Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung von Vermögen gemäß § 159 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AO

 

Leitsatz (NV)

1. Gegen die Zurechnung von Vermögenswerten nach § 159 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AO kann der (angebliche oder wirkliche) Treuhänder nicht mit Erfolg einwenden, er habe aus seinen Einkünften die ihm zugerechneten Vermögenswerte nicht ansammeln können.

2. § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a i. V. mit § 159 Abs. 2 AO setzt voraus, daß die für fremde Personen verwalteten Vermögenswerte als solche erkennbar sind.

3. Zu den Anforderungen an eine Verfahrensrüge gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO.

4. Zur Zulässigkeit der Verweisung (in einem Urteil) auf ein anderes Urteil.

 

Normenkette

AO 1977 § 159 Abs. 1; FGO § 102 Abs. 1 Nr. 3, § 120 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Gründe

Die Entscheidung ergeht gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 14. Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1514, BStBl I 1985, 8). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind unterrichtet und gehört worden (Schreiben des Senats vom 28. November 1985; Erklärungen des Klägers vom 6. Dezember 1985, vom 26. und 30. Juni 1986 und der Beigeladenen zu 2. vom 1. Juli 1986).

Die angefochtenen einheitlichen und gesonderten Feststellungen (§ 180 Abs. 1 Nr. 3, § 183 der Abgabenordnung - AO 1977 -) beruhen auf dem Ergebnis einer im Jahre 1976 durchgeführten Fahndungsprüfung. Bei dieser Prüfung war 1u. a. festgestellt worden, daß bei verschiedenen Banken Wertpapierdepots sowie Spar- und Termingeldkonten für den Kläger und die beiden Beigeladenen - teilweise unter dem Namen dieser Personen, teilweise unter fingierten Namen - unterhalten wurden. Diese Vermögenswerte, die nach den Angaben des Klägers für nicht namentlich genannte dritte Personen treuhänderisch verwaltet wurden, sind dem Kläger und den Beigeladenen (Ehefrau und Tochter des Klägers) zugerechnet worden.

Durchgreifende Rügen sind mit der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG), welches die Klage teilweise abgewiesen hat, nicht erhoben worden.

1. Unbegründet ist der Einwand des Klägers, er und die Beigeladenen seien nach ihren Einkommensverhältnissen nicht in der Lage gewesen, die ihnen zugerechneten Vermögenswerte anzusammeln. Die Zurechnung der Vermögenswerte rechtfertigt sich aus § 164 der Reichsabgabenordnung - AO - (jetzt § 159 AO 1977).

Auf § 177 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO (jetzt § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO 1977) kann der als Rechtsanwalt zugelassene Kläger sich nicht berufen. Diese Vorschrift verlangt, daß den dort genannten Personen (u. a. Rechtsanwälten) etwas ,,in dieser Eigenschaft" anvertraut worden ist (vgl. dazu auch Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 102 AO 1977 Rdnr. 3). Der festgestellte Sachverhalt gibt im vorliegenden Fall jedoch nicht den geringsten Anhalt dafür, daß die bei der Fahndungsprüfung ermittelten Vermögenswerte dem Kläger in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt anvertraut worden waren. Verwaltet ein Rechtsanwalt fremde Vermögenswerte, so müssen diese als solche erkennbar sein (z. B. durch die Anlegung auf sog. Anderkonten). Auch muß für den Fall des Todes des Rechtsanwalts vorgesorgt werden, indem dann ein anderer Rechtsanwalt oder Notar verfügungsberechtigt ist und die Vermögenswerte nicht in den Nachlaß des bisher verwaltenden Rechtsanwaltes fallen (vgl. dazu Isele, Kommentar zur Bundesrechtsanwaltsordnung, 1976, S. 580, und Kalsbach, Standesrecht des Rechtsanwaltes, 1956, S. 284 f.). Im vorliegenden Fall ist beides nicht geschehen. Erst recht bleibt unklar, wie der Kläger die Anlage von fremden Vermögenswerten auf den Namen der Beigeladenen (Ehefrau und Tochter) und auf fingierte Namen hätte rechtfertigen wollen.

Unter diesen Umständen braucht der Senat nicht auf den Vortrag des Klägers einzugehen, er sei über 20 Jahre lang arbeitslos gewesen und habe sich während seiner ,,Arbeitslosigkeit . . . gefälligkeitshalber, um eine Zerstreuung und Ablenkung zu haben" - also wohl nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt - ,,mit dem Kauf und der Verwahrung von Wertpapieren für dritte Personen" befaßt.

2. Der Kläger wendet zwar ein, es habe keine ,,Besitzgemeinschaft" zwischen ihm und den Beigeladenen bestanden. Die Beigeladenen hätten von den Vermögensanlagen nichts gewußt. Eine zulässige Verfahrensrüge hat der Kläger jedoch in dieser Hinsicht nicht erhoben. Der Vortrag ,,Die Ausführungen des Gerichts . . . stellen sonach lediglich eine Behauptung dar, können aber in keiner Weise den Anspruch auf eine wirkliche Begründung erheben" (Seite 1 der Revisionsbegründung) und ,,Die Unterlassung der Einholung der angebotenen Beweise stellt ebenfalls einen Revisionsgrund dar" (Seite 7 der Revisionsbegründung) reicht als Verfahrensrüge nicht aus. Es ist nicht zu erkennen, welche Beweise das FG hätte erheben sollen, wie nach Auffassung des Klägers das Beweisergebnis gewesen wäre (d. h. welche Tatsachen dabei ermittelt worden wären) und welchen Einfluß das Beweisergebnis voraussichtlich auf die Entscheidung des FG gehabt hätte (vgl. dazu das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Februar 1975 II R 120/73, BFHE 115, 185, BStBl II 1975, 489 unter II 1 d der Gründe).

Nach den Feststellungen des FG (in dem Urteil . . . vom . . ., auf welches das hier angefochtene Urteil vom selben Tag . . . Bezug nimmt) hatte der Kläger Vollmacht der Beigeladenen zur Verfügung über sämtliche Konten und Depots; die Vollmachten (zur Verfügung unter dem Stichwort ,,. . .") für die unter falschem Namen gemieteten Safes waren von den Beigeladenen mit diesen falschen Namen unterschrieben worden. Überdies hat der Kläger in seiner Revisionsbegründung vom 18. November 1982 (Seite 6) selbst vorgetragen, die beiden Beigeladenen (Ehefrau und Tochter) hätten die Mietverträge über die Safes mitunterzeichnet. Diese ,,Mitunterzeichnung" sei aber ,,wegen Irrtums" gegenüber der Bank angefochten worden. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers waren also die Beigeladenen nicht ,,unwissend".

Der Senat hat zur Auslegung des Vortrages des Klägers zu dessen Gunsten noch das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG am 19. Mai 1982 herangezogen, das auf das Protokoll über die Verhandlung am selben Tag in der Sache des FG . . . verweist. Irgendwelche Anhaltspunkte für einen bestimmten Beweisantrag des Klägers darüber, daß die Beigeladenen (Ehefrau und Tochter) von den vorgenannten Konten und Depots nichts gewußt haben, enthält dieses Protokoll nicht. Es heißt dort im Gegenteil: ,,Der Kläger erklärt: Ich hatte Vollmacht für sämtliche Konten und Depots meiner Frau und meiner Tochter." Auch wurden die im Fahndungsbericht bezeichneten Konten und Depots hinsichtlich ihrer Existenz und ihrer Bezeichnung mit den Namen für den Kläger und die beiden Beigeladenen (Ehefrau und Tochter) nicht bestritten.

3. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 2. (Tochter des Klägers) ist das angefochtene Urteil auch nicht insofern mangelhaft, als es teilweise auf das FG-Urteil vom selben Tag in der Sache . . . verweist.

Eine derartige Verweisung kann unzulässig sein. So darf die (endgültige) Entscheidung durch Urteil in der Hauptsache nicht auf die (vorläufige) Entscheidung in einer Vollziehungsaussetzungssache Bezug nehmen; denn beide Entscheidungen haben unterschiedlichen Rechtscharakter (BFH-Urteil vom 17. April 1975 II R 144/74, BFHE 116, 1, BStBl II 1975, 671). Ebenso darf das Urteil, auf das verwiesen wird, zumindest nicht wesentlich später als das bezugnehmende Urteil zugestellt werden; anderenfalls wird den Beteiligten die Bedenkzeit für die Einlegung der Revision abgekürzt (BFH-Urteil vom 3. März 1970 VII R 43/68, BFHE 98, 525, BStBl II 1970, 494). Erst recht ist es unzulässig, in einem Urteil (fast ausschließlich) auf Schriftsätze und andere Unterlagen Bezug zu nehmen (BFH-Urteil vom 21. Januar 1981 I R 153/77, BFHE 133, 33, BStBl II 1981, 517).

Keiner dieser Fälle liegt hier vor.

Die Fahndungsprüfung bei dem Kläger im Jahre 1976 hat mehrere finanzgerichtliche Prozesse zur Folge gehabt, in denen es jeweils um denselben Fragenkreis geht. Der Kläger behauptet, er habe die auf seinen, seiner Frau und seiner Tochter Namen (oder unter falschen Namen) angelegten Vermögenswerte treuhänderisch für dritte Personen verwaltet, deren Namen anzugeben er sich weigert. Seine Frau und seine Tochter seien über die für sie angelegten Vermögenswerte nicht informiert gewesen. Auch das FG-Urteil . . . vom . . ., auf welches das hier angefochtene Urteil Bezug nimmt, befaßt sich mit diesen Problemen. Es betrifft die einheitliche Feststellung der Einkünfte des Klägers und der Beigeladenen aus Kapitalvermögen für die Jahre 1970 bis 1974. Das Urteil ist (auf etwa 21 Schreibmaschinenseiten) ausführlich begründet und dem Kläger und damaligen Prozeßbevollmächtigten der Beigeladenen am selben Tag (20. Juli 1982) wie das im vorliegenden Rechtsstreit angefochtene Urteil zugestellt worden. Unter diesen Umständen hat der Senat keine Bedenken gegen die Bezugnahme in dem angefochtenen Urteil.

4. Schließlich ist nicht ersichtlich, inwiefern das FG die Beigeladene zu 2. nicht ,,angehört" haben soll, wie diese nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorträgt. Die Beigeladene zu 2. war bis zur Übernahme des Mandates durch die jetzigen Prozeßbevollmächtigten durch ihren Vater, den Kläger, in dessen Eigenschaft als Rechtsanwalt vertreten und konnte sich zu allen Sach- und Rechtsfragen äußern. Der Senat kann nicht erkennen, wieso ,,eine Anhörung der Beigeladenen zu 2. . . . zum Ergebnis gehabt (hätte), daß sie weder an der vom Finanzamt angenommenen Besitzgemeinschaft beteiligt war, noch daß ihr die Spar- und Termingeldkonten bei Banken, die auf ihren Namen lauteten, zugerechnet werden können". Wenn mit Wissen der Beigeladenen zu 2. Vermögenswerte auf ihren Namen (oder für sie unter falschem Namen) angelegt wurden, dann können ihr diese gemäß § 164 AO (jetzt § 159 AO 1977) zugerechnet werden. Der Senat verweist auch hier auf das bereits genannte, in BFHE 115, 185 veröffentlichte Urteil.

Im übrigen sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG von einer Begründung der Entscheidung in der Hauptsache ab.

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 426

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge