Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Berufsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 140 Abs. 1 FGO ist § 7 GKG auch auf das Finanzgerichtsverfahren anwendbar.

Verfahrensrechtlich gehört die Nichterhebung der Kosten nach § 7 GKG zum Kostenansatzverfahren.

Derjenige, der gegen den auf die Erinnerung ergehenden Beschluß des FG Beschwerde einlegt, hat im Falle seines Unterliegens nach § 135 Abs. 2 FGO die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 1, §§ 147-148; GKG § 4 Abs. 1, § 7 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Bf. begehrt, ihm die bei dem Finanzgericht (FG) angesetzten Gerichtskosten zu erlassen.

Der Bf. hatte wegen der Veranlagung zur Vermögensabgabe, wegen Stundung und Erlasses der Vierteljahrsbeträge der Vermögensabgabe und wegen Herabsetzung der Vierteljahrsbeträge nach § 55 c LAG Einspruch, Berufung und Rb. eingelegt. Nur soweit er Stundung und Erlaß begehrte, hatte er im Einspruchs- und darüber hinaus im Berufungsverfahren zum Teil Erfolg. Im übrigen blieben die Rechtsmittel in allen Instanzen erfolglos. Nach den Urteilen des Senats III 232/64, III 233/64 und III 234/64 vom 28. Oktober 1965 hat der Bf. die Kosten der jeweiligen Rb. zu tragen. Nach den vorangegangenen Urteilen des FG II 8/64 und II 106/64 vom 20. August 1964 fallen dem Bf. die Kosten des Verfahrens zur Last. Nach dem FG-Urteil II 7/64 vom 20. August 1964 haben der Bf. und das Land die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen. Die dem Bf. zur Last fallenden Rechtsmittelgebühren und Auslagen des Gerichts sind nach diesem Urteil gemäß § 314 AO a. F. nicht zu erheben.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des FG hat die Kosten, die der Bf. für die gerichtlichen Instanzen in allen drei Verfahren zu tragen hat, auf insgesamt 612,50 DM festgesetzt. Die Kostenrechnung wurde dem Bf. durch das Finanzamt (FA) zugeleitet.

Der Bf. begehrte darauf Erlaß dieser Kosten nach § 7 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Er trug vor, er habe sich in einem entschuldbaren rechtlichen Irrtum befunden. Er machte weiter geltend, seine Einkünfte seien gering; er müsse einen noch studierenden, verheirateten Sohn unterhalten. Die Zahlung der Gerichtskosten sei deshalb für ihn unzumutbar.

Das FG hielt den Antrag im wesentlichen für unbegründet. Es führte aus, der Urkundsbeamte habe bei der Kostenfestsetzung übersehen, daß für das Verfahren des FG II 7/64 Gebühren und Auslagen des FG nicht zu erheben seien. Deshalb seien die hierfür angesetzten Gebühren von insgesamt 18 DM nach § 7 Abs. 1 GKG nicht anzufordern.

Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 3 GKG lägen dagegen nicht vor. Der Bf. habe trotz zutreffender und ausführlicher Begründungen der Einspruchsentscheidung und der FG-Urteile die Verfahren bis zum BFH getrieben. Er könne nach der eingehenden Erörterung der Rechtslage durch das FA und das FG nicht mehr in "Unkenntnis der rechtlichen Verhältnisse" gehandelt haben. Daß die Streitwertgrenze für die Rb. im Verfahren II 7/64 nicht erreicht worden sei, sei außerdem leicht zu erkennen gewesen.

Soweit der Bf. Billigkeitsgründe (geringes Einkommen, Unterhaltspflicht gegenüber dem Sohn) geltend mache, bestehe für das Gericht keine Möglichkeit für einen Gerichtskostenerlaß. Ob Verwaltungsstellen Kosten eines steuergerichtlichen Verfahrens erlassen könnten, sei hier nicht zu entscheiden.

Das FG belehrte den Bf., daß gegen seinen Beschluß die Beschwerde zulässig sei, wenn der Streitwert 50 DM übersteige.

Die Vorinstanzen teilte dem Bf. in einem Begleitschreiben zum Beschluß noch mit, es bestehe keine gesetzliche Regelung, wer über den Erlaß der Gerichtskosten aus Billigkeitsgründen zu entscheiden habe. Es sei zu erwarten, daß diese Entscheidung künftig der Präsident des FG zu treffen habe. Ihm sei deshalb auch der Antrag des Bf. vorgelegt worden.

Mit der Beschwerde bittet der Bf., die Gerichtskosten nach § 7 Abs. 1 Satz 3 GKG zu erlassen, unbeschadet einer späteren Entscheidung über den Erlaßantrag aus Billigkeitsgründen. Er trägt vor, die rechtlichen Verhältnisse seines besonderen Falles seien verworren und schwierig gewesen. Die Unübersichtlichkeit sei durch Verfahrensfehler, unkorrekte Amtshandlungen und Verzögerungen in der Erledigung seiner Eingaben durch das FA entstanden. Er sei Laie und rechtsunkundig. Sein geringes Einkommen habe es ihm nicht gestattet, sich eines Rechtsberaters zu bedienen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig. Nach § 140 Abs. 1 FGO findet auf die Gerichtskosten das GKG sinngemäße Anwendung, soweit die FGO nicht etwas anderes bestimmt. Mangels einer anderen Regelung ist daher § 7 GKG sinngemäß anzuwenden. Dies trifft zumindest auf Fälle zu, in denen - wie hier - der Antrag auf Gerichtskostenerlaß nach dem 31. Dezember 1965 (Inkrafttreten der FGO) gestellt wurde.

Verfahrensrechtlich gehört die Nichterhebung der Kosten nach § 7 GKG zum Kostenansatzverfahren (vgl. Lauterbach, Kostengesetze, 15. Auf.., § 7 Anm. 1; Mielke, Kommentar zum Gerichtskostengesetz, § 7 Anm. 1; Drischler, Kommentar zum Gerichtskostengesetz, 2. Aufl., § 7 Anm. 8). Ist die Kostenrechnung dem Kostenschuldner bereits zugegangen, ist der Antrag nach § 7 GKG als Erinnerung gegen den Kostensatz zu behandeln (vgl. Lauterbach, a. a. O., § 7 Anm. 5 A; Mielke, a. a. O., § 7 Anm. 7; Drischler, a. a. O.). Deshalb war das FG auch für die Entscheidung über die Nichterhebung der bei ihm angesetzten Gerichtskosten (§ 147 FGO) - selbst soweit sie Gerichtskosten betraf, die in der Rechtsbeschwerdeinstanz entstanden - zuständig (§ 148 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 FGO). Der Beschluß über die Erinnerung eines Kostenschuldners ist grundsätzlich unanfechtbar, es sei denn, daß das Gericht die Beschwerde zugelassen hat (§ 148 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz FGO). Im Streitfall hat das FG die Beschwerde, wie aus der Rechtsmittelbelehrung zu ersehen ist, zugelassen.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 GKG kann von der Erhebung der Kosten für "abweisende Bescheide" abgesehen werden, "wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht". Unter "abweisende Bescheide" sind dabei verwerfende und zurückweisende Entscheidungen jeder Art und jeder Form zu verstehen (vgl. Lauterbach, a. a. O., § 7 Anm. 4 A; Mielke, a. a. O., § 7 Anm. 5), so daß auch die bereits oben zitierten, gegen den Bf. ergangenen FG- und BFH-Urteile darunterfallen.

§ 7 Abs. 1 Satz 3 GKG gibt dem Gericht die Möglichkeit, von der Kostenerhebung nach pflichtgemäßen Ermessen abzusehen (vgl. Lauterbach, a. a. O.). Insoweit stimmt diese Vorschrift mit § 319 Abs. 1 AO a. F. überein, der als Ermessenstatbestand angesehen wurde (vgl. BFH-Urteile III 207/57 U vom 13. Juni 1958, BFH 67, 219, BStBl III 1958, 356; I 385/60 vom 18. September 1963, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 319, Rechtsspruch 9; Mattern-Messmer, Reichsabgabenordnung, Tz. 2523). Die Vorentscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten kann folglich nur darauf überprüft werden, ob eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensfehlgebrauch des FG vorliegt (vgl. auch BFH-Urteil I 385/60, a. a. O.). Das ist nicht der Fall. Die Entscheidung des FG hält sich innerhalb der vom Gesetz (§ 7 Abs. 1 Satz 3 GKG) zugezogenen Grenzen. Die Vorentscheidung weist darauf hin, daß der Bf. durch die Einspruchsentscheidung des FA über die Rechtslage unterrichtet gewesen war. Sie betont weiter, das FG habe in seinen drei Urteilen die Rechtslage eingehend erörtert, weshalb sie dem Bf. vor Einlegung der Rbn. nicht unbekannt gewesen sein könne. Die Vorentscheidung führt darüber hinaus aus, der Bf. hätte leicht erkennen können, daß der Streitwert im FG-Verfahren II 7/64 für die Statthaftigkeit der Revision nicht ausreiche. Diese Beurteilung steht in übereinstimmung mit der Rechtsprechung und dem Schrifttum zu § 7 GKG, wonach eine vorherige Belehrung über die rechtlichen Verhältnisse die Unkenntnis dieser Verhältnisse ausschließt. Eine solche Belehrung ist regelmäßig gegeben bei Zurückweisung oder Verwerfung durch die Vorinstanz (vgl. BFH- Beschluß V 8/64 vom 7. Juli 1966, BFH 86, 502, BStBl III 1966, 565; Lauterbach, a. a. O., § 7 Anm. 4 B; ebenso schon zu § 319 AO a. F.; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, 2 Aufl., § 319 Anm. 2 b). Sie ist auch in der Rechtsmittelbelehrung im Zusammenhang mit dem Streitwertbeschluß in der FG-Sache II 7/64 zu sehen. Der Bf. konnte aus diesen Umständen entnehmen, daß die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist. Er mußte also auch mit einem für ihn ungünstigen Ausgang der Verfahren rechnen. Es ist aber nicht Sinn des § 7 Abs. 1 Satz 3 GKG, der unterliegenden Partei das mit dem Prozeß verbundene Risiko abzunehmen. Nur in solchen Fällen, in denen der Prozeß aus unverschuldeter Unkenntnis der Rechtslage geführt worden ist, könnten die Kosten erlassen werden. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn die Rechtslage zweifelhaft, wenn die Zweifelhaftigkeit erkennbar ist und wenn sie - wie es hier offenbar der Fall war - auch erkannt wurde (vgl. Beschluß V 8/64, a. a. O.). Wenn der Bf. demgegenüber darauf hinweist, durch Verfahrensfehler und unrichtige Amtshandlungen des FA sei ihm die übersicht verlorengegangen, kann er damit keinen Erfolg haben. Bei dem vom FG in der Sache II 7/64 auf Seite 5 festgestellten Rechtsirrtum des FA und der auf Seite 9 dieses Urteils gerügten unrichtigen Rechtsmittelbelehrung durch das FA, worauf der Bf. hier hinweist, handelt es sich um Unrichtigkeit, die die Entscheidung über die Rechtsmittel, um deren Kostenerlaß es hier geht, nicht beeinflußt haben. Das trifft ganz besonders auch auf die vom Bf. behaupteten Verfahrensfehler und Rechtsirrtümer des FA im Verfahren betreffend die Erstattung von Vermögensteuer, Einkommensteuer, Kirchensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1946 bis I/1948 zu. Diese angeblichen Fehler des FA können beim Bf. nicht die "Unkenntnis der rechtlichen Verhältnisse" in den Verfahren bewirkt haben, um deren Kostenerhebung es hier geht. Sollte das FA, wie der Bf. weiter behauptet, die Verfahren verzögert haben, so könnte auch das nicht zur Unkenntnis des Bf. über die rechtlichen Verhältnisse geführt haben. Da sich folglich der Bf. selbst über die Ungewißheit des Ausgangs der Rechtsstreitigkeiten im klaren sein mußte, kommt es nicht darauf an, daß er - wie behauptet - finanziell nicht in der Lage war, einen Rechtsberater über die Rechtslage zu befragen.

Soweit der Bf. im Verfahren vor dem FG allgemeine Billigkeitsgründe geltend machte, hat ihn das FG zutreffend auf den Verwaltungsweg verwiesen (vgl. auch Mielke, a. a. O., § 7 Anm. 9; Drischler, a. a. O., § 7 Anm. 10).

Der Bf. hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 135 Abs. 2 FGO). Zwar ist der Beschluß über die Erinnerung durch das FG kostenfrei (§ 148 Abs. 3 FGO). Kosten sind jedoch zu erheben, falls der Bf. - wie hier - mit seiner Beschwerde gegen den Beschluß des FG unterliegt (vgl. auch das Schrifttum zu § 4 Abs. 1 GKG, der mit § 148 Abs. 3 FGO insoweit übereinstimmt: Lauterbach, a. a. O., § 4 Anm. 5; Drischler, a. a. O., § 4 Anm. 18; Mielke, a. a. O., § 4 Anm. 13).

 

Fundstellen

Haufe-Index 412494

BStBl III 1967, 369

BFHE 1967, 276

BFHE 88, 276

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