Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsanwalt verstößt gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO), wenn er in einem Insolvenzverfahren zugleich einen Drittschuldner oder einen Interessenten für die Übernahme von Teilen der Insolvenzmasse und einen Insolvenzgläubiger vertritt. Eine in dieser Lage erteilte Stimmrechtsvollmacht des Insolvenzgläubigers für den Anwalt ist unwirksam (§§ 134, 139 BGB). Eine vorausgehende konstitutive Zurückweisung des Anwalts durch den Versammlungsleiter ist nicht erforderlich.

Ist der organschaftliche Vertreter des Schuldners zugleich Insolvenzgläubiger, so ist er wegen schwerwiegender Interessenkollision von der Teilnahme an der Abstimmung über die Wahl eines neuen Insolvenzverwalters ausgeschlossen.

Das Insolvenzgericht hat bei seiner Entscheidung über die Bestellung eines von der Gläubigerversammlung gewählten Insolvenzverwalters von Amts wegen zu prüfen, ob die Wahl wirksam war.

Der Richter kann über die Bestellung des Gewählten auch dann entscheiden (§ 18 Abs. 2 RPflG, § 57 Satz 3 InsO), wenn er an der Versammlung nicht teilgenommen hat. In einem solchen Fall ist der Richter befugt, in eigener Zuständigkeit die Vorfrage zu beurteilen, ob der Wahlbeschluss wirksam zustande gekommen ist.

 

Tenor

Die Bestellung von Rechtsanwalt W. zum Insolvenzverwalter wird abgelehnt.

 

Tatbestand

I.

Die Schuldnerin, eine GmbH Co. KG, die zugleich Alleingesellschafterin ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin ist, beantragte im Januar 2007 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Kommanditisten sind die P-AG mit einer Einlage von 25 053,31 EUR (49%) sowie C., U. und E. mit Einlagen von jeweils 8 691,96 EUR (17%). Das Unternehmen der Schuldnerin entwickelte, vertrieb und wartete Korrosionsschutzanlagen.

Am 1.5.2007 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der im Februar 2007 eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt A, zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hatte bereits seit April 2007 Verhandlungen mit den Kommanditisten C., U. und E. geführt, weil diese ihr Interesse bekundet hatten, mit Hilfe einer von ihnen gegründeten N-GmbH i. Gr. Gegenstände des schuldnerischen Vermögens und eines Teils des Kundenstamms zu erwerben. Die Kommanditisten wurden bei diesen Verhandlungen von Rechtsanwalt T beraten und vertreten. Während der Verhandlungen kam es zu Unstimmigkeiten, deren Umfang und Intensität von den Beteiligten unterschiedlich dargestellt werden. Am 20. 6.2007 wurde der Kaufvertrag zwischen dem Insolvenzverwalter und der N.-GmbH i. Gr. unterzeichnet.

Die erste Gläubigerversammlung fand am 1.8.2007 statt und wurde vom zuständigen Rechtspfleger geleitet. An ihr nahmen fünf Gläubiger teil, unter ihnen Rechtsanwalt T. als Bevollmächtigter der Insolvenzgläubiger L. und M.-KG sowie der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, G., der wenige Tage zuvor be Im Verwalter persönliche Gehaltsansprüche in Höhe von 9 000,00 EUR angemeldet hatte.

In der Versammlung stellte Rechtsanwalt T. den Antrag, anstelle von Rechtsanwalt A. den Rechtsanwalt W. zum Insolvenzverwalter zu wählen. Aus unbestrittenen Forderungen sowie aus Einigungen der Beteiligten ergaben sich sodann folgende, vom Rechtspfleger festgestellte Stimmrechte:

Von diesen Gläubigern stimmten für den Neuwahlantrag:

Der Rechtspfleger stellte als Versammlungsleiter fest, „dass die für die Wahl erforderlichen Mehrheiten gemäß § 57 und § 76 Abs. 2 InsO erreicht” seien, vertagte die Versammlung und legte die Sache dem Insolvenzrichter vor. Dieser hatte sich bei Verfahrenseröffnung u.a. die Entscheidung über die Bestellung eines von der Gläubigerversammlung gewählten Insolvenzverwalters nach § 18 Abs. 2 RPflG vorbehalten.

Rechtsanwalt W. hat sich auf Anfrage des Richters mit Schreiben vom 17.8.2007 für den Fall seiner Bestellung zur Übernahme des Amtes bereit erklärt. Der Richter hat den an der Abstimmung Beteiligten und dem Insolvenzverwalter Gelegenheit gegeben, sich zu den Motiven und Hintergründen des Antrags und zur Wirksamkeit der Stimmabgabe zu äußern. Sie haben mit verschiedenen Schriftsätzen Stellung genommen. Durch den Schriftsatz des Rechtsanwalts T. vom 14. 8. 2007 ist dem Gericht erstmals bekannt geworden, dass dieser Anwalt auch die Kommanditisten C., U. und E. vertreten hatte. Der Insolvenzverwalter hat mit Schriftsatz vom 30.8.2007 die in der Versammlung zustande gekommene Einigung über das Stimmrecht des Gläubigers G. wegen arglistiger Täuschung angefochten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Bestellung von Rechtsanwalt W. zum Insolvenzverwalter ist abzulehnen, weil am 1.8.2007 ein wirksamer Beschluss der Gläubigerversammlung über seine Wahl nicht zustande gekommen ist.

A. Nach § 57 Satz 1 InsO können die Gläubiger in der ersten Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt, an dessen Stelle eine andere Person wählen. Die Wahl erfolgt durch Beschluss. Die andere Person ist gewählt, wenn die stimmberechtigten Gläubiger mit Summen- und Kopfmehrheit (§ 57 Satz 2, § 76 Abs. 2 I...

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