Rz. 60

Nach § 79b Abs. 3 FGO kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der vom Vorsitzenden oder Berichterstatter nach § 79b Abs. 1 oder Abs. 2 FGO gesetzten Frist im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn die weiteren in § 79b Abs. 3 S. 1 Nr. 1 bis 3 und S. 3 FGO genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Tatsächlicher Vortrag oder Beweismittel, die von den Beteiligten erst nach Fristablauf vorgebracht werden, können, müssen aber nicht im gerichtlichen Verfahren zurückgewiesen werden. Das Gericht hat eine Ermessensentscheidung zu treffen und kann die Glaubhaftmachung von Entschuldigungsgründen verlangen[1].

 

Rz. 61

Die Entscheidung des Gerichts, Erklärungen und Beweismittel der Beteiligten nach § 79b Abs. 3 FGO zurückzuweisen, setzt voraus, dass eine vom Vorsitzenden oder Berichterstatter wirksam nach § 79b Abs. 1 oder Abs. 2 FGO gesetzte Frist verstrichen ist. Daher ist vom Gericht zunächst zu prüfen, ob der zu beurteilende Vortrag des Beteiligten tatsächlich verspätet war; bei der anschließenden Prüfung der Frage, ob der Vorsitzende oder der Berichterstatter die Ausschlussfrist wirksam gesetzt hat, muss der Senat zunächst die Ermessensentscheidung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters kontrollieren, ob überhaupt, mit welchem Inhalt und mit welcher Frist der Beteiligte zu weiterem Vortrag aufgefordert werden sollte. Weiter ist zu prüfen, ob Form und Inhalt der Ausschlussfristsetzung den Vorschriften entsprechen, insbesondere ob die Aufforderung und Fristsetzung hinreichend bestimmt, mit den zutreffenden Belehrungen versehen und dem Beteiligten ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sind und ob ggf. zu Recht keine Fristverlängerung gewährt wurde.

 

Rz. 62

Weitere ungeschriebene Verfahrensvoraussetzung für eine Präklusion ist ein fehlerfreies Verfahren seitens des Gerichts. Die gerichtlichen Aufklärungs-, Hinweis- und Vorbereitungspflichten müssen erfüllt worden sein. Insbesondere muss der Grundsatz rechtlichen Gehörs beachtet worden sein. Geht die Verspätung des Vortrags oder das Unterlassen ihrer Entschuldigung auf ein Verhalten des Gerichts zurück, kann eine Präklusion ausgeschlossen sein. Nur in einem fairen Verfahren können die Beteiligten mit weiterem Vortrag ausgeschlossen werden.

 

Rz. 63

Die Überprüfung durch das Gericht setzt voraus, dass in zweifelhaften Fällen die Ermessenserwägungen des Vorsitzenden oder des Berichterstatters aus den Akten erkennbar oder dem Gericht vorgetragen werden. Das Gericht kann, wenn es die Voraussetzungen einer Präklusion für nicht erfüllt hält, die Sache an den Berichterstatter zur weiteren Vorbereitung zurückgeben oder bereits Vorgetragenes bei einer Sachentscheidung berücksichtigen. Bevor das Gericht sein Ermessen dahin ausüben kann, dass es verspäteten Vortrag zurückweist, muss es prüfen, ob insbesondere die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind.

6.2.1 Verzögerung der Erledigung (§ 79b Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FGO)

 

Rz. 64

War die Ausschlussfrist wirksam gesetzt und abgelaufen, kann das Gericht verspäteten Vortrag nur zurückweisen, wenn die Zulassung weiterer Erklärungen oder Beweismittel nach seiner freien Überzeugung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde[1]. Der BFH hat sich zur Auslegung des § 76 Abs. 3 FGO auf einen sog. absoluten Verzögerungsbegriff berufen, wonach eine Verzögerung nur dann eintritt, wenn der Rechtsstreit bei Zulassung der verspäteten Erklärungen oder Beweismittel länger als bei deren Zurückweisung dauern würde[2]. Danach kann es keinesfalls zu einer Verzögerung des Rechtsstreits kommen, wenn eine Erledigung in der ersten vom FG nach pflichtgemäßem Ermessen terminierten mündlichen Verhandlung möglich ist. Diese Überlegung gilt für § 79b FGO entsprechend. Demgegenüber ist bei dem relativen Verzögerungsbegriff die vermutliche Verfahrensdauer nach Zulassung des verspäteten Vortrags mit der vermutlichen Verfahrensdauer zu vergleichen, die eingetreten wäre, wenn der Vortrag rechtzeitig erfolgt wäre[3].

 

Rz. 65

Die Streitfrage ist deshalb von geringer Bedeutung, weil das erforderliche Maß der Verzögerung im Gesetz nicht festgelegt ist, es vielmehr insoweit auf die freie Überzeugung des Gerichts ankommt. Damit lassen sich extreme Ergebnisse korrigieren. Die Verzögerung kann sich auch erst nach der Zulassung und Auswertung des verspäteten Vortrags herausstellen. Wird etwa aufgrund einer trotz verspäteten Vortrags durchgeführten Beweisaufnahme eine weitere Zeugenvernehmung notwendig, kann darin erst die Verzögerung liegen. Es kann dann von der weiteren Zeugenvernehmung abgesehen und der gesamte verspätete Vortrag, also auch das Ergebnis der ersten Beweisaufnahme, unberücksichtigt bleiben[4]. Verspäteter Vortrag kann nur dann zur Verzögerung führen, wenn er für die Entscheidung des Gerichts erheblich ist. Ist die Sache nach Fristablauf noch nicht entscheidungsreif, weil wegen anderer Punkte ohnehin noch eine Beweisaufnahme durchzuführen ist, kann es an der Kausalität des verspäteten Vortrags für die ...

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