Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterzeichnung einer Vollmacht mit nur einem Namen eines Doppelnamens - hinreichende Konkretisierung einer Vollmacht - keine erneute Vorlage einer Vollmacht im Revisionsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Unterzeichnung einer Prozeßvollmacht mit einem der beiden Namen eines Doppelnamens ist formwirksam, wenn diese Unterzeichnung sich deutlich von einer Paraphe unterscheidet und sicher ist, daß die Unterschrift von dem betreffenden Prozeßbeteiligten stammt.

 

Orientierungssatz

1. NV: Ein Prozeßbevollmächtigter kann eine ansonsten ordnungsgemäße Vollmachtsurkunde, die kein Datum der Unterschriftsleistung und keine Hinweis auf das konkrete gerichtliche Verfahren enthält, dadurch ausreichend konkretisieren, daß er sie einem Schriftsatz in dem gerichtlichen Verfahren beiheftet (Festhaltung an BFH-Urteil vom 15.3.1991 III R 112/89).

2. NV: Hat der Prozeßbevollmächtigte im Klageverfahren eine Vollmacht vorgelegt, die nicht auf den ersten Rechtszug beschränkt ist, sondern sich umfassend auf die Vertretung vor allen Gerichten sowie auf die Einlegung von gerichtlichen Rechtsmitteln erstreckt, ist die Vorlage einer besonderen Vollmacht für das Revisionsverfahren nicht erforderlich.

3. Parallelentscheidung: BFH, 20.9.1991, III R 117/89, NV.

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 3 S. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhob durch ihren Prozeßbevollmächtigten Klage wegen der Einkommensteuer für das Streitjahr (1987), mit der sie die Gewährung eines höheren Kinderfreibetrages begehrte.

++/ Der Klageschrift war eine schriftliche Prozeßvollmacht beigeheftet. Die Vollmachtsurkunde weist folgende Besonderheiten auf: - In der linken oberen Ecke ist der Text: "Name der/des Vollmachtgeber/s" aufgedruckt. Eine entsprechende Angabe ist hier nicht erfolgt.

- Eine Datumsangabe fehlt.

- Der allgemeine Teil hat folgenden Wortlaut: "Ich/wir bevollmächtige/n ...

(Name, Anschrift, Telefonnummer des Prozeßbevollmächtigten) ... mich/uns in meinen/unseren Steuer- und Buchführungsangelegenheiten sowie in Sachen Minderung der Erwerbsfähigkeit vor allen Gerichten, Finanzämtern, Steuer- und sonstigen Behörden sowie Versorgungsämtern und Gesundheitsämtern zu vertreten, gerichtliche und außergerichtliche Rechtsbehelfe abzuschließen, sonstige verbindliche Erklärungen abzugeben und rechtsverbindliche Unterschrift zu leisten. Die Vollmacht gilt u.a. für das Festsetzungs- und Erhebungsverfahren der Finanzämter (Merker 21), für das Einheitswertverfahren sowie für das Steuerstrafverfahren. ..."

- Anschließend wird die Möglichkeit der Unterbevollmächtigung eingeräumt und eine Zustellvollmacht bestellt. Abschließend ergeht die Aufforderung, Rückfragen ausschließlich an den Bevollmächtigten zu richten.

- In der rechten unteren Ecke ist Platz für die Unterschrift des Vollmachtgebers vorgesehen. Die entsprechende Zeile weist hier die Unterschrift mit dem zweiten Namensteil des Doppelnamens der Klägerin auf.

Das Finanzgericht (FG) forderte den Prozeßbevollmächtigten auf, eine datierte Vollmacht einzureichen, die den Vollmachtgeber und den Bezug auf ein konkretes gerichtliches Verfahren erkennen lasse. Da der Prozeßbevollmächtigte hierauf nicht reagierte, setzte ihm der Berichterstatter des FG gemäß Art.3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) eine Frist für die Einreichung einer ordnungsgemäßen Vollmacht. Der Prozeßbevollmächtigte wurde darauf hingewiesen, daß die vorzulegende Vollmacht den Anforderungen entsprechen müsse, die der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Beschluß vom 9.Februar 1988 III R 180/82 (BFH/NV 1988, 509) an eine wirksame Prozeßvollmacht gestellt habe. Der Prozeßbevollmächtigte teilte hierzu mit, daß er die mit der Klageschrift vorgelegte Vollmacht als ordnungsgemäß ansehe. /++

Das FG wies die Klage als unzulässig ab, weil keine ordnungsgemäße Vollmacht vorgelegt worden sei. Es vertrat die Auffassung, daß sich die Person der Vollmachtgeberin nicht zweifelsfrei aus der Urkunde ergebe. Da die Klägerin als Familiennamen einen Doppelnamen führe, sei die Verwendung nur eines dieser beiden Namen bei der Unterschriftsleistung nicht ausreichend, um die Identität der Vollmachtgeberin zweifelsfrei zu bestimmen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß die Klägerin in einem Parallelverfahren vor dem FG eine Vollmacht vorgelegt habe, die den anderen der beiden Einzelnamen der Klägerin aufweise.

