Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung des Arbeitslosengeldes bei Wettbewerbsabrede

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur abhängigen Beschäftigung als GmbH-Geschäftsführer.

2. Die Erstattungspflicht wegen eines Wettbewerbsverbotes (§ 128a AFG) kann auch bei Kündigung des Arbeitnehmers eingreifen.

3. Die Organstellung des GmbH-Geschäftsführers macht die §§ 74 ff HGB, aber nicht § 128a AFG unanwendbar.

4. Die Erstattungspflicht nach § 128a AFG entfällt, wenn die BA trotz Kenntnis vom Wettbewerbsverbot den Arbeitgeber nicht darüber belehrt, daß er durch Verzicht auf das Verbot den Erstattungsanspruch vermeiden kann (BSG vom 28.6.1990 - 7 RAr 50/88, ständige Rechtsprechung).

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschrift des § 128a AFG verstößt in ihrer Anwendung auf Organmitglieder ohne Anspruch auf Karenzentschädigung nicht gegen die Art 3 und 14 GG.

2. Die Beratungspflicht des Leistungsträgers gilt gegenüber jedermann, auch gegenüber Arbeitgebern, soweit sie nach dem SGB gegenüber dem Leistungsträger berechtigt oder verpflichtet sind.

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 23.09.1988; Aktenzeichen L 6 Ar 27/88)

SG Trier (Entscheidung vom 22.02.1988; Aktenzeichen S 1 Ar 33/87)

 

Tatbestand

Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) nimmt die Klägerin nach § 128a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) auf Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg), das dem arbeitslosen Oswald W. (W.) gezahlt wurde, nebst Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung in Anspruch.

W. war bei der klagenden GmbH (für Tiefbau- und Kanalarbeiten) ab 24. März 1982 als Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung tätig nach Maßgabe des Geschäftsführervertrages vom 24. März 1982. Er war nach dessen § 7 verpflichtet, in den auf die Beendigung des Vertrages folgenden zwei Jahren für kein Konkurrenzunternehmen der Gesellschaft tätig zu werden. Das Wettbewerbsverbot sollte nicht gelten, wenn dieser Vertrag vom Geschäftsführer aus wichtigem Grund zulässigerweise fristlos gekündigt würde. Die Karenzentschädigung sollte 25 % des in den letzten zwei Jahren gezahlten festen, durchschnittlichen Monatsgehaltes betragen.

W. kündigte das Arbeitsverhältnis zum 23. März 1986. Die Klägerin verzichtete ihm gegenüber mit Schreiben vom 8. Dezember 1986 auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes.

Die Beklagte gewährte dem W. Alg für die Zeit vom 24. März 1986 bis zum 3. April 1987. Sie machte mit einem inzwischen bindend gewordenen Bescheid vom 24. Juni 1986 für den Zeitraum vom 24. März 1986 bis zum 23. Juni 1986 nach § 128a AFG einen Erstattungsanspruch von insgesamt 10.542,45 DM geltend, wovon 7.512,90 DM auf Alg, 1.587,07 DM auf Krankenversicherungsbeiträge und 1.442,48 DM auf Rentenversicherungsbeiträge entfielen.

Mit zwei weiteren Bescheiden forderte die Beklagte Erstattung von Alg nebst Beiträgen für die Zeit vom 24. Juni 1986 bis zum 18. November 1986 (Bescheide vom 21. Oktober und vom 26. November 1986; Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 1987).

Die Klage auf Aufhebung der Bescheide, soweit der Erstattungsbetrag die monatliche Karenzentschädigung von 1.500,-- DM übersteigt, blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 22. Februar 1988; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 23. September 1988).

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 128a AFG und der Art 3 und 14 des Grundgesetzes (GG).

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG vom 23. September 1988 und des SG vom 22. Februar 1988

sowie die Bescheide der Beklagten vom 21. Oktober 1986 und 26. November

1986 idF des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 1987 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Der Senat vermag aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen, ob die Klägerin über ihre Möglichkeit, durch Verzicht auf die Rechte aus der Wettbewerbsabrede den Erstattungsanspruch für die Zukunft abzuwehren, von der Beklagten belehrt wurde. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen hat das LSG aufgrund des festgestellten Sachverhalts entgegen der Auffassung der Revision zutreffend bejaht.

