Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine förmliche Zustellung

 

Leitsatz (NV)

Keine wirksame Zustellung nach § 3 VwZG, wenn die Postzustellungsurkunde und/oder der Briefumschlag als Geschäftsnummer lediglich die Steuernummer und ein finanzamtsinternes Stellenzeichen enthalten.

 

Normenkette

VwZG § 3 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Gesellschafter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, haben in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Nach einer Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) geänderte Gewinnfeststellungsbescheide, wogegen sich die Klägerin mit ihren Einsprüchen wandte. Die Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 1988, mit der die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen wurden, wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 8. Dezember 1988 zugestellt. Auf dem Briefumschlag und auf der Postzustellungsurkunde waren zur Bezeichnung des übersandten Schriftstücks die Steuernummer und das finanzamtsinterne Stellenzeichen ,,- II/1 -" angegeben. Auf der Postzustellungsurkunde, nicht jedoch auf dem Briefumschlag, war daneben vermerkt:

,,Inhalt: Einspruchsentscheidungen zweifach Einheitl. u. Ges. Gewinnfeststellungssachen. . . als Bet. der G.b.R. . . . in . . ."

Die Klageschrift ging am 10. Januar 1989 beim Finanzgericht (FG) ein.

Die Klägerin beantragte wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, die Klageschrift sei laut Postausgangsbuch am Freitag, den 6. Januar 1989, zur Post gegeben worden. Bei normalem Postlauf wäre sie rechtzeitig am 9. Januar 1989 beim FG eingegangen.

Das FG hat durch Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage festgestellt. Zwar habe die Klägerin keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgetragen, nachdem ausweislich des Poststempels die Klageschrift erst am 9. Januar 1989 bei der Post aufgegeben worden sei.

Die Klagefrist sei jedoch im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen (§ 9 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG -), da die Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 1988 dem Bevollmächtigten der Klägerin nicht gemäß § 3 VwZG wirksam zugestellt worden sei. Bei der Zustellung durch die Post mit Postzustellungsurkunde trete an die Stelle der unmittelbaren Übergabe des Schriftstücks die Aushändigung einer verschlossenen Postsendung. Die Angabe einer identischen Geschäftsnummer auf der Postzustellungsurkunde und dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks solle die Nämlichkeit und den unveränderten Inhalt der verschlossenen Sendung gewährleisten (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. November 1977 IV R 113/75,

BFHE 125, 107, BStBl II 1978, 467). Da die Geschäftsnummer die einzige urkundliche Beziehung zwischen der Postzustellungsurkunde und dem zuzustellenden Schriftstück herstelle, müsse durch sie auf den Inhalt der zuzustellenden Sendung geschlossen werden können. Dies sei allein durch die Angabe der Steuernummer nicht möglich. Im Streitfall sei die erforderliche Konkretisierung auch nicht durch den Zusatz ,,- II/1 -" erfolgt, da hierdurch keinerlei Aufschluß über den Inhalt der Sendung vermittelt worden sei. Erforderlich und ausreichend wären die zusätzlichen Angaben über den Inhalt des Schriftstücks gewesen, wenn diese sich nicht nur auf der Postzustellungsurkunde, sondern auch auf dem Briefumschlag befunden hätten.

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision.

Die Zustellung der Einspruchsentscheidung sei ordnungsgemäß. Im Streitfall seien die zu beachtenden Förmlichkeiten des § 3 VwZG eingehalten, da die Postzustellungsurkunde und der Briefumschlag mit Steuernummer und Stellenzeichen des zuständigen Sachbearbeiters die gleiche Kennzeichnung aufwiesen. Soweit der BFH in seinem Beschluß vom 10. November 1971 I B 32/71 (BFHE 103, 454, BStBl II 1972, 127) und in den Urteilen vom 8. Februar 1972 VIII R 14/68 (BFHE 105, 85, BStBl II 1972, 506) und in BFHE 125, 107, BStBl II 1978, 467 höhere Anforderungen an die Kennzeichnung von Postzustellungsurkunde und Briefumschlag gestellt habe, nämlich daß die anzubringende Geschäftsnummer auf den Inhalt der Sendung schließen lassen müsse, beträfen diese Entscheidungen nur Fallgestaltungen, in denen jeweils mehrere Schriftstücke verschiedenen Inhalts mittels einer Sendung zugestellt worden seien. Wenn wie im Streitfall die Sendung jedoch nur ein Schriftstück enthalte, reiche die Steuernummer als Geschäftsnummer aus.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Das FG hat zu Recht die Zulässigkeit der Klage festgestellt, da die Klagefrist bei Klageerhebung am 10. Januar 1989 noch nicht abgelaufen war. Die Frist war durch die Zustellung am 8. Dezember 1988 nicht in Lauf gesetzt worden, da das FA bei der Zustellung der Einspruchsentscheidung die Förmlichkeiten des § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG nicht beachtet hat.