++/ Außerdem vertrat das FG die Auffassung, daß eine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht eindeutig erkennen lassen müsse, welche Prozeßhandlungen der Bevollmächtigte vornehmen dürfe. Sie müsse sich dabei, sofern keine Generalvollmacht vorliege, auf das konkrete gerichtliche Verfahren beziehen. Daran fehle es im Streitfall. Um eine Generalvollmacht handele es sich bei der vorgelegten Urkunde schon deshalb nicht, weil der Prozeßbevollmächtigte in den dem Streitzeitraum vorangehenden Veranlagungszeiträumen jeweils zusammen mit den Einkommensteuererklärungen der Klägerin dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) Vollmachtsurkunden mit dem gleichen Text wie im Klageverfahren vorgelegt habe. Für das Streitjahr habe der Prozeßbevollmächtigte gleichfalls bereits zusammen mit der Einkommensteuererklärung beim FA eine Vollmachtsurkunde mit gleichem Inhalt eingereicht wie im Klageverfahren. Daraus könne nur der Schluß gezogen werden, daß der Prozeßbevollmächtigte selbst keine dieser Vollmachten als Generalvollmacht, sondern offensichtlich nur als Bevollmächtigung für jeweils einen Veranlagungszeitraum angesehen habe. /++

Hiergegen richtet sich die vom BFH zugelassene Revision der Klägerin. ++/ Die Klägerin macht geltend, daß die im Klageverfahren vorgelegte Vollmacht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Vollmacht entspreche. Sie lasse nämlich im Wege der Auslegung nicht nur erkennen, wer wen bevollmächtigt habe, sondern auch, wozu bevollmächtigt worden sei. Der namentlich benannte Prozeßbevollmächtigte sei in der Urkunde u.a. ermächtigt worden, sie --die Klägerin-- in ihren Steuerangelegenheiten vor allen Gerichten zu vertreten. Der konkrete Bezug zum Streitfall ergebe sich schon daraus, daß die Vollmacht einem Schriftsatz beigeheftet gewesen sei, in dem zum einen der Rechtsstreit genau bezeichnet und zum anderen auf die anliegende Vollmacht hingewiesen worden sei. /++

Die Klägerin beantragt festzustellen, daß die Klage zulässig sei. Dieser Antrag ist sinngemäß dahin auszulegen, daß die Aufhebung des angegriffenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das FG begehrt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

++/ Die Revision ist zulässig.

Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat zwar für das Revisionsverfahren ebenso wie für die vorausgegangene Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision keine besondere Vollmacht vorgelegt. Die im Klageverfahren eingereichte Vollmachtsurkunde ermächtigt den Prozeßbevollmächtigten aber sowohl zur Durchführung des Klageverfahrens als auch zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen das Urteil des FG. Sie ist nicht auf den ersten Rechtszug beschränkt, sondern erstreckt sich umfassend auf die Vertretung vor allen Gerichten sowie auf die Einlegung von gerichtlichen Rechtsmitteln. /++

Die Revision ist ++/ auch /++ begründet. Das FG hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Die im Klageverfahren vorgelegte Vollmachtsurkunde genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht.

Nach der Rechtsprechung des BFH muß eine ordnungsgemäße Vollmacht erkennen lassen, wer bevollmächtigt hat, wer bevollmächtigt ist und wozu bevollmächtigt wurde (Urteile vom 17.Juli 1984 VIII R 20/82, BFHE 141, 463, BStBl II 1984, 802, und vom 10.März 1988 IV R 218/85, BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731, sowie Beschlüsse des erkennenden Senats vom 28.September 1987 III B 100/86, BFH/NV 1988, 183, und in BFH/NV 1988, 509). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 62 Anm.55 m.w.N.).

Die Auslegung ergibt, daß die Vollmacht eindeutig von der Klägerin stammt. Entgegen der Auffassung des FG bestehen daran keine berechtigten Zweifel, obwohl die einen Doppelnamen führende Klägerin nur mit einem dieser beiden Namen, d.h. nur mit einem Namensteil, unterschrieben hat. Die Klägerin hat nämlich auch ihre Steuererklärung und die von ihrem Prozeßbevollmächtigten bereits im Veranlagungsverfahren für das Streitjahr zusammen mit der Einkommensteuererklärung vorgelegte Vollmachtsurkunde nur mit diesem Namensteil unterschrieben. Alle diese Unterschriften stimmen nach ihrem äußeren Erscheinungsbild in den Schriftzügen in wesentlichen überein. Aufgrund dieses Vergleiches der Unterschriften ist davon auszugehen, daß die im Klageverfahren vorgelegte Vollmacht von derselben Person wie die Steuererklärung und die im Veranlagungsverfahren vorgelegte Vollmacht unterschrieben worden ist. Darüber, daß die Unterschrift unter der Steuererklärung von der Klägerin stammt, besteht kein Streit. Daraus folgt, daß dies bei der Unterschrift unter die im Klageverfahren vorgelegte Vollmachtsurkunde ebenfalls der Fall sein muß. Der Senat kann diese Auslegung selbst vornehmen, da die Ordnungsmäßigkeit der Prozeßvollmacht zu den Sachentscheidungsvoraussetzungen gehört (BFH-Urteil in BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731).