Angefochten sind die Erstattungsbescheide der Beklagten vom 21. Oktober 1986 und vom 26. November 1986 idF des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 1987. Soweit das LSG den Bescheid vom 25. März 1987 nicht einbezogen hat, ist dies nicht als Verletzung des § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gerügt. Die Bescheide vom 21. Oktober und 26. November 1986 sind nur angefochten, soweit der Erstattungsbetrag monatlich 1.500,-- DM übersteigt. Diese Einschränkung war im Widerspruch und im Klageantrag ausdrücklich enthalten. Das LSG hat auch den Berufungsantrag in diesem einschränkenden Sinn verstanden. Es hat sich in den Entscheidungsgründen mit der Feststellung begnügt, die angefochtenen Bescheide seien auch insoweit rechtmäßig, als die Beklagte die Erstattung von Beiträgen verlange, die über eine monatliche Summe von 1.500,-- DM hinausgehen. Das gilt für den Revisionsantrag entsprechend.

Auf die Revision der Klägerin ist der Erstattungsanspruch für die von den beiden Bescheiden betroffenen Zeiträume vom 24. Juni bis zum 18. November 1986 nach Grund und Höhe zu prüfen. Der bindend gewordene Bescheid über den Erstattungsanspruch für die vorangegangene Zeit vom 24. März 1986 bis zum 23. Juni 1986 enthält keine über diesen Zeitraum hinaus wirkende Feststellung, daß der Anspruch dem Grunde nach besteht.

§ 128a AFG ist nach der Übergangsvorschrift in Art 1 § 2 Nr 16 des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) auf nach dem 31. Dezember 1981 vereinbarte Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden, also auch auf die von der Klägerin mit W. im Vertrag vom 24. März 1982 getroffene Wettbewerbsabrede.

Ist der Arbeitslose durch eine Vereinbarung mit dem bisherigen Arbeitgeber in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkt, so hat der bisherige Arbeitgeber nach § 128a AFG der Bundesanstalt das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen für die Zeit gezahlt worden ist, in der diese Beschränkung besteht, vierteljährlich zu erstatten. Der Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, daß W. nicht Arbeitnehmer iS des Arbeitsrechts, sondern Organ der Klägerin war. Die im Gesetzeswortlaut des § 128a AFG verwendeten Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind nicht im arbeitsrechtlichen Sinne zu verstehen, sondern im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Zu ihrer Auslegung ist auf die Ausgestaltung der Begriffe Arbeitsentgelt, Beschäftigter, Beschäftigungsverhältnis und Arbeitgeber in den Vorschriften des Sozialgesetzbuches, Viertes Buch (SGB IV) zurückzugreifen, wie der Senat bereits in einem Urteil vom 13. März 1990 - 11 RAr 1/88 - (SozR 3 4100 § 128a Nr 1) entschieden hat.

W. war bei der Klägerin abhängig beschäftigt. Nach ständiger Rechtsprechung schließt die Organstellung eines GmbH-Geschäftsführers eine abhängige Beschäftigung nicht aus, sofern der Geschäftsführer nicht aufgrund seiner Beteiligung an der Gesellschaft auf diese beherrschenden Einfluß ausüben kann und auch nicht praktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führt (vgl hierzu Urteil des Senats vom 30. Januar 1990 - 11 RAr 47/88 - zur Veröffentlichung vorgesehen mwN).

