Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zurechnung zu einer der Grundstückshauptgruppen im Sinne von § 32 BewDV ist allein nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Merkmalen zu entscheiden. Die Frage, ob das Grundstück zum Betriebsvermögen gehört, ist unabhängig von der Eingruppierung nach § 3 Abs. 1 BewDV nach § 57 BewG zu beurteilen.

Ruhen die Dachstützen eines Bauwerkes (Schuppen) auf in die Erde eingelassenen Zementsockeln, so ist das Bauwerk mit dem Grund und Boden fest verbunden und ein Gebäude; auf die Tiefe der Fundamentierung kommt es nicht an.

 

Normenkette

BewG § 50 Abs. 1, 3, § 57 Abs. 2, §§ 68, 70/1, § 70/3, § 99/2; BewDV § 32; BewG § 75

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige ist Eigentümerin einer Ziegelei die auf fremdem Grund und Boden betrieben wird, und deren Einheitswert auf den 1. Januar 1935 nach dem 11,5-fachen einer angenommenen Jahresrohmiete von 740 RM mit 8.500 RM festgestellt war. Das Finanzamt schrieb diesen Einheitswert zum 1. Januar 1948 unter Zugrundelegung einer Jahresrohmiete von 2.400 RM auf 27.600 RM fort, da zwischenzeitlich Neubauten, Umbauten und eine Aufstockung des ursprünglich vorhanden gewesenen Gebäudes erfolgt waren. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Im Verfahren vor dem Finanzgericht beantragte das Finanzamt, das Ziegeleigrundstück, da es zu mehr als der Hälfte betrieblichen Zwecken diene, nach dem Sachwertverfahren zu bewerten. Es errechnete auf Grund einer durch Sachverständige der Oberfinanzdirektion vorgenommenen Besichtigung und dementsprechend durchgeführten Wertberechnung den Einheitswert auf den 1. Januar 1948 danach mit 14.500 RM. In diesem sind die vier vorhandenen Lufttrockenschuppen der Ziegelei enthalten.

Das Finanzgericht hat den Einheitswert auf 10.300 RM festgestellt. Es geht davon aus, gemäß § 57 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) sei das gesamte Grundstück als Betriebsgrundstück anzusehen, da es zu mehr als der Hälfte seines Wertes dem gewerblichen Betriebe diene. Demgemäß sei es nach § 52 Abs. 1 BewG, § 33 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Bewertungsgesetz (BewDV) nicht nach einem Vielfachen der Jahresrohmiete, sondern mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Mit Recht sei daher für die Bewertung das Sachwertverfahren anzuwenden. Die Lufttrockenschuppen seien Betriebsvorrichtungen. Es seien langgestreckte Bauwerke mit einem mit Ziegeln gedeckten Giebeldach auf Holzstützen, die auf Steinsockeln ruhten. Die Trockengerüste aus Holz seien mit der übrigen Holzkonstruktion durch Sparrennägel verbunden. Ein Herausbauen der Trockengerüstkonstruktion hätte mit großer Wahrscheinlichkeit zur Folge, daß die Trockengerüste zerstört oder beschädigt würden; darüber hinaus würde voraussichtlich auch eine Beschädigung der Tragekonstruktion eintreten. Mit Rücksicht insbesondere auf die Breite der Schuppen komme eine Verwendung für andere Zwecke als zum Trocknen von Ziegeln, beispielsweise zur Lagerung von Holz und dergleichen in Betracht. Die Verwendungsmöglichkeit für anderweitige Zwecke werde jedoch durch die geringe Bauhöhe in erheblichem Umfange behindert. Der Stützenabstand sei unter Berücksichtigung von zweckmäßigen und üblichen Durchgangs- und Trockengestellbreiten auf die Zweckbestimmung, nämlich die Verwendung als Trockenschuppen, abgestimmt. Wenn zwar auch gewisse Merkmale für das Vorliegen von Gebäuden - nämlich von "offenen Hallen" im Sinne des Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 4. Mai 1940 - sprächen, so sei zu berücksichtigen, daß die Verwendung zu anderen Zwecken als zum Trocknen von Ziegeln mit Schwierigkeiten verbunden wäre und auf jeden Fall erhebliche bauliche Veränderungen verlangen würde.