Nach dieser Vorschrift ist die Sendung mit der Anschrift des Empfängers und mit der Bezeichnung der absendenden Dienststelle, einer Geschäftsnummer und einem Vordruck für die Zustellungsurkunde zu versehen. Fehlt die Geschäftsnummer, so ist die Zustellung unwirksam (BFH-Urteil vom 14. November 1968 I R 9/68, BFHE 94, 202, BStBl II 1969, 151). Im Streitfall trug der Briefumschlag, der die Einspruchsentscheidung enthielt, keine Geschäftsnummer i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG.

Nach den Entscheidungen in BFHE 103, 454, BStBl II 1972, 127, BFHE 105, 85, BStBl II 1972, 506 und BFHE 125, 107, BStBl II 1978, 467 m.w.N. muß sich bei der Zustellung mehrerer Schriftstücke verschiedenen Inhalts in einem verschlossenen Briefumschlag aus der auf dem Briefumschlag angebrachten Geschäftsnummer ergeben, welchen Inhalt die zugestellte Sendung hat. Aus der Angabe der Steuernummer kann dies nicht entnommen werden. Sie bietet keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der verschlossene Briefumschlag mehrere Schriftstücke enthält, und kann auch nicht auf ein einzelnes Schriftstück allein bezogen werden.

Im Streitfall reicht die Angabe der Steuernummer auf dem Briefumschlag, ergänzt um das finanzamtsinterne Stellenzeichen ,,- II/1 -", ebenfalls nicht zur hinreichenden Kennzeichnung der Sendung aus. Auch bei der Übersendung eines einzigen Schriftstücks in einem Briefumschlag kann wegen der gebotenen Gewähr für die Nämlichkeit und den unveränderten Inhalt der Postsendung nicht auf einen Hinweis auf den Inhalt der Sendung verzichtet werden (vgl. BFH-Urteile vom 17. Oktober 1984 I R 167/81, BFHE 142, 108, BStBl II 1985, 74, und vom 24. November 1983 V R 185/ 81 - amtlich nicht veröffentlicht -).

Der Briefumschlag sagt im Streitfall nichts darüber aus, welches Schriftstück zugestellt worden ist. Erkennbar ist zwar das finanzamtsinterne Stellenzeichen ,,- II/1 -". Damit wird aber anders als etwa mit dem Zusatz ,,RbSt" oder der Rechtsbehelfslistennummer (BFH-Urteil vom 11.Dezember 1985 I R 352/83, BFH/NV 1986, 644) nicht das zuzustellende Schriftstück, sondern vielmehr der zuständige Sachbearbeiter der nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG zu bezeichnenden Dienststelle konkretisiert. Der Zusatz ,,- II/1 -" läßt weder auf die Zusendung einer Einspruchsentscheidung noch auf einen sonstigen Schriftwechsel im Laufe des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens schließen. Die bloße Mitteilung der Steuernummer vom 16. März 1984 enthielt bereits ebenfalls den Zusatz ,,- II/1 -".

Die Unwirksamkeit der Zustellung nach § 3 VwZG hat nicht zur Folge, daß die Einspruchsentscheidung selbst unwirksam ist. Sie führt nur dazu, daß der Lauf der Klagefrist nicht beginnt (BFHE 94, 202, BStBl II 1969, 151).

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 701

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