Auf dieser Grundlage hat das LSG eine abhängige Beschäftigung des W. zutreffend angenommen. Das LSG hat zwar zur ausgeübten Tätigkeit, zu den Beteiligungsverhältnissen an der GmbH und zu den Rechten des Geschäftsführers nach dem Anstellungsvertrag keine ins einzelne gehenden Feststellungen getroffen. Nach dem Gesamtzusammenhang ist das LSG in tatsächlicher Hinsicht jedoch ersichtlich den vom SG beigezogenen Unterlagen des Handelsregisters und dem vorgelegten Geschäftsführervertrag gefolgt. Hiernach war W. an der Gesellschaft nicht beteiligt. § 1 Abs 6 des Geschäftsführervertrages verpflichtet den Geschäftsführer im Innenverhältnis, seine Tätigkeit zu beschränken auf Geschäfte im Rahmen der erteilten Bankvollmachten, die Erledigung der Geschäftspost, Abschluß der baurechtlichen Verträge, Ausgabe und Annahme von Schecks insbesondere von Auftraggebern, die Erledigung des gesamten notwendigen Materialeinkaufs, die Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern und den Verkauf von Material. Nach § 9 Abs 3 des Gesellschaftsvertrages vom 7. Februar 1980 bedürfen einer Beschlußfassung durch die Gesellschafterversammlung ua Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen, Erwerb, Veräußerung oder Belastung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten, Pacht- und Mietverträge, die auf länger als drei Jahre abgeschlossen werden, Dienstverträge mit einem Bruttomonatsgehalt von mehr als 5.000,-- DM, die Aufnahme von Darlehen und Investitionen von mehr als 150.000,-- DM im Einzelfall, die Übernahme von Bürgschaften und Garantien, Verträge, deren Gegen- oder Haftungswert 500.000,-- DM übersteigt sowie die Aufnahme oder Aufgabe von Geschäftszweigen. Nach § 9 Abs 4 des Gesellschaftsvertrages können durch Gesellschafterbeschlüsse der Geschäftsführung Weisungen erteilt werden.

Hiernach unterlag W. im Innenverhältnis den Weisungen der Gesellschafterversammlung. Die Revision schließt aus § 5 des Geschäftsführervertrages, wonach der Geschäftsführer für alle Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft oder einer von ihr verwalteten Gesellschaft oder Beteiligung hinausgehen, der ausdrücklichen Einwilligung der Gesellschafterversammlung bedarf, zu Unrecht, daß im Bereich der gewöhnlichen Geschäfte Weisungen der Gesellschafterversammlung unzulässig sein sollten. Ob das weitere Revisionsvorbringen, der Geschäftsführer sei faktisch völlig selbständig gewesen, dahin zu verstehen ist, daß dieser die im Innenverhältnis zur Gesellschaft bestehenden Beschränkungen tatsächlich nicht eingehalten und faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken geführt habe, kann dahinstehen. Denn in letzterem Falle würde es sich um die Behauptung neuer Tatsachen handeln, die in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden können.

W. war in der Zeit vom 24. Juni 1986 bis zum 26. November 1986 in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot nach § 7 des Geschäftsführervertrages vom 24. März 1982 beschränkt. Das Wettbewerbsverbot untersagt jede selbständige oder unselbständige Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen. Es ist nicht schon deswegen unwirksam, weil die vereinbarte Karenzentschädigung in Höhe von 25 % des in den letzten zwei Jahren gezahlten festen, durchschnittlichen Monatsgehaltes die in § 74 Abs 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) angeordnete Mindestgrenze nicht erreicht. Wettbewerbsklauseln zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer unterliegen nicht den für Handlungsgehilfen geltenden Beschränkungen des § 74 Abs 2 HGB (BGHZ 91, 1). Da das Wettbewerbsverbot erst im Geschäftsführervertrag vereinbart wurde, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob § 74 Abs 1 HGB auch auf ein im früheren Anstellungsvertrag hinsichtlich der vorangegangenen Beschäftigung bei der GmbH vereinbartes Wettbewerbsverbot nicht anzuwenden wäre (verneinend OLG Koblenz WM IV 1985, 1484).

