Rz. 22

Steuerliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung können nach dem Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG nur in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz ausgeübt werden. Das würde für das Wahlrecht nach § 3 UmwStG bedeuten, dass die übertragende Körperschaft ihr Bewertungswahlrecht in der steuerlichen Schlussbilanz nur in Anspruch nehmen kann, wenn sie dementsprechend die übergehenden Wirtschaftsgüter auch in der Handelsbilanz bewertet. Ein dem § 3 Satz 1 UmwStG entsprechendes handelsrechtliches Bewertungswahlrecht sieht das UmwG jedoch nicht vor. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 UmwG hat der übertragende Rechtsträger seine Schlussbilanz "nach den Vorschriften über die Jahresbilanz" aufzustellen. Diese Regelung ist als Erleichterung gedacht, die es dem übertragenden Rechtsträger ermöglicht, die Bilanz des letzten Geschäftsjahres als Schlussbilanz zu verwenden[1]. Das bedeutet, dass der übertragende Rechtsträger handelsrechtlich einen über dem Buchwert liegenden Wert nur sehr eingeschränkt ansetzen kann. In der Handelsbilanz werden die Vermögensgegenstände mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um plan- oder außerplanmäßige Abschreibungen, angesetzt (vgl. §§ 253, 254 HGB). Es ist lediglich eine Wertaufholung nach § 253 Abs. 4 und § 280 HGB bis zur Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorgesehen, bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern vermindert um die planmäßigen Abschreibungen, wenn in einem späteren Geschäftsjahr der Grund für die außerplanmäßigen Abschreibungen fortgefallen ist. Es fehlt in § 17 UmwG eine Öffnungsklausel, die es dem übertragenden Rechtsträger ermöglichen würde, den aufgrund von § 3 UmwStG gewählten bilanzsteuerrechtlichen Wertansatz in der Handelsbilanz nachzuvollziehen.

 

Rz. 23

Während § 3 UmwStG das steuerliche Bewertungswahlrecht der übertragenden Körperschaft für ihre steuerliche Schlussbilanz einräumt, gibt § 24 UmwG dem übernehmenden Rechtsträger ein Bewertungswahlrecht in der auf den steuerlichen Übertragungsstichtag folgenden Handelsbilanz. § 24 UmwG gestattet dem übernehmenden Rechtsträger, "auch die in der Schlussbilanz eines übertragenden Rechtsträgers angesetzten Werte" zu wählen. Anstelle der Buchwerte kann der übernehmende Rechtsträger die Sacheinlage aber auch mit dem Zeitwert bewerten[2]. Mit diesen unterschiedlichen Wahlrechten erweisen sich das UmwG und das UmwStG als nicht aufeinander abgestimmt, auch wenn beide Gesetze vom 28.10.1994 stammen.

 

Rz. 24

Die Verwaltung[3] hält aufgrund des Prinzips der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz bei der gegenwärtigen handelsrechtlichen Rechtslage in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft nur die in der Handelsbilanz zulässigen Werte für ansetzbar. ­Danach ist die Wahl eines über dem Buchwert liegenden Wertes nur bei den Wirtschaftsgütern zulässig, bei denen die handelsrechtlichen Voraussetzungen für eine Wertaufholung gegeben sind. Im Schrifttum wird die Auffassung der Verwaltung überwiegend abgelehnt[4]. § 3 bilde als lex specialis zu § 5 Abs. 1 EStG eine Ausnahme vom Grundsatz der Maßgeblichkeit. Dieser Literaturmeinung muss gefolgt werden, will man das Bewertungswahlrecht des § 3 UmwStG nicht leerlaufen lassen. Auf der Grundlage der formellen Maßgeblichkeit werden Umstrukturierungen entgegen den Zielen des UmwStG behindert. Jedenfalls de lege ferenda sollte das steuerliche Wahlrecht nach § 3 UmwStG in der Steuerbilanz unabhängig von den Wertansätzen in der Handelsbilanz ausgeübt werden können.

 

Rz. 25

Die Praxis vermag sich auch auf dem Boden der vorstehenden Auffassung der Verwaltung zu behelfen. Eine Realisierung von stillen Reserven lässt sich dennoch erreichen, etwa um einen bei der übertragenden Körperschaft noch bestehenden Verlustvortrag nicht zu verlieren. Die übertragende Körperschaft kann vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag einzelne Wirtschaftsgüter an die Übernehmerin zum Marktpreis veräußern. Dabei können die Beteiligten vornehmlich Wirtschaftsgüter auswählen, die infolge einer kurzen Restnutzungsdauer verhältnismäßig schnell abgeschrieben werden können. Durch eine solche Vorabveräußerung lässt sich zugleich eine selektive Realisierung stiller Reserven erreichen.

 

Rz. 26

Das handelsrechtliche Bewertungswahlrecht des übernehmenden Rechtsträgers begründet nach Auffassung des BMF[5] zwar keine allgemeine steuerrechtliche Pflicht zur Wertaufholung in der ersten auf die Umwandlung folgenden Jahresbilanz. Wenn er jedoch von dem Wahlrecht Gebrauch macht, soll er verpflichtet sein, auch in seiner Steuerbilanz die Werte bis zur Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten — gegebenenfalls vermindert um die AfA — erfolgswirksam aufzustocken. Rödder (DB 1998, 998) bezeichnet dies als "Konzept der phasenverschobenen Wertaufholung". Es geht dabei um Wirtschaftsgüter, deren Buchwert unter den historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegt, etwa aufgrund von Teilwertabschreibungen, erhöhten Abschreibungen oder Sonderabschreibungen, der...

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