Rn 5

Nach § 81 Abs. 1 Satz 1, welcher über die Verweisung in § 24 Abs. 1 in vollem Umfang auch für das Eröffnungsverfahren gilt, sind Verfügungen des Schuldners über massezugehörige Vermögensgegenstände schon nach gerichtlicher Anordnung der Verfügungsbeschränkungen unwirksam. Dabei handelt es sich im Gegensatz zum früheren während des Antragsverfahrens gemäß § 106 KO häufig verhängten allgemeinen Veräußerungsverbot nach §§ 135, 136 BGB nicht um eine relative Unwirksamkeit gegenüber den Konkursgläubigern in einem später eröffneten Verfahren, sondern um eine absolute (schwebende) Unwirksamkeit.[7] Neben der bereits zitierten und insoweit eindeutigen Begründung des Regierungsentwurfs lässt sich diese absolute Unwirksamkeit im Gegensatz zu den bloß relativen Wirkungen eines gesetzlichen oder gerichtlichen Veräußerungsverbots auch aus dem Gesetz selbst herleiten. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 nennt dort das allgemeine Verfügungsverbot. Dieses ist begrifflich zu unterscheiden von dem in § 135 BGB genannten Veräußerungsverbot. Diese begriffliche Unterscheidung greift auch die InsO auf, indem sie in § 80 Abs. 2 im Gegensatz zum Verfügungsverbot das nur zum Schutz bestimmter Personen dienende Veräußerungsverbot der §§ 135, 136 BGB ausdrücklich erwähnt. Entsprechende rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners sind also gegenüber jedermann absolut unwirksam. Eine solche Unwirksamkeit kann folglich auch von jedermann bereits im Eröffnungsverfahren geltend gemacht werden.

 

Rn 6

Betroffen von der Unwirksamkeitsfolge sind gemäß § 81 Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der Insolvenzmasse zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dabei ist offensichtlich, dass im Eröffnungsverfahren nur eine entsprechende Anwendung in Betracht kommt, denn weder gibt es eine Insolvenzmasse, noch ist das Verfahren bereits eröffnet worden.

[7] BegrRegE, BT-Drs. 12/2443, S. 136 (Zu § 92); so auch: BGH ZInsO 2009, 2336, Tz. 15; ZInsO 2007, 1216, Tz. 24; ZInsO 2006, 261, Tz. 12; LAG Düsseldorf ZInsO 2001, 1022 (1024); Kübler/Prütting/Bork-Pape, § 24 Rn. 1; HK-Rüntz, § 24 Rn. 2; FK-Schmerbach, § 24 Rn. 4; Nerlich/Römermann-Mönning/Zimmermann, § 24 Rn. 9. Zum Meinungsstreit über die Wirkungen des konkursrechtlichen, allgemeinen Veräußerungsverbots gemäß § 106 Abs. 1 Satz 2 KO vgl. die Nachweise bei Kuhn/Uhlenbruck, § 106 Rn. 4.

2.1.1 Verfügungen

 

Rn 7

Der Verfügungsbegriff entspricht dem des allgemeinen Zivilrechts,[8] mithin ist darunter ein Rechtsgeschäft zu verstehen, durch das der Verfügende auf ein Recht unmittelbar einwirkt, es also entweder auf einen Dritten überträgt oder mit einem Recht belastet oder das Recht aufhebt oder es sonst wie in seinem Inhalt ändert.[9] Den Regelfall der Verfügung bilden die Zahlung des Schuldners und die Übertragung des Eigentums an Gegenständen. Daneben umfasst der Verfügungsbegriff aber unter anderem auch die Entgegennahme des zur Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleisteten,[10] die Übertragung von Schutzrechten,[11] die Anerkennung eines Kontokorrentsaldos,[12] den Übergang von sächlichen Betriebsmitteln im Rahmen eines Betriebsübergangs[13], Gestaltungserklärungen (bspw. eine Kündigung)[14], die Aufhebung einer gesellschaftsrechtlichen Rangrücktrittsvereinbarung[15] und eine Nutzungsüberlassung.[16] Demgegenüber ist ein sonstiger Rechtserwerb (§§ 91 Abs. 1, 94 ff.) nicht erfasst, d. h. der Erwerb eines Rechts kraft Gesetzes,[17] durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung nach §§ 946 ff. BGB, die Aufrechnung eines Drittschuldners[18] oder der Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung (soweit keine Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 erfolgt ist) sind weiterhin möglich. Zur Abgrenzung beim gestreckten Rechtserwerb s. u. Rn. 14. Auch bloße Realakte wie die Besitzaufgabe und das Einbringen von Sachen in Mieträume sind keine Verfügung.[19]

 

Rn 8

Auch die Vornahme von Prozesshandlungen ist keine Verfügung sondern eine Verwaltungsmaßnahme.[20] Folglich wird der Schuldner durch die Anordnung einer Verfügungsbeschränkung nicht gehindert, Erklärungen zur Rücknahme oder zur Erledigung des Insolvenzantragsverfahrens abzugeben. Verliert der Schuldner aber die Verwaltungsbefugnis, bspw. bei der Anordnung einer starken vorläufigen Insolvenzverwaltung (§ 22 Abs. 1 Satz 1), kann er aus diesem Grund keine wirksamen Prozesshandlungen mehr vornehmen.[21]

 

Rn 9

Leistungen Dritter auf eine Schuld des Schuldners (§ 267 BGB) unterfallen nicht dem Verfügungsbegriff und bleiben daher auch nach Anordnung einer Verfügungsbeschränkung möglich.[22] Dabei spielt es keine Rolle, ob neben der Leistung des Dritten eine schuldrechtliche Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber dem Dritten entsteht, da diese lediglich ein Verpflichtungsgeschäft darstellt.[23] Eine Erledigungserklärung des Fremdantrages durch Zahlung eines Dritten kann allenfalls wegen eines Rechtsmissbrauchs als unwirksam angesehen werden.[24] Leistet demgegenüber der Schuldner nach Anordnung einer Verfügungsbeschränkung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 eine Zahlung an den Fremdantragst...

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