Rz. 35

Der Kläger bestimmt allein durch sein Klagebegehren den Gegenstand des Klagebegehrens.[1] Dies ist Ausfluss der Dispositionsmaxime.[2] Hierdurch begrenzt der Kläger den durch das Gericht aufzuklärenden Sachverhalt und das, was als Gesamtergebnis des Verfahrens der richterlichen Würdigung zur Entscheidungsfindung unterliegt. Das Gericht hat somit trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes keine uneingeschränkte Entscheidungsbefugnis hinsichtlich des Prozessgegenstands. Das Klagebegehren ist daher vom Gericht zunächst festzustellen.

 

Rz. 36

Das Klagebegehren ist das Ziel, das der Kläger mit seiner Klage erreichen will. Hierfür muss der Kläger substanziiert den konkreten Sachverhalt unterbreiten, in dessen steuerrechtlicher Würdigung durch den Beklagten er eine Rechtsverletzung erblickt. Das Gericht muss erkennen können, inwiefern der Kläger glaubt, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Wie weit das Klagebegehren zu substanziieren ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.[3] Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird zu erkennen, worin die den Kläger treffende Rechtsverletzung nach dessen Ansicht liegt. Hierfür ist die Klageschrift in gleicher Weise wie Willenserklärungen analog § 133 BGB auszulegen. Dabei sind zur Bestimmung des Gegenstands des Klagebegehrens alle dem FG und dem FA bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen. Bescheide und Einspruchsentscheidungen, die in der Klageschrift bezeichnet wurden, sind auch dann zur Auslegung des Klagebegehrens heranzuziehen, wenn diese Verwaltungsakte nur dem FA vorliegen.[4]

 

Rz. 37

Verstößt das FG gegen § 96 Abs. 1 S. 2 FGO, ist das Urteil aufzuheben, da dies einen Verfahrensmangel darstellt.[5]

3.1 Anträge

 

Rz. 38

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.[1] Durch Hinwirken auf sachdienliche und klare Anträge[2] ist das wirkliche Klagebegehren zu ermitteln. An dessen Inhalt ist das Gericht gebunden. Maßgeblich ist der in der mündlichen Verhandlung protokollierte Antrag[3], wobei dieser das Begehren des Klägers wiedergeben muss. Lediglich unklare Formulierungen im Antrag sind unbeachtlich. Das Gericht darf inhaltlich über den Klageantrag nicht hinausgehen und auch nicht ein "aliud", etwas wesensmäßig anderes als das Begehrte, zusprechen.[4] Dies ist z. B. der Fall, wenn das Gericht von einem anderen Lebenssachverhalt ausgeht als dem, der dem Verwaltungsakt zugrunde gelegt wurde.[5] Wohl aber kann das Gericht hinter dem Antrag zurückbleiben, indem es der Klage nur teilweise stattgibt, sie im Übrigen jedoch abweist. Das Gericht darf jedoch das Klagebegehren auch nicht unterschreiten.

 

Rz. 39

Eine Ausnahme will der BFH dann zulassen, wenn nach Auffassung des Gerichts der angefochtene Bescheid insgesamt rechtswidrig oder nichtig ist, der Kläger aber nur Änderung beantragt hat, z. B. bei unwirksamer Bekanntgabe oder inhaltlicher Unbestimmtheit.[6] § 96 Abs. 1 S. 2 FGO soll dann nicht gelten und der angefochtene Bescheid kassiert werden, weil sonst eine dem Gesetz entsprechende Entscheidung über den Streitpunkt nicht möglich sei.[7] Fraglich erscheint es, in diesen Fällen ebenfalls über das Klagebegehren hinauszugehen. Allerdings können bei einer Anfechtungsklage im Fall der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts zur Beseitigung des Rechtsscheins die Feststellung der Nichtigkeit und die gleichzeitige (klarstellende) Aufhebung sachdienlich sein. Diese Fallgestaltung sollte aber auf wenige Ausnahmefälle begrenzt werden.

 

Rz. 40

Der Beklagte wird regelmäßig den Antrag stellen, die Klage abzuweisen. Ob allerdings der Beklagte überhaupt einen Antrag stellt und welchen Inhalt der Antrag hat, ist verfahrensrechtlich ohne Bedeutung. Denn wegen des Amtsermittlungsprinzips und weil der Streitgegenstand allein vom Kläger bestimmt wird, haben Stellungnahmen und Anträge des Beklagten lediglich die Bedeutung einer prozessualen Anregung an das Gericht.[8] Das FA, das regelmäßig Beklagter ist, hat jedoch als Beteiligter am Verfahren mitzuwirken. Im Rahmen der Würdigung des Gesamtergebnisses kann das Gericht aus dem Schweigen bzw. den Einlassungen des FA seine Schlüsse ziehen.[9] Allerdings kann beispielsweise nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein Parteiwechsel eintreten und das FA die Rolle des Klägers übernehmen.[10]

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