinsen nach § 238 AO zu zahlen. Da insoweit auch kein Ermessensspielraum auf Seiten des Beklagten bestehe, habe die Klägerin nur die Möglichkeit, die Verfügung über die Aufhebung der Vollziehung selbst anzufechten. Hinzu komme, dass die Klägerin auf Grund des derzeitigen allgemeinen Kapitalmarktzinsniveaus bei einer Zinspflicht mit 6 % wirtschaftliche Nachteile erleide, die noch dadurch gesteigert würden, dass die von ihr zu zahlenden Aussetzungszinsen nicht abzugsfähig sind.

Die Klage sei auch begründet, da Voraussetzung für die Aufhebung der Vollziehung von Amts wegen sei, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Steuerbescheide bestünden. Der Beklagte sei jedoch, wie die Klage in der Hauptsache zeige, der Auffassung, die von ihm erlassenen Bescheide seien rechtmäßig.

Hinzu komme, dass es sich bei der Aufhebung der Vollziehung von Amts wegen um eine Ermessensentscheidung i. S. d. § 5 AO handele. Der Beklagte habe aber bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass nach Sinn und Zweck des § 361 AO der Schutz des Steuerpflichtigen beabsichtigt sei, die Klägerin aber diesen Schutz nicht beanspruchen wolle. Auch wolle der Beklagte im Gegensatz zur gesetzgeberischen Wertung ihr den finanziellen Nachteil der Zinspflicht gemäß § 237 AO aufbürden. Darüber hinaus ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge