Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für die Beschwerde gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe

 

Leitsatz (NV)

Ein Antrag auf Prozeßkostenhilfe kann auch für das Beschwerdeverfahren gegen den das Prozeßkostenhilfegesuch ablehnenden Beschluß des FG gestellt werden.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 114 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatten beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) beantragt, die bestandskräftige Einkommensteuerveranlagung 1978 zu ändern und für 1979 erstmals eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen. Das FA lehnte die Anträge ab. Die Einsprüche der Antragsteller gegen den Ablehnungsbescheid in der Einkommensteuersache 1978 und gegen den Nichtveranlagungsbescheid 1979 wies das FA durch Einspruchsentscheidungen vom 10. Dezember 1984 als unbegründet zurück.

Dagegen haben die Kläger Klage erhoben und zugleich beim FG beantragt, ihnen für die Durchführung des Klageverfahrens Prozeßkostenhilfe zu gewähren.

Das FG lehnte den Antrag ab, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Das FG nahm insoweit Bezug auf sein am selben Tag verkündetes Urteil in der Hauptsache, durch die es die Klage als unzulässig abgewiesen hatte.

Gegen den die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe versagenden Beschluß des FG legten die Kläger Beschwerde ein, der das FG nicht abgeholfen hat. Die Kläger führen aus, nach der im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichten Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seien sie nicht in der Lage, einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen.

Der Kläger beantragt, ihm zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozeßkostenhilfe zu gewähren.

 

Entscheidungsgründe

I. Der Antrag ist zulässig.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) steht der Zulässigkeit des Prozeßkostenhilfeantrags für das Beschwerdeverfahren zur Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht entgegen.

Zwar hat der BGH mit Beschluß vom 30. Mai 1984 VIII ZR 298/83 (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1984, 2106) ausgesprochen, für das Prozeßkostenhilfeverfahren könne Prozeßkostenhilfe nicht gewährt werden. Nach § 114 ZPO könne Prozeßkostenhilfe für die ,,Prozeßführung" gewährt werden; darunter sei aber nur das eigentliche Streitverfahren, nicht das Bewilligungsverfahren zu verstehen. Bedürfe der Antragsteller, bevor er einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe stelle, der Beratung über die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung, so finde das Beratungshilfegesetz Anwendung, das die Rechtsberatung durch einen Anwalt oder das Gericht außerhalb des gerichtlichen Verfahrens ermögliche.

Für die Prozeßkostenhilfe im finanzgerichtlichen Verfahren kann diese Beurteilung wegen der Besonderheiten der hier maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschrift nicht übernommen werden (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Juli 1985 V S 3/85, BFHE 143, 528, BStBl II 1985, 499).

Anders als nach § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Prozeßkostenhilfegesuchs durch das FG beim BFH nicht vom Antragsteller selbst durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; denn der Vertretungszwang vor dem BFH (vgl. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -) gilt auch für Beschwerden gegen solche Beschlüsse des FG (vgl. BFH-Beschluß vom 28. November 1975 VI B 130-132/75, BFHE 117, 223, BStBl II 1976, 62). Vom Vertretungszwang nicht erfaßt ist lediglich der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für ein Verfahren vor dem BFH.

Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen Gewährung wirksamen Rechtsschutzes ist deshalb der Antrag auf Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegen den das Prozeßkostenhilfegesuch ablehnenden Beschluß des FG als zulässig anzusehen.

II. Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe ist nicht begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung (Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Ablehnung des Antrags auf Prozeßkostenhilfe durch das FG) hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist allerdings nicht schon deshalb zu verneinen, weil lediglich die Kläger selbst Beschwerde eingelegt haben, also entgegen der Regelung des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG, nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten waren oder selbst zu diesem Personenkreis gehören. Damit ist zwar die vorliegende Beschwerde unzulässig.

Die Kläger könnten jedoch - nach Bewilligung der Prozeßkostenhilfe für das vorliegende Verfahren - durch einen dazu befugten Prozeßbevollmächtigten Beschwerde gegen den Beschluß des FG vom 28. März 1985 einlegen und wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) beantragen.

Der Zulässigkeit einer solchen Beschwerde steht nicht entgegen, daß sie im Streitfall erst nach Beendigung der Instanz, die mit der Verkündung des finanzgerichtlichen Urteils eingetreten ist, eingelegt werden kann. Denn der Beschluß, durch den das FG den - vor Beendigung der Instanz gestellten - Antrag auf Prozeßkostenhilfe abgelehnt hat, ist den Klägern erst am 12. April 1985 zugestellt worden. Da die Kläger vor diesem Zeitpunkt keine Beschwerde einlegen konnten, ist die Beschwerde gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe ausnahmsweise auch nach Beendigung der Instanz zulässig (vgl. BFH-Beschluß vom 7. August 1984 VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838).

2. Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe ist jedoch deshalb abzulehnen, weil selbst eine zulässige Beschwerde der Kläger nicht begründet wäre. Das FG hat zu Recht die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten der Klage versagt.

Nach den Feststellungen des FG ist davon auszugehen, daß die Klage verspätet erhoben wurde. Die Klageschrift ist ausweislich des Posteingangsstempels des FG dort erst am 22. Januar 1985 (11 Tage nach Ablauf der Klagefrist) eingegangen.

Der Vortrag des Klägers, er habe noch während des Laufs der Klagefrist mit dem FA über eine außergerichtliche Erledigung verhandelt, kann - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht rechtfertigen.

Soweit die Kläger erstmals im Beschwerdeverfahren vor dem BFH vortragen, die Klagefrist sei auch deshalb versäumt worden, weil der Kläger in der Zeit vom 8. bis 18. Januar 1985 arbeitsunfähig krank gewesen sei, kann dieses Vorbringen bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage nicht berücksichtigt werden, weil die Kläger diese Tatsache bereits im finanzgerichtlichen Verfahren hätten vortragen können und müssen (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 56 Anm. 11 und 12 m. w. N.).

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 462

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