Die Steuerpflichtige hat Rb., der Vorsteher des Finanzamts Anschlußbeschwerde eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

Rb. und Anschlußbeschwerde führen zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Bfin. kann nicht in der Ansicht zugestimmt werden, eine Fortschreibung sei wegen langen Zuwartens des Finanzamts unzulässig. Ausweislich der Akten hat das Finanzamt im Jahre 1945 zwar eine Mitteilung des Baupolizeiamts über die Schaffung von "2 Wohnungen für Bombengeschädigte in Größe und an Stelle von Behelfsheimen" erhalten; darin waren die Baukosten mit 2.200 RM angegeben. Die Kenntnis von dem wirklichen Umfang der Arbeiten erhielt das Finanzamt aber erst durch die Betriebsprüfung im Jahre 1954. Hiernach hat sich das Finanzamt unverzüglich mit einem Fragebogen an die Steuerpflichtige gewandt und die Fortschreibung durchgeführt, so daß von einem grundlos langen Warten keine Rede sein kann.

Die in der Berufung vom Finanzamt beantragte und vom Finanzgericht gebilligte Bewertung nach dem Sachwertverfahren kann nicht gebilligt werden. Nach § 32 Abs. 1 Ziff. 2 BewDV sind Geschäftsgrundstücke nur solche bebauten Grundstücke, die zu mehr als 80 v. H. unmittelbar eigenen oder fremden gewerblichen Zwecken dienen. Die Ermittlung des Vomhundertsatz erfolgt nach § 32 Abs. 2 BewDV nach dem Verhältnis der Jahresrohmiete. Bei der Größe des Wohnbaues und nach dem Inhalte der Akten ergibt sich schon bei überschläglicher Rechnung, daß der gewerblich genutzte Teil des Grundstückes 80 v. H. nicht erreicht. Die Berufung auf § 57 Abs. 2 BewG zur Ermittlung der Grundstücksgruppe ist rechtsirrtümlich. § 57 Abs. 2 BewG befaßt sich nur mit der Frage, ob ein Grundstück Betriebsgrundstück ist oder nicht. Die Eingliederung eines bebauten Grundstückes in eine der Grundstückshauptgruppen hat nichts mit der Frage seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Vermögensart zu tun (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III A 261/37 vom 21. Oktober 1937, RStBl 1938 S. 275). Ein bebautes Grundstück kann zu einem gewerblichen Betrieb gehören, ohne daß es als "Geschäftsgrundstück" bewertet wird. Das Finanzgericht irrt darum, wenn es eine Bewertung als Geschäftsgrundstück vornimmt, weil "es zu mehr als der Hälfte seines Wertes dem gewerblichen Betrieb" diene. Die hier bewertete Einheit ist vielmehr ein gemischtgenutztes Grundstück und gemäß § 33 BewDV mit dem Vielfachen der Jahresrohmiete zu bewerten. Besondere Gründe, die ausnahmsweise eine Bewertung nach dem Sachwertverfahren erforderten (ß 33 Abs. 3 BewDV), sind nicht erkennbar.

Das Finanzgericht wird nach der Zurückverweisung aber die Frage zu prüfen haben, ob es sich bei den zu bewertenden Gebäuden um eine oder mehrere Einheiten im Sinne des § 2 BewG handelt. Es wäre denkbar, daß hierbei die von der Steuerpflichtigen für eigene Wohnzwecke genutzten oder als Wohnung vermieteten Gebäude von der Ziegelei getrennte Einheiten darstellen, die zu verschiedenen Grundstückshauptgruppen gehören.

