Leitsatz (amtlich)

Die Tarifermäßigung des § 21 Abs. 1 BHG 1964 ist vor der Steuerermäßigung des § 14 des 2. VermBG zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 24. März 1972 VI R 163/69, BFHE 105, 146, BStBl II 1972, 479).

 

Normenkette

BHG 1964 § 21 Abs. 1; 2. VermBG § 14

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat seinen Wohnsitz in Berlin. Ihm stehen sowohl die Steuerpräferenz nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BHG i. d. F. vom 19. August 1964 (BGBl I 1964, 674, BStBl I 1964, 509), als auch die Steuerbegünstigung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des 2. VermBG (BGBl I 1965, 585, BStBl I 1965, 346) zu. Streitig ist die Berechnung der Einkommensteuer in einem solchen Falle.

§ 21 Abs. 1 Satz 1 BHG 1964 lautet: "Bei natürlichen Personen..., ermäßigt sich die veranlagte Einkommensteuer, soweit sie auf Einkünfte aus Berlin (West) im Sinn des § 23 entfällt, um 30 vom Hundert."

§ 14 Abs. 1 Satz 1 des 2. VermBG lautet: "Für Steuerpflichtige, die ihren Arbeitnehmern vermögenswirksame Leistungen nach diesem Gesetz gewähren, ermäßigt sich die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer ... um 30 vom Hundert der Summe der vermögenswirksamen Leistungen, höchstens aber um 800 Deutsche Mark."

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) ermittelte zunächst den sich aus der Splittingtabelle ergebenden Steuerbetrag, verminderte ihn um die Vergünstigung nach § 14 des 2. VermBG und wendete nur auf den sich dann ergebenden Einkommensteuerbetrag die Berliner Steuerpräferenz an.

Der Kläger dagegen meint, daß die Berliner Steuerpräferenz nach dem sich zunächst ergebenden vollen Steuerbetrag zu berechnen und der so verringerte Steuerbetrag um die Vergünstigung des § 14 des 2. VermBG zu mindern sei.

Nach erfolglosem Einspruch des Klägers gab das FG seiner Klage statt. Das FG war der Ansicht, der zu entscheidende Fall liege ähnlich wie der vom VI. Senat des BFH mit Urteil vom 13. Oktober 1967 VI 38/65 (BFHE 90, 447, BStBl II 1968, 141) entschiedene Fall, in dem es um die Konkurrenz der Vergünstigungen des § 1 des Steuererleichterungsgesetzes 1962 i. d. F. vom 26. Juli 1962 - StErlG 1962 - (BGBl I 1962, 502, BStBl I 1962, 1007) und des § 19 Abs. 1 BHG 1962 (BGBl I 1962, 493, BStBl I 1962, 998) ging.

Dagegen wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision. Es ist insbesondere der Auffassung, ein dem Fall VI 38/65 entsprechender Fall sei hier nicht gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der VI. Senat des BFH hat in dem nach Fällung des angefochtenen Urteils ergangenen Urteil vom 24. März 1972 VI R 163/69 (BFHE 105, 146, BStBl II 1972, 479) die hier zu beurteilende Frage - wie das FG - im Sinne der Auffassung des Klägers entschieden. Er hat dabei ausgeführt, die Steuererleichterungen der §§ 16 und 17 BHG 1964 (= §§ 18 und 19 BHG 1962) zielten auf die Förderung bestimmter Einzelvorhaben (betriebliche Investitionen und Baumaßnahmen) ab, während § 21 BHG 1964 (wie früher § 1 StErlG 1962) für Einkünfte aus Berlin (West) eine allgemeine Tariferleichterung vorsehe. Aus § 21 BHG ergebe sich eine "Berliner" Einkommensteuer, die bei Inanspruchnahme der Vergünstigungen der §§ 16 und 17 BHG 1964 die tarifliche Einkommensteuer im Sinn dieser Vorschriften sei. Wie sich aus der Bundestagsdrucksache IV/3224 (zu § 14 - Nr. 1) ergebe, sei § 14 des 2. VermBG vom Gesetzgeber bewußt den §§ 16, 17 BHG 1964 nachgebildet worden. Die Steuerermäßigung diene einer bestimmten Maßnahme, nämlich der Förderung der Vermögensbildung bei den Arbeitnehmern. Sie stelle also eine spezielle Steuervergünstigung dar und sei deshalb bei Steuerpflichtigen, die auch die allgemeine tarifliche Erleichterung der §§ 21 ff. BHG 1964 in Anspruch nehmen könnten, im Rang nach dieser Tarifermäßigung einzuordnen.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Er ist insbesondere - entgegen der Ansicht des FA - der Meinung, daß sich die Fälle der §§ 16, 17 BHG 1964 mit dem Fall des § 14 des 2. VermBG vergleichen lassen.

Allerdings hat der VI. Senat in seinem früheren Urteil VI 38/65 besonderen Wert auf die in § 19 Abs. 5 BHG 1962 (= § 17 Abs. 6 BHG 1964) enthaltenen, in § 14 des 2. VermBG dagegen nicht enthaltenen Worte gelegt "Die Ermäßigung der Einkommensteuer ... darf ... fünfzig vom Hundert der Einkommensteuer ... nicht übersteigen, die sich ohne die Ermäßigung ergeben würde" (Unterstreichung durch den Senat), und daraus hergeleitet, daß die Einkommensteuer gemeint sei, die nach Berücksichtigung aller sonst in Betracht kommender Steuervergünstigungen (also auch der Präferenz) ermittelt sei. Diesem Unterschied mißt der Senat aber angesichts der sonst für die Ansicht des FG und des VI. Senats sprechenden Gründe keine entscheidende Bedeutung bei. Sowohl bei den §§ 16, 17 BHG 1964 als auch bei § 14 des 2. VermBG handelt es sich um Vergünstigungen, die für besonders förderungswürdige Maßnahmen gewährt werden. Treffen Berliner Unternehmen derartige Maßnahmen, so ist es nicht gerechtfertigt, daß sie deswegen nicht in den vollen Genuß der ihnen ebenfalls zustehenden Präferenz des § 21 BHG 1964 gelangen sollten. Nach der genannten Bundestagsdrucksache sollte durch den Abzug der Vergünstigung von der Steuerschuld allen Steuerpflichtigen - unabhängig von der für sie geltenden Steuerprogression - eine gleiche Begünstigung zuteil werden. Das heißt aber, daß die Begünstigung vom Endprodukt der Steuerberechnung, der Steuerschuld, so wie sie sich sonst darstellen würde, abzuziehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70692

BStBl II 1974, 30

BFHE 1974, 409

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