Entscheidungsstichwort (Thema)

Vom FA aufgezwungene Vollziehungsaussetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine Aussetzung der Vollziehung gegen den Willen des Steuerpflichtigen ist regelmäßig ermessens- und damit rechtswidrig.

2) Die Rechtswidrigkeit der Aussetzungsverfügung kann auch mit der Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Aussetzungsverfügung geltend gemacht werden, wenn hinreichend sicher ist, dass sich die Frage des Zinsverzichtes im Sinne des § 237 Abs. 4 AO i.V.m. § 234 Abs. 2 AO stellen wird.

 

Normenkette

AO §§ 5, 237, 234; FGO § 69 Abs. 2; GG Art. 3; AO § 361 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.05.2012; Aktenzeichen I R 91/10)

BFH (Urteil vom 09.05.2012; Aktenzeichen I R 91/10)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung/Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides ohne Antrag bzw. später gegen den ausdrücklichen Wunsch der Klägerin.

Die Klägerin war im Streitjahr ein unter dem Namen H GmbH agierendes Unternehmen im …bereich. Der Name der Klägerin wurde später in G GmbH und im November 2009 in den heutigen Namen der Klägerin geändert.

Die Klägerin wurde zunächst auf der Basis der Körperschaftsteuererklärung unter dem 26. März 2002 für das Streitjahr 2000 im Wesentlichen erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt.

Von 2002 bis 2004 fand bei ihr eine Außenprüfung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E – im Folgenden: Bp – statt, die zunächst mit dem Prüfungsbericht vom 29. Oktober 2004 sowie einem Teilbericht des Bundesamtes für Finanzen vom 14. Oktober 2004 endete. Auf der Basis dieser Prüfungsberichte erließ der Beklagte unter dem 14. Dezember 2004 einen geänderten Bescheid über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG – 2000, mit dem die Körperschaftsteuer auf … Mio. EUR, die Zinsen gem. § 233a der AbgabenordnungAO – auf … Mio EUR und der Solidaritätszuschlag auf … Mio. EUR festgesetzt wurden. Insgesamt ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von … Mio. EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 14. Dezember 2004 genommen.

Dagegen wendete sich die Klägerin mit fristgerecht erhobenem Einspruch. Mit ihm wandte sie sich gegen verschiedene Prüfungsfeststellungen bezüglich der Abschreibung von Lizenzen, Aktivierungsfragen, Fragen der Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten – RAP – sowie außensteuerlicher und europarechtlicher Fragestellungen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben und die Einspruchsbegründung vom 8. April 2005 verwiesen. Die festgesetzten Steuern und Nebenleistungen wurden fristgerecht an den Beklagten gezahlt.

Bereits im August 2005 bekundete die Bp gegenüber dem Beklagten, dass dem Einspruch der Klägerin bezüglich der RAP im Umfang von ca. … Mio. DM im Streitjahr (Bemessungsgrundlage) stattgegeben werden könne (dies setzte allerdings eine erhebliche Verböserung in 1999 voraus).

Ohne Antrag der Klägerin verfügte der Beklagte – nach entsprechender Weisung des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 26. September 2005 – unter dem 24. Oktober 2005 die Aufhebung der Vollziehung auf den Tag der Fälligkeit (17. Januar 2005) hinsichtlich der gesamten Nachforderungsbeträge von … Mio. EUR (Blatt 28 d. A.). Die Verfügung enthielt keine Begründung und keine Rechtsbehelfsbelehrung. Vordruckmäßig wurde auf die eventuelle Verzinsung nach § 237 AO hingewiesen.

Der Weisung des Ministeriums lagen mehrere Berichte und Vermerke der Oberfinanzdirektion B zu Grunde, mit denen unter Berücksichtigung korrespondierender Besteuerung bei der Klägerin und ihrer Muttergesellschaft Berechnungsmodelle für die denkbaren unterschiedlichen Abschlüsse der Rechtsbehelfsverfahren erstellt worden waren. Anhaltspunkte für eine allein auf die Klägerin orientierte Ermessensausübung bezüglich der Aufhebung der Vollziehung des hier streitbefangenen Körperschaftsteuerbescheides sind diesen Unterlagen nicht zu entnehmen.

Aufgrund der Aufhebungsverfügung wurden die zuvor von der Klägerin gezahlten Steuern und steuerliche Nebenleistungen am 28. Oktober 2005 durch den Beklagten erstattet.

In der Folgezeit fanden Erörterungen zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits sowie der Betriebsprüfung und der Oberfinanzdirektion statt. Diese führten dazu, dass unter dem 24. November 2005 eine Aussetzungsverfügung über die streitigen Beträge von … Mio. EUR Körperschaftsteuer, … Mio. EUR Zinsen zur Körperschaftsteuer und … Mio. EUR Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer (in der Summe … Mio. EUR) erging. Die Aussetzung der Vollziehung – AdV – erfolgte ab dem 28. Oktober 2005.

Die Begründung der Aussetzungsverfügung beginnt mit dem Hinweis, dass die Aufhebung der Vollziehung gem. § 361 Abs. 2 Satz 1 AO keinen Antrag voraussetze. Sie könne vielmehr auch von Amts wegen erfolgen. Weitere Voraussetzungen seien im Gesetz hierzu nicht genannt. Die sonst gültigen Voraussetzungen (ernstliche Zweifel, unbillige Härte …) beträfen nur die AdV auf Antrag (§ 361 Ab...

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