Die Unterschrift nur mit dem zweiten Teil des Doppelnamens der Klägerin führt auch nicht etwa deshalb zur Unwirksamkeit der Vollmacht, weil für eine eigenhändige Unterschrift unter einen bestimmenden Schriftsatz in einem Klageverfahren ein individueller Schriftzug erforderlich ist, der sich als voller bürgerlicher Name darstellt. Diese Anforderungen gelten zwar auch für eine schriftliche Prozeßvollmacht. Eine Unterschrift, bei der nur ein Buchstabe oder überhaupt kein Buchstabe leserlich ist, oder eine bloße Paraphe genügen daher nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterschrift unter eine Vollmacht (vgl. Beschlüsse des BFH vom 14.Januar 1972 III R 88/70, BFHE 104, 497, BStBl II 1972, 427; vom 8.März 1984 I R 50/81, BFHE 140, 424, BStBl II 1984, 445; vom 16.Januar 1986 III R 50/84, BFHE 147, 199, BStBl II 1986, 489 und 856; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 7.Januar 1959 2 Str 550/58, BGHSt 12, 317; Beschluß des BGH vom 11.Oktober 1984 X ZB 11/84, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1985, 1227). Damit soll aber nur gewährleistet werden, daß keinerlei Zweifel an der Identität des Unterzeichners bestehen und daß es sich auch nicht um eine Abzeichnung (Paraphe) handelt, die lediglich für den internen Betrieb des Unterzeichners bestimmt ist. Die Unterzeichnung einer Prozeßvollmacht mit einem der beiden Namen eines Doppelnamens ist daher formwirksam, wenn diese Unterzeichnung sich deutlich von einer Paraphe unterscheidet und sicher ist, daß die Unterschrift von dem jeweiligen Prozeßbeteiligten stammt (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts --BAG-- vom 15.Dezember 1987 3 AZR 606/87, Der Betrieb --DB-- 1988, 920; Beschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 20.Juli 1989 3 Ws 575/89, NJW 1989, 3030; vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8.März 1988 1 BvL 9/85, und 1 BvL 43/86, NJW 1988, 1577, wonach bei Doppelnamen keine starre Pflicht zur Führung beider Namensteile besteht). Diese Erfordernisse sind im Streitfall erfüllt.

++/ Aus der im Streitfall vorgelegten Vollmachtsurkunde ergibt sich ferner, daß der in der Urkunde mit Namen, Adresse und Telefonnummer angegebene Prozeßbevollmächtigte als derjenige ausgewiesen ist, auf den sich die Vollmacht bezieht. Entgegen der Auffassung des FG läßt sich auch durch Auslegung ermitteln, daß die Vollmacht zur Durchführung des Klageverfahrens ermächtigt. Die Vollmachtsurkunde hat durch Beiheftung zur Klageschrift (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731) einen genügend konkreten Bezug zum vorliegenden Rechtsstreit erhalten. Dies hat der erkennende Senat mit Urteil vom 15.März 1991 III R 112/89 (BFHE 164, 210, BStBl II 1991, 726) in einem im wesentlichen gleichgelagerten Fall eingehend begründet. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf dieses Urteil Bezug genommen.

Aus im wesentlichen gleichen Gründen wie in diesem Urteil bestehen keine berechtigten Zweifel daran, daß die vorgelegte Vollmachtsurkunde der dem Prozeßbevollmächtigten tatsächlich erteilten Ermächtigung entspricht. Die Urkunde deckt sich mit der bereits im Veranlagungsverfahren für das Streitjahr zusammen mit der Einkommensteuererklärung beim FA eingereichten schriftlichen Vollmacht. Außerdem hat die Klägerin in Veranlagungszeiträumen vor dem Streitjahr entsprechend umfangreiche Vollmachten erteilt. Es besteht daher kein Anlaß, im vorliegenden Streitfall an der Berechtigung des Prozeßbevollmächtigten zur Prozeßführung zu zweifeln. /++

Da das FG zu Unrecht die Ordnungsmäßigkeit der Vollmacht und damit eine Sachentscheidungsvoraussetzung verneint hat, ist das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG muß nunmehr zunächst in der Sache entscheiden.

 

Fundstellen

BStBl II 1992, 300

BFHE 166, 103

BB 1992, 347 (L)

DB 1992, 562 (L)

DStR 1992, 251 (KT)

HFR 1992, 246 (LT)

WPg 1992, 324 (S)

StRK, R.78 (LT)

Information StW 1992, 188 (ST)

BuW 1993, 155-156 (KT)

WiR 1992, 153 (L)

ZAP, EN-Nr 301/92 (S)

SGb 1992, 502 (L)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge