Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame Zustellung eines Feststellungsbescheids

 

Leitsatz (NV)

Wird ein Feststellungsbescheid mit Postzustellungsurkunde zugestellt, so ist die Zustellung unwirksam, wenn als Geschäftsnummer lediglich die Steuernummer angegeben ist.

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 5; VwZG §§ 3, 9 Abs. 1; ZPO § 195 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen) erzielten als Beteiligte an einer Grundstücksgemeinschaft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Wegen Nichtabgabe der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Vermietungseinkünfte für das Streitjahr (1981) schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Besteuerungsgrundlagen. Den Steuerbescheid vom 24. Oktober 1983 stellte das FA der Empfangsbevollmächtigten der Grundstücksgemeinschaft, der Klägerin zu 1, mit Postzustellungsurkunde durch Niederlegung bei der Postanstalt am 25. Oktober 1983 zu. Als Geschäftsnummer ist auf der Zustellungsurkunde die Nummer ... angegeben, die, abgesehen von der das FA kennzeichnenden Zahl, der Steuernummer der Grundstücksgemeinschaft entspricht. Die für die Bezeichnung des Schriftstücks vorgesehene Kopfleiste der Postzustellungsurkunde enthält die Angaben Steuerbescheid vom 24.10.83 sowie Feststellg. 1981 . Auf dem Briefumschlag, in dem der Feststellungsbescheid versandt wurde, ist allein die Nummer ... als Geschäftsnummer angegeben. Durch Schriftsatz vom 6. Dezember 1983, beim FA eingegangen am 7. Dezember 1983, legten die Klägerinnen Einspruch ein. Sie trugen vor, die Klägerin zu 1 habe die Mitteilung über die Niederlegung der Sendung nicht erhalten und den Bescheid erst am 14. November 1983 beim Postamt abgeholt. Das FA sah den Rechtsbehelf als verspätet an und verwarf ihn als unzulässig. Die anschließende Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus, die Zustellung des Feststellungsbescheids sei zwar wirksam erfolgt, jedoch sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung des § 110 der Abgabenordnung (AO 1977).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Einspruch der Klägerinnen zulässig war. Er war am 7. Dezember 1983 und damit innerhalb der Rechtsbehelfsfrist von einem Monat (§ 355 Abs. 1 AO 1977) beim FA eingegangen. Der Lauf der Frist begann nach § 9 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) i.V.m. § 122 Abs. 5 AO 1977 erst mit der tatsächlichen Aushändigung des Steuerbescheids am 14. November 1983 (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. November 1976 GrS 1/76, BFHE 121, 9, BStBl II 1977, 247).

Entgegen der Rechtsansicht des FG war die vom FA gemäß § 122 Abs. 5 AO 1977 angeordnete Zustellung des Feststellungsbescheids unwirksam.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG ist die zuzustellende Sendung u.a. mit einer Geschäftsnummer zu versehen. Gemäß § 3 Abs. 3 VwZG, § 195 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) muß die von dem Postbediensteten über die Zustellung zu fertigende Urkunde die Übergabe der ihrer Anschrift und ihrer Geschäftsnummer nach bezeichneten Sendung bezeugen. Da die Postzustellungsurkunde nicht die Übergabe des Schriftstücks selbst bezeugt, sondern nur die Übergabe einer Sendung, die mit einer Geschäftsnummer bezeichnet ist, stellt die Angabe der Geschäftsnummer auf der Sendung sowie auf der Postzustellungsurkunde die einzige urkundliche Beziehung zwischen dieser und dem zuzustellenden Schriftstück her (BFH-Beschluß vom 10. November 1971 I B 32/71, BFHE 103, 454, BStBl II 1972, 127; BFH-Urteile vom 8. Februar 1972 VIII R 14/68, BFHE 105, 85, BStBl II 1972, 506; vom 12. Januar 1990 VI R 137/86, BFHE 160, 103, BStBl II 1990, 602; vom 19. Juni 1991 II R 77/89, BFHE 165, 5, BStBl II 1991, 826). Wegen der gebotenen Gewähr für die Nämlichkeit und den unveränderten Inhalt der Postsendung muß die Geschäftsnummer infolgedessen die Identifizierung der zugestellten Sendung ermöglichen (BFH in BFHE 165, 5, BStBl II 1991, 826). Dies ist nicht der Fall, wenn als Geschäftsnummer die Steuernummer - ohne zusätzliche Kennzeichnung - angegeben ist (BFH-Urteil vom 24. November 1977 IV R 113/75, BFHE 125, 107, BStBl II 1978, 467 m.w.N.; Bekanntgabeerlaß vom 8. April 1991 IV A 5 - S 9284 - 1/91, BStBl I 1991, 398, 411 Tz. 3.1.1. unter Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 160, 103, BStBl II 1990, 602). Im Streitfall war als Geschäftsnummer lediglich die (verkürzte) Steuernummer der Grundstücksgemeinschaft vermerkt. Dies reicht nach den vorstehenden Grundsätzen nicht aus.

Zu keiner anderen Beurteilung führt die Kurzbezeichnung des zugestellten Schriftstücks im Kopfteil der Postzustellungsurkunde. Dieser Abschnitt des Vordrucks, der in neueren Zustellungsurkunden nicht mehr vorgesehen ist, dient lediglich zur behördeninternen Kennzeichnung. Er ist nicht Bestandteil der Geschäftsnummer (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 352/83, BFH/NV 1986, 644). Auf dem Briefumschlag selbst ist keine entsprechende Eintragung vorzunehmen und im Streitfall auch nicht vorgenommen worden. Eine Verknüpfung zwischen der Postzustellungsurkunde und dem zugestellten Feststellungsbescheid wurde hierdurch nicht hergestellt.

Die - vom FG bejahte - Frage, ob den Klägerinnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, stellt sich wegen der rechtzeitigen Einlegung des Einspruchs nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419337

BFH/NV 1994, 357

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