4.4.4.1 Grundlage

 

Rz. 21

Der Haftungsbescheid ist als schriftlicher Verwaltungsakt gemäß § 121 Abs. 1 AO zu begründen, damit der Haftungsschuldner in der Lage ist, seine Rechte ordnungsgemäß geltend zu machen, wobei insbesondere zu beachten ist, dass es sich beim Haftungsbescheid um eine Ermessensentscheidung handelt, so dass regelmäßig die Ausübung des Ermessens für den Adressaten zu begründen ist[1]  Ein Wegfall der Begründungspflicht nach § 121 Abs. 2 AO kommt regelmäßig nicht , ausnahmsweise vielleicht dann in Betracht, wenn dem Haftungsschuldner die zu erwartende Inanspruchnahme bekannt oder doch ohne Weiteres erkennbar war.[2]  Hinsichtlich der Begründung der Ermessesausübung ist die Sachverhalts- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsenscheidung, also ggf. des Einspruchsverfahrens ausschlaggebend.[3]

[1] Zur Rechtsbehelfsbelehrung s. Rz. 26; Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl. 2016, § 191 Rz. 70.
[2] BFH v. 20.7.1988, I R 61/85, BStBl II 1989, 99 für die Haftung bei Steuerabzug; s. Rz. 64a.

4.4.4.2 Inhalt

 

Rz. 22

Zur Begründung des Haftungsbescheids gehört vornehmlich:

  • die Angabe der Haftungsnorm[1] ;
  • die Beschreibung des die Tatbestandsmerkmale der Haftungsnorm erfüllenden Lebenssachverhalts.[2]  Die Tatsachen müssen festgestellt und dargelegt werden[3] , die bloße Annahme ihres Vorliegens ist grundsätzlich nicht ausreichend.[4] Hinsichtlich der Bestimmung der Haftungquote ist aber eine Schätzung nach § 162 AO möglich, insbesondere wenn der Haftungsschuldner seinen Mitwirkungspflichten zur Aufklärung in diesem Zusammenhang nicht nachkommt.[5]  
  • Erforderlich sind auch konkrete Feststellungen zum Verschulden, wenn dieses zum haftungsbegründenden Tatbestand gehört[6] ;
  • die detaillierte Angabe des einzelnen Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, für den gehaftet wird .[7] Liegt eine Festsetzung des Anspruchs noch nicht vor[8] , so sind die einzelnen den Anspruch begründenden Tatbestandsmerkmale und Besteuerungsgrundlagen anzugeben. Von der Bezeichnung des Besteuerungszeitraums kann ausnahmsweise nur dann abgesehen werden, wenn dieser dem Haftungsschuldner zweifelsfrei bekannt ist.[9]  Liegt die Festsetzung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis vor, so reicht zur Begründung des Haftungsanspruchs die Beifügung einer Ablichtung oder Durchschrift des festsetzenden Verwaltungsakts, also i. d. R. des Steuerbescheids, aus. Wenn der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausreichend konkretisiert ist, ist die namentliche Benennung des dem Haftungsschuldner bekannten Steuerschuldners nicht zwingend erforderlich[10];
  • die Bezeichnung des Haftungsgegenstands, soweit durch die Haftungsnorm eine Beschränkung der Haftung auf bestimmte Vermögen oder Gegenstände erfolgt[11];
  • der Hinweis auf die Gesamtschuldnereigenschaft[12] , soweit mehrere Haftungsschuldner als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden .[13] Erforderlich ist hier, wenn sich dies nicht aus der Zusammenfassung der Haftungsbescheide ergibt, die Aufzählung der möglichen Haftungsschuldner. Das Unterlassen dieser Aufzählung bewirkt i. d. R. die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheid[14];
  • die Darstellung der im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigten Gründe, die zur Inanspruchnahme gerade dieses Haftungsschuldners geführt haben .[15]
[1] S. Rz. 9.
[2] Vgl. schon RFH v. 14.3.1928, V A 67/28, RStBl 1928, 199.
[4] FG Hamburg v. 20.6.1978, VI 100/77, EFG 1979, 4.
[6] Schleswig-Holsteinisches FG v. 15.11.1983, IV 236/80 (V), EFG 1984, 57.
[7] S. Rz. 10.
[8] S. Rz. 11.
[11] FG München v. 15.2.1978, III 113/77, EFG 1978, 474.
[12] S. Rz. 7a.
[13] S. Rz. 17.
[14] Niedersächsisches FG v. 27.2.1992, XI 484/87, EFG 1992, 498.
[15] S. Rz. 37.

4.4.4.3 Begründungsmängel

 

Rz. 23

Die Verletzung der Begründungspflicht bewirkt regelmäßig nur die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids.[1]  Nur besonders schwerwiegende und offenkundige Mängel können entsprechend der Evidenztheorie nach § 125 Abs. 1 AO ausnahmsweise die Nichtigkeit zur Folge haben, wenn der Haftungsbescheid

  • nur die undetaillierte Angabe der Haftungssumme enthält[2]; );
  • die ihn erlassende Behörde nicht ausweist[3] ;
  • den Haftungsschuldner nicht hinreichend bestimmt ausweist[4];
  • den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, für den gehaftet wird, nicht exakt benennt.[5]

Sonstige Begründungsfehler oder -unterlassungen haben die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids zur Folge. Diese Mängel können gem. § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO durch Nachholung der Begründung geheilt werden.[6] Führt das Fehlen der Begründung zur Nichteinhaltung der Einspruchsfrist, findet § 126 Abs. 3 AO Anwendung, sodass in diesem Fall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in B...

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