Ob das Wettbewerbsverbot nach § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) iVm Art 2 und 12 GG teilweise unwirksam ist, kann dahinstehen. Nach § 13 Abs 2 des Geschäftsführervertrages berührt die Ungültigkeit einzelner Bestimmungen nicht die Rechtswirksamkeit des Vertrages im ganzen. Anstelle der unwirksamen Vorschrift ist eine Regelung zu vereinbaren, die der wirtschaftlichen Zwecksetzung der Beteiligten am ehesten entspricht. Eine solche Vereinbarung greift auch bei teilweiser Nichtigkeit einer Wettbewerbsabrede ein (BGHZ 91, 1, 8). Es kann daher dahinstehen, ob ein Wettbewerbsverbot sittenwidrig ist, wenn es dem Geschäftsführer jegliche - dh auch nachgeordnete, nicht unternehmerische Tätigkeit - in Konkurrenzunternehmen schlechthin verbietet (vgl OLG Hamm ZIP 1988, 1254). Denn das Konkurrenzverbot wäre dann nur insoweit nichtig, und der Kläger bliebe an einer vergleichbaren Tätigkeit als versicherungspflichtiger Geschäftsführer einer Konkurrenzfirma gehindert. Das Wettbewerbsverbot ist daher jedenfalls nicht im ganzen sittenwidrig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zwar in der bereits angeführten Entscheidung vom 26. März 1984 entschieden, eine GmbH dürfe ihrem Geschäftsführer die freie Berufsausübung als Wirtschaftsprüfer nicht verbieten, da ihren berechtigten Interessen durch eine Mandantenschutzklausel Rechnung getragen werden könne (BGHZ 91, 1, 7 ff). Ob diese Aussage über den Kreis der freien Berufe hinaus ein entschädigungsloses vollständiges Konkurrenzverbot ausschließt, kann dahinstehen. Unter Berücksichtigung der vereinbarten Karenzentschädigung ist das Wettbewerbsverbot, jedenfalls bei einer örtlich und gegenständlichen Einschränkung, zumindest teilweise wirksam. Auch ein dergestalt eingeschränktes Wettbewerbsverbot erfüllt aber den Tatbestand des § 128a AFG. Die vereinbarte Zweijahresfrist ist in zeitlicher Hinsicht unbedenklich (vgl Sina DB 1985, 902, 903).

Dem Erstattungsanspruch steht nicht entgegen, daß nicht die Klägerin, sondern W. die Kündigung ausgesprochen hat. Die Erstattungspflicht des § 128a AFG tritt - anders als die des § 128 AFG - auch dann ein, wenn der Arbeitnehmer gekündigt hat oder der Arbeitgeber aus wichtigem Grund kündigen konnte. Der Erstattungsanspruch nach § 128a AFG erfordert nicht zusätzlich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 128 Abs 1 AFG. § 128a AFG idF des AFKG verweist lediglich auf den Abs 2 des § 128 AFG, § 128a AFG idF des Gesetzes vom 13. April 1984 (BGBl I 610) auch auf Abs 8 des § 128 AFG. Das LSG ist deshalb auf den Kündigungsgrund zu Recht nicht näher eingegangen sondern hat sich mit der Feststellung begnügt, daß jedenfalls der Geschäftsführer nicht aus wichtigem Grund zulässigerweise fristlos gekündigt habe. Denn nur eine solche Kündigung hätte nach dem Geschäftsführervertrag zum Wegfall des Wettbewerbsverbots geführt.

Die Beklagte hat das Alg zu Recht gewährt. W. war in der Anwartschaftszeit versicherungspflichtig beschäftigt, wie bereits ausgeführt. Ob infolge der Kündigung des W. im Bezug des Alg eine Sperrzeit eingetreten ist, bedarf schon deswegen nicht der Erörterung, weil hinsichtlich des hiervon allein betroffenen ersten Abrechnungszeitraums ein bindender Bescheid ergangen ist. Im übrigen hat die Beklagte ermittelt, daß W. gekündigt hat, weil das erforderliche Vertrauensverhältnis nicht mehr bestehe. Sie hat einen wichtigen Grund iS des § 119 AFG angenommen und den Eintritt einer Sperrzeit deswegen verneint. Die von der Klägerin vorgetragene unentgeltliche Nebentätigkeit des W. in dem Geschäft seiner Ehefrau mit einer wöchentlichen Arbeitszeit deutlich unter 19 Stunden ließ den Anspruch auf Alg unberührt, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat.

Die in § 128a AFG getroffene Regelung ist nicht verfassungswidrig. Der Senat hat hierzu bereits entschieden, daß die Anwendung der Vorschrift auf Arbeitnehmer mit einem Anspruch auf Karenzentschädigung in Höhe von mindestens 50 vH der letzten Bezüge (§ 74 Abs 2 HGB) nicht gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verstoße, obgleich ein solcher Arbeitsloser an Alg und Karenzentschädigung insgesamt 110 vH der vertragsgemäßen Bezüge ohne Arbeitsleistung erhält (§ 74c Abs 1 HGB) und in aller Regel mit der Aufnahme einer Beschäftigung keinen höheren Verdienst erzielen kann (BSG Urteil vom 13. März 1990 - 11 RAr 50/86 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Vorschrift verstößt entgegen der Auffassung der Revision auch in ihrer Anwendung auf Organmitglieder ohne Anspruch auf Karenzentschädigung nicht gegen die Art 3 und 14 GG.

Die Revision stützt sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. März 1984 (BGH WPM 1984, 996 = BGHZ 91, 1). Hiernach repräsentiert der GmbH-Geschäftsführer weit mehr als der Angestellte des Gesellschaftsunternehmens die Gesellschaft selbst und die geschäftlichen Beziehungen konzentrieren sich auf seine Person. Eine Konkurrenztätigkeit, die er nach seinem Ausscheiden aufnimmt, begründet dementsprechend auch in viel stärkerem Maße als bei einem Arbeitnehmer die Gefahr, daß das Unternehmen Schaden erleidet. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 74 Abs 2 HGB ist deshalb nur auf Arbeitnehmer iS des Arbeitsrechts zu erstrecken, nicht aber auf Organmitglieder, insbesondere nicht auf den Geschäftsführer einer GmbH, auch nicht, wenn dieser als Fremdgeschäftsführer wirtschaftlich abhängig ist.

Die Zulässigkeit der Erleichterung eines Wettbewerbsverbots für Organmitglieder besagt indes nicht, daß eine solche Erleichterung auch verfassungsrechtlich durch den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) geboten ist. Im übrigen werden entgegen der Auffassung der Revision ehemalige Organmitglieder und Arbeitnehmer durchaus unterschiedlich behandelt. Für Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber letztlich an Alg und Karenzentschädigung 110 vH der vertragsgemäßen Bezüge aufzubringen (vgl zur Anrechnung des Alg auf die Karenzentschädigung, soweit 110 vH der vertragsgemäßen Bezüge überschritten werden, nach § 128a Satz 3 iVm § 74c Abs 1 Satz 1 HGB das BSG-Urteil vom 13. März 1990 - 11 RAr 50/86 -), für Organmitglieder aber nur 68 vH, da die eine Anrechnung einschränkende Vorschrift des § 74c Abs 1 Satz 1 HGB für diesen Personenkreis nicht gilt und die Vereinbarung der vollständigen Anrechnung des zu erstattenden Alg auf die Karenzentschädigung nicht sittenwidrig (§ 138 BGB) ist.

Die Revision kann auch nicht mit dem Einwand durchdringen, der Anspruch aus § 128a AFG bei Organmitgliedern mache in diesem Bereich ein Wettbewerbsverbot finanziell unmöglich und zwinge den Arbeitgeber so, seinen Betrieb schutzlos der unlauteren Konkurrenz eines früheren Geschäftsführers auszusetzen, was gegen Art 14 GG verstoße. Die nach dem Ende der Geschäftsführertätigkeit ohne zeitliche Einschränkung und Entschädigung geltende strafbewehrte Geheimhaltungspflicht nach § 85 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) schützt die berechtigten Interessen der Gesellschaft nämlich in nicht unwesentlichem Umfang.

Entgegen der Auffassung der Revision ist es nicht verfassungswidrig, daß der Arbeitgeber nach § 128a AFG das volle Risiko der Arbeitslosigkeit auch dann trägt, wenn die Arbeitslosigkeit - wie hier - auf einer vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung beruht. Das ist schon deswegen gerechtfertigt, weil sich die durch das Wettbewerbsverbot bewirkte Erhöhung des Vermittlungsrisikos auch dann auswirkt, wenn der Arbeitnehmer kündigt. Im übrigen hat der Arbeitgeber auch bei Kündigung seitens des Arbeitnehmers die Möglichkeit, den Erstattungsanspruch durch Verzicht auf die Wettbewerbsabrede abzuwehren.

Indes ist ein Erstattungsanspruch nach § 128a AFG, wie der Senat nach dem Erlaß des angefochtenen Urteils vom 23. September 1988 in zwei Urteilen vom 13. März 1990 (11 RAr 1/88 und 11 RAr 50/86) entschieden hat, nur dann begründet, wenn die Klägerin darüber belehrt wurde, daß sie sich durch den Verzicht auf die Wettbewerbsabrede dem Erstattungsanspruch entziehen konnte.

Nach § 14 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 1. Buch, Allgemeiner Teil (SGB I) hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Die Beratungspflicht erstreckt sich auf die Verpflichtung der Klägerin aus § 128a AFG, da das AFG bis zur Einordnung in das Sozialgesetzbuch nach Art 2 § 1 SGB I als besonderer Teil des Sozialgesetzbuches gilt. Die Beratungspflicht gilt gegenüber jedermann, auch gegenüber Arbeitgebern, soweit sie nach dem SGB gegenüber dem Leistungsträger berechtigt oder verpflichtet sind (Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch, SGB I § 14 RdNr 3).

Insoweit ist hier nicht näher zu erörtern, unter welchen Voraussetzungen ein Leistungsträger nach § 14 SGB I im allgemeinen auch ohne ein entsprechendes Ersuchen von sich aus zur Beratung verpflichtet ist (vgl hierzu BSG SozR 1200 § 14 Nr 25 S 63). In den Fällen des § 128a AFG besteht die Aufgabe der Beklagten nicht in erster Linie darin, Erstattungspflichten festzustellen und durchzusetzen. Hierbei handelt es sich vielmehr nur um Sanktionen für den Fall, daß die Hauptaufgabe der Beklagten, nämlich die Vermittlung des Arbeitslosen in Arbeit (§§ 2 Nr 1, 3 Abs 1 Nr 2 AFG) durch vertragliche Vereinbarungen behindert wird. Aus dem Vorrang der Vermittlung ist eine Verpflichtung der Beklagten herzuleiten, den Arbeitgeber darüber zu belehren, daß er durch Verzicht auf die Einhaltung der Wettbewerbsklausel den Erstattungsanspruch abwenden kann, da dies den Weg zur uneingeschränkten Vermittlung eröffnen würde. Eine solche Belehrungspflicht besteht nicht nur, wenn bei klar erkennbarer Nichtigkeit der Wettbewerbsabrede zweifelhaft ist, ob der Arbeitgeber an ihr festhalten wird (BSGE 65, 72 = SozR 4100 § 128a Nr 2) oder wenn das Verhalten des Arbeitgebers Zweifel daran aufkommen läßt, ob er auf Einhaltung der Wettbewerbsabrede besteht (BSG Urteil vom 9. November 1989 - 11 RAr 75/88 - EWiR § 128a AFG 1/90, 521 - Dalichau), sondern in allen Fällen, in denen eine entsprechende Belehrung den Verzicht zur Folge haben kann, auch wenn der Arbeitgeber schon im Verwaltungsverfahren rechtskundig vertreten ist. Diese Belehrungspflicht trägt wesentlich dazu bei, daß das Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Auch der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat entschieden, daß die Erstattungspflicht entfalle, wenn die BA die gebotene Belehrung unterlasse, obgleich ihr das Wettbewerbsverbot bekannt war, wie dies hier aufgrund der Angaben im Alg-Antrag der Fall ist (BSG Urteil vom 28. Juni 1990 - 7 RAr 50/88 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit Schreiben vom 8. Dezember 1986 auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes verzichtet, obgleich die beklagte BA die Auffassung vertrat, daß erst ein vom Arbeitnehmer angenommener Verzicht die Erstattungspflicht entfallen lasse. Das LSG wird die zur Belehrungspflicht fehlenden Feststellungen nachzuholen und in der abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Im weiteren Verfahren erscheint es angezeigt, den Bescheid vom 25. März 1987 über den Erstattungszeitraum vom 19. November 1986 bis zum 28. Februar 1987 gemäß § 96 SGG einzubeziehen nebst etwaigen Folgebescheiden und dabei die Folgen des mit Schreiben vom 8. Dezember 1986 ausgesprochenen Verzichts auf das Wettbewerbsverbot zu beachten.

 

Fundstellen

BSGE 67, 183-190 (LT1-4)

BSGE, 183

NJW 1991, 862

NJW 1991, 862-863 (LT)

GmbH-Rdsch 1991, 463-466 (ST)

RegNr, 19544 (BSG-Intern)

NZA 1991, 159-160 (LT)

DBlR 3754a, AFG/§ 128a (LT1-4)

Die Beiträge 1992, 233-238 (LT1-4)

SGb 1991, 231-235 (LT1-4)

SozR 3-4100 § 128a, Nr 4 (LT1-4)

SozSich 1991, 28 (L1-4)

GmbHR 1991, 463

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