Da der Steuerpflichtigen der Grund und Boden nicht gehört, können ihr nach § 50 Abs. 3 BewG nur Gebäude zugerechnet werden. Betriebsvorrichtungen sind keine Gebäude. Der Vorinstanz kann nicht in der Ansicht gefolgt werden, daß die Lufttrockenschuppen als Betriebsvorrichtungen anzusehen sind. Bauwerke können nur dann als Betriebsvorrichtungen behandelt werden, wenn sie nicht die Begriffsmerkmale eines Gebäudes erfüllen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 434/58 S vom 24. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 228, Slg. Bd. 72 S. 621). Ein Gebäude ist ein Bauwerk, das Menschen, Tieren oder Sachen durch räumliche Umfriedung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt und mit dem Grund und Boden fest verbunden ist, wobei der Einzelfall nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen ist. Außerdem ist zu fordern, daß Menschen in das Bauwerk nicht nur eintreten, sondern sich darin auch aufhalten können, und daß die räumliche Umschließung eine ausreichende Standfestigkeit haben muß.

Unstreitig sollen die in Rede stehenden Trockenschuppen Ziegel oder auch andere Gegenstände vor Witterungseinflüssen schützen. Für den Begriff der räumlichen Umschließung genügt es, daß eine überdachung vorhanden ist, selbst wenn durchgehende Außenmauern teilweise oder an allen Seiten fehlen (vgl. für Bahnsteighallen Urteil des Reichsfinanzhofs III 212/39 vom 10. Oktober 1940, RStBl 1941 S. 205).

Auch die feste Verbindung mit dem Grund und Boden ist gegeben. Die Schuppen haben einen umbauten Raum von 126, 252, 270 und 378 cbm und sind durch das Gewicht der Dachkonstruktion und der darauf ruhenden Ziegel so schwer, daß sie schon vermöge ihres Eigengewichts trotz fehlender Seitenwände als mit dem Grund und Boden fest verbunden angesehen werden können. Die Dachstützen ruhen nach den vorgelegten Lichtbildern auf in die Erde eingelassenen Zementsockeln, die mit dem Grund und Boden fest verbunden sind. Entscheidend ist, daß diese Sockel mit dem Grund und Boden fest verbunden sind; das ist zu bejahen, weil sie für die Träger des Daches als Fundamente angesehen werden müssen. Auf die Tiefe der Fundamentierung kommt es nicht an (Urteil des Reichsfinanzhofs III A 1295/30 vom 30. Juli 1931, RStBl 1931 S. 840). Wenn die Stützen mit den Zementsockeln nicht unlösbar verbunden sind, so schließt dies wegen der Standfestigkeit durch das Eigengewicht die feste Verbindung nicht aus. Die Auffassung, daß die feste Verbindung nur durch ein im Boden ruhendes Mauerwerk hergestellt werden könne, hat der Bundesfinanzhof als zu eng abgelehnt (Urteil III 5/53 S vom 24. April 1953, BStBl 1953 III S. 156, Slg. Bd. 57 S. 397). Auch bei einer Holzbaracke auf Zementsockel ist eine feste Verbindung mit dem Boden anzunehmen (Urteil des Bundesfinanzhofs II 250/51 U vom 9. April 1952, BStBl 1952 III S. 137, Slg. Bd. 56 S. 351). Das gilt selbst dann, wenn die Baracke mit dem Fundament nicht unmittelbar durch besondere Haltevorrichtungen verbunden ist, sondern nur infolge ihrer eigenen Schwere auf dem Fundament ruht (Urteil des Bundesfinanzhofs II 44/53 U vom 3. März 1954, BStBl 1954 III S. 130, Slg. Bd. 58. S. 575). Ist zum Beispiel eine Baracke durch eingerammte Holzpfähle gestützt, so ist ebenfalls eine feste Verbindung mit dem Grund und Boden gegeben (Urteil des Bundesfinanzhofs II 121/55 U vom 22. Juni 1955, BStBl 1955 III S. 226, Slg. Bd. 61 S. 75). Eine andere Beurteilung käme nur in Frage, wenn das Bauwerk lose auf dem Erdboden aufläge, wie z. B. transportable nicht fundamentierte Wellblechgaragen oder schwimmende, wenn auch verankerte Bootshäuser.

Die Sache geht daher an das Finanzgericht zurück. Dieses hat unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zu prüfen, ob die vom Finanzamt vorgenommene Fortschreibung gerechtfertigt ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410355

BStBl III 1962, 121

BFHE 1962, 315

BFHE 74, 315

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