Gesetzestext

 

(1) Die Gläubigerversammlung wird vom Insolvenzgericht geleitet.

(2) Ein Beschluß der Gläubigerversammlung kommt zustande, wenn die Summe der Forderungsbeträge der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Forderungsbeträge der abstimmenden Gläubiger beträgt; bei absonderungsberechtigten Gläubigern, denen der Schuldner nicht persönlich haftet, tritt der Wert des Absonderungsrechts an die Stelle des Forderungsbetrags.

Bisherige gesetzliche Regelungen

 

§ 94 KO [Leitung und Beschlußfassung]

(1) Die Gläubigerversammlung findet unter der Leitung des Gerichts statt.

(2) Die Beschlüsse der Gläubigerversammlung werden mit absoluter Mehrheit der Stimmen gefaßt. Für die Wahl der Mitglieder des Gläubigerausschusses genügt relative Mehrheit der Stimmen.

(3) Die Stimmenmehrheit ist nach den Forderungsbeträgen zu berechnen. Bei Gleichheit der Summen entscheidet die Zahl der Gläubiger.

 

§ 97 KO [Zählung der Stimmen]

Gezählt werden nur die Stimmen der in der Gläubigerversammlung erschienenen Gläubiger. Die nicht erschienenen Gläubiger sind an die Beschlüsse gebunden.

 

§ 15 Abs. 4 GesO Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuß

(4) Die Gläubigerversammlung findet unter Leitung des Gerichts statt. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der anwesenden Gläubiger gefaßt, diese müssen jedoch mehr als die Hälfte der Summe der Forderungsbeträge dieser Gläubiger auf sich vereinigen.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Abs. 1 der gesetzlichen Neuregelung übernimmt in vollem Umfang die bisher nach § 94 Abs. 1 KO und § 15 Abs. 4 Satz 1 GesO geltende Rechtslage. Parallel dazu wurde auch in § 18 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen i.d.F. des Art. 53 EGInsO ebenfalls die Leitungsbefugnis des Insolvenzgerichts für die nach diesem Gesetz vorgesehene besondere Gläubigerversammlung geregelt, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners von Schuldverschreibungen gemäß § 18 Abs. 1 dieses Gesetzes unverzüglich vom Insolvenzgericht einzuberufen ist.[1] Dagegen enthält die Vorschrift in Abs. 2 gegenüber den Regelungen in KO und GesO für das Zustandekommen eines Beschlusses der Gläubigerversammlung eine wesentliche Vereinfachung, da nicht mehr – auch nicht in Ausnahmefällen – auf eine Kopfmehrheit abgestellt wird. Dagegen war noch in § 87 Abs. 2 RegE eine § 15 Abs. 4 Satz 2 GesO entsprechende Regelung vorgesehen. Im Sinne einer Erleichterung und Vereinfachung des Abstimmungsverfahrens in der Gläubigerversammlung wurde jedoch im Gesetzgebungsverfahren auf Initiative des Rechtsausschusses die Voraussetzung einer Beschlussfassung auf das bloße Erfordernis einer Summenmehrheit reduziert.[2] Dabei soll der nach den ursprünglichen Intentionen des Regierungsentwurfs beabsichtigte Schutz der Kleingläubiger durch die Repräsentationsvorschrift des § 67 Abs. 2 für den Gläubigerausschuss und die Möglichkeit des Antrags auf Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung gemäß § 78 ausreichend gewährleistet werden.[3] Entsprechend der auch bei den übrigen Vorschriften berücksichtigten stärkeren Einbindung der absonderungsberechtigten Gläubiger in das neu geregelte Insolvenzverfahren ist nunmehr auch diese Gläubigergruppe regelmäßig in vollem Umfang, d.h. mit den ihnen zustehenden Forderungen, in der Gläubigerversammlung stimmberechtigt, soweit nicht die in Abs. 2 2. Halbsatz geregelte Ausnahme eingreift.

[1] Vgl. hierzu auch § 74 Rn. 5.
[2] BegrRechtsA, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 253.
[3] a.a.O.

2. Leitung der Gläubigerversammlung (Abs. 1)

 

Rn 2

Eine nach den §§ 74, 75 einberufene Gläubigerversammlung wird ausschließlich vom Insolvenzgericht geleitet. Funktionell obliegt diese Leitung dem Rechtspfleger, soweit sich der Insolvenzrichter nicht diesen Teil des Insolvenzverfahrens gemäß § 18 Abs. 2 RpflG i.d.F. nach Art. 14 Nr. 5 EGInsO vorbehalten oder nachträglich wieder an sich gezogen hat. Allgemein wird dadurch dem Insolvenzgericht gesetzlich die Aufgabe zugewiesen, einen formal ordnungsgemäßen Ablauf der Gläubigerversammlung nach den insoweit einschlägigen gesetzlichen Vorschriften sicherzustellen. Inhaltlich beschränkt sich der Regelungsgehalt des Abs. 1 auf die Normierung einer formalen Ordnungs- und Leitungsfunktion des Gerichts bei Abhaltung der Gläubigerversammlung. Diese wird ergänzt um eine i.S. der Deregulierung und gestärkten Gläubigerautonomie beschränkte materiell-rechtliche Aufsichtsfunktion des Insolvenzgerichts, wie sie etwa in den §§ 57, 70 und 78 zum Ausdruck kommt.

 

Rn 3

Im Einzelnen steht also dem Insolvenzgericht die Ordnungsgewalt in der Gläubigerversammlung (sog. Sitzungspolizei) zu (vgl. §§ 175183 GVG). Daneben hat das Gericht die Aufgabe, auch die gerichtsförmlichen Vorschriften über die Öffentlichkeit umzusetzen (§§ 169 ff. GVG). Danach kann also nur das Insolvenzgericht gemäß § 175 Abs. 2 Satz 1 am Verfahren unbeteiligten Personen Zutritt zur Gläubigerversammlung gewähren, wie z.B. Vertretern der Presse oder Personen zu Ausbildungszwecken. Es hat aber grundsätzlich durch geeignete organisatorische Maßnahmen sic...

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