Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt und Höhe der Einkommensbesteuerung des von der Bank vorfinanzierten Insolvenzgelds

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Insolvenzgeld unterliegt in vollem Umfang und nicht nur in Höhe des von einer Bank vorfinanzierten Arbeitslohns im Veranlagungszeitraum der Bewilligung und Auszahlung durch die Arbeitsverwaltung dem Progressionsvorbehalt nach § 32 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG.

2. Dies gilt auch dann, wenn das Insolvenzgeld dem Ausgleich nicht realisierbarer Ansprüche auf Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des vor der Auszahlung des Insolvenzgeld liegenden Veranlagungszeitraums dient.

3. Leistungen der vorfinanzierenden Bank, an die der Arbeitnehmer den Insolvenzgeldanspruch gegen die Arbeitsverwaltung abgetreten hat, sind weder als Arbeitslohn noch als Insolvenzgeldzahlung, sondern als nicht steuerbare Valutierung eines Darlehens zu qualifizieren.

 

Normenkette

EStG 2007 § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 4 S. 3, § 3 Nr. 2, § 11 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 38a Abs. 1 S. 2; SGB III § 183 Abs. 1 S. 1, § 184 Abs. 1 Hs. 1, § 187 S. 1, § 188 Abs. 1-2, 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.03.2012; Aktenzeichen VI R 4/11)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, zu welchem Zeitpunkt Insolvenzgeld (§§ 183 ff. Sozialgesetzbuch Drittes BuchSGB III –) im Falle der Vorfinanzierung durch Dritte dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG, in der im Streitjahr 2007 geltenden Fassung – a. F. –; jetzt: § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) zu unterwerfen ist.

Der Kläger war im Jahre 2006 (dem Vorjahr des Streitjahres 2007) bei der B GmbH (Arbeitgeberin) als Schreiner beschäftigt und erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Herbst 2006 geriet die Arbeitgeberin in finanzielle Schwierigkeiten, so dass über ihr Vermögen ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden musste. Vom zuständigen Amtsgericht wurde als vorläufiger Insolvenzverwalter der Rechtsanwalt C aus X eingesetzt.

In der Folgezeit bemühte sich der vorläufige Insolvenzverwalter darum, die weitere Finanzierung der laufenden Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer sicherzustellen. Zu diesem Zweck schloss er am 16./22. November 2006 eine gemeinsame Vereinbarung mit der Arbeitgeberin und einem finanzierenden Geldinstitut, der Bank… in X, ab, derzufolge die Bank sich bereit erklärte, den Arbeitnehmern Beträge maximal in Höhe des Nettoauszahlungsbetrags der Löhne und Gehälter der Abrechnungsmonate Oktober und November 2006 zu zahlen. Die Zahlung sollte in der Weise erfolgen, dass die Bank die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt gegen die Arbeitgeberin für den genannten Zeitraum und in der genannten Höhe durch gesonderte Verträge mit den jeweiligen Arbeitnehmern zum Preis von 100% der Forderung aufkaufte. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter, diesen Betrag gegenüber der Bank mit einem Zinssatz von 10% zu verzinsen, die von der Bank erworbenen Lohn- und Gehaltsforderungen zu erfüllen, rechtzeitig Anträge auf Insolvenzgeld bei der Arbeitsverwaltung zu stellen und eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum 1. Januar 2007 sicherzustellen. Der Kaufpreis sollte ausbezahlt werden, sobald der Bank die „Einzelabtretungen” (gemeint wohl: die einzelnen Forderungsverkäufe) der betroffenen Arbeitnehmer über die zu bevorschussenden Lohn- und Gehaltsansprüche vorlagen. Weitere Verpflichtungen über die Bevorschussung der Netto-Arbeitsentgelte hinaus übernahm die Bank nicht; so sollte die Bank insbesondere nicht für Lohnfolgekosten wie etwa das Nettoarbeitsentgelt übersteigende Steuern und Sozialabgaben einstehen. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, eventuell gegenüber den bevorschussten Löhnen und Gehältern geringer ausfallende Insolvenzgeldzahlungen gegenüber der Bank auszugleichen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Wortlaut der Vereinbarung (Bl. 80 ff. der Gerichtsakten) verwiesen.

Aufgrund dieser Vereinbarung verkaufte der Kläger am 20. November 2006 die ihm zustehenden Ansprüche auf Arbeitsentgelt in Höhe der Nettoauszahlungsbeträge für die Monate Oktober und November 2006 an die Bank. Zugleich trat der Kläger seine Ansprüche auf Zahlung von Insolvenzgeld gegen die Arbeitsverwaltung an die Bank ab und bevollmächtigte die Bank, diese Ansprüche bei der Arbeitsverwaltung geltend zu machen. Die verkauften Beträge beliefen sich auf 1.561,14 EUR für Oktober 2006 und auf 1.350,96 EUR für November 2006. Sie wurden von der Bank abredegemäß auf einem durch den vorläufigen Insolvenzverwalter zuvor treuhänderisch für die Arbeitgeberin bei ihr eingerichteten Konto bereitgestellt und von dort am 7. Dezember 2006 und am 15. Dezember 2006 auf Veranlassung des vorläufigen Insolvenzverwalters unter Angabe des Verwendungszwecks „Insolv. Ausfallgeld Oktober” bzw. „Insolvenzausfallgeld Nov 06” an den Kläg...

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