Rz. 27

Mit der Anrechnungsverfügung[1], die auch Abrechnungsverfügung oder Abrechnungsteil des Steuerbescheids genannt wird, verrechnet das FA die Vorauszahlungen, Steuerabzugsbeträge und KSt mit der festgesetzten Steuerschuld. Es ermittelt also den Stand des zu zahlenden Anspruchs aus diesem Steuerschuldverhältnis. Die Anrechnungsverfügung ist, obwohl sie äußerlich mit dem Steuerbescheid verbunden ist, nicht Teil desselben. Sie gehört vielmehr bereits (wie auch der Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO) zum Steuererhebungsverfahren.[2] Die Anrechnungsverfügung ist nach h. M. regelmäßig ein deklaratorischer Verwaltungsakt, der aussagt, dass die Steuerschuld im Augenblick ihres Ergehens in einer bestimmten Höhe schon getilgt ist.[3] Die Anrechnungsverfügung ist also keine bloße Kassenmitteilung über den augenblicklichen Kassenstand ohne jede Bindungswirkung.[4] Sie hat damit Bindungswirkung, die einer Bestandskraft ähnelt.[5] Das bedeutet, dass unzutreffende Anrechnungsverfügungen nur nach § 130 Abs. 1 oder 2 AO änderbar sind. Das FA kann sie nach § 130 Abs. 1 AO jederzeit zugunsten des Stpfl. ändern. Die Anwendung des § 130 Abs. 1 AO als Ermessensvorschrift bringt in der Praxis indes erhebliche Schwierigkeiten, da sich aus dieser Vorschrift keine Kriterien ableiten lassen, die für die Ausübung des Ermessens leitend sein können. Die Entscheidungen des BFH zum Verwaltungsaktcharakter der Anrechnungsverfügung erhalten dazu keine Aussagen. Zulasten des Stpfl. kann allerdings eine falsche Anrechnungsverfügung nur unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO korrigiert werden.[6] Eine unterbliebene Anrechnungsverfügung kann nachgeholt werden.

 

Rz. 28

Die Anrechnungsverfügung unterscheidet sich vom Abrechnungsbescheid dadurch, dass Erstere der normale, nach dem Gesetz stets vorzunehmende Einstieg in das Erhebungsverfahren ist[7], während ein Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 S. 1 AO nur beim Bestehen von Streitigkeiten über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ergeht und diese entscheidet, sowie ein Bescheid nach § 218 Abs. 2 S. 2 AO lediglich bei Streitigkeiten betreffend einen Erstattungsanspruch ergeht. Beide Bescheidarten nach § 218 Abs. 2 AO setzen also Streitigkeiten voraus, die zu entscheiden sind. Zur Bestandskraft der Anrechnungsverfügung vgl. BFH v. 19.10.2006, VII B 78/06, BFH/NV 2007, 200.

 

Rz. 29

Die Streitigkeiten, die Anlass für einen Abrechnungsbescheid sind, können sich aus dem Inhalt der Anrechnungsverfügung ergeben. Hier könnten der Einspruch als nach § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässiger Rechtsbehelf gegen die Anrechnungsverfügung und der Abrechnungsbescheid miteinander konkurrieren, da sich in dem Einlegen des Einspruchs das Bestehen einer Streitigkeit dokumentiert.[8] In dieser Konkurrenz sieht die h. M., der allein schon wegen der Vermeidung der praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung des § 130 Abs. 1 AO zu folgen ist, das Verfahren über die Erteilung eines Abrechnungsbescheids als vorrangig an.[9] Strittig ist zwischen dem I. und dem VII. Senat des BFH lediglich die Frage, ob eine zuvor ergangene Anrechnungsverfügung auf einem späteren Verfahren nach § 218 Abs. 2 AO Bindungswirkungen entfaltet.[10] Die würden darin bestehen, dass eine Nichtänderbarkeit der Anrechnungsverfügung zuungunsten des Stpfl. wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO einem abweichenden Abrechnungsbescheid entgegensteht.[11]

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