Rz. 4

Gegenstand der Wiederaufnahme ist das rechtskräftig beendete Verfahren, d. h. nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln anfechtbare Entscheidungen der FG und des BFH. Über den Wortlaut des § 578 ZPO (… durch rechtskräftiges Endurteil …) hinaus kann das Verfahren auch durch Gerichtsbescheid oder durch Beschluss beendet worden sein, z. B. durch Beschlüsse nach §§ 115 Abs. 5, 126 Abs. 2, 72 Abs. 2 S. 2 FGO und andere Einstellungsbeschlüsse.[1] In diesem Fall tritt an die Stelle der Wiederaufnahmeklage der Wiederaufnahmeantrag.[2] Die Entscheidung ergeht dann ebenfalls durch Beschluss.[3]

 

Rz. 5

Gegen Beschlüsse ist das Wiederaufnahmeverfahren aber nur gegeben, wenn sie ein selbstständiges Verfahren abschließen und materiell rechtskräftig werden.[4]

Wegen fehlender materieller Rechtskraft ist die Wiederaufnahme nicht gegeben gegen folgende Beschlüsse:

  • Der Beschluss über die Anordnung, einen Bevollmächtigten zu bestellen, schließt kein selbstständiges Verfahren ab.[5]
  • Beschlüsse im AdV-Verfahren, da sie vom Gericht jederzeit aufgehoben oder geändert werden können und daher nicht der materiellen Rechtskraft fähig sind.[6]
  • Beschlüsse im PKH-Verfahren.[7] Sie können jederzeit wiederholt werden und werden nicht materiell rechtskräftig.[8] Ein Wiederaufnahmeantrag kann aber u. U. als Änderungsantrag oder als erneuter (korrigierter) Antrag angesehen werden.[9]
  • Beschlüsse über die Einstellung des Verfahrens nach Rücknahme der Klage, wenn die Unwirksamkeit der Rücknahme geltend gemacht wird, da § 72 Abs. 2 FGO die Möglichkeit eröffnet, nachträglich die Unwirksamkeit geltend zu machen.[10]
  • Beschlüsse ohne Sachentscheidung nach Erledigung der Hauptsache nach § 138 FGO.
  • Nichtabhilfeentscheidung nach § 130 Abs. 1 FGO.[11]
  • Beschlüsse über eine Tatbestandsberichtigung.[12]

Gegen folgende Beschlüsse ist die Wiederaufnahme möglich:

  • Der Rechtskraft fähige Beschlüsse.
  • Beschlüsse im Verfahren über eine einstweilige Anordnung sind der materiellen Rechtskraft fähig und können daher wieder aufgenommen werden.[13]
  • Einstellungsbeschluss nach Klagerücknahme und Hauptsacherledigung.[14]
  • Beschlüsse über die Zurückweisung oder Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde.[15]
  • Beschlüsse über die Verwerfung der Revision als unzulässig.[16]
  • Beschlüsse über die Zurückweisung der Revision als unbegründet nach § 126a FGO.

Mangels rechtskräftiger Verfahrensbeendigung sind der Wiederaufnahme auch unzugänglich:

  • Zwischenurteile nach § 97 FGO; sie werden zwar formell rechtskräftig, wirken aber nicht verfahrensbeendend.[17]
  • BFH-Urteile nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO, mit denen das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen wird, da mit diesem Urteil das Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Unentschieden ist, ob nach Ergehen des rechtskräftigen FG-Urteils im zweiten Rechtsgang auch die Wiederaufnahme gegen das zurückverweisende Urteil eröffnet ist.[18]
  • Beschluss über die Bestellung eines Prozessbevollmächtigten.[19]

Nach § 583 ZPO können sowohl im Nichtigkeits- als auch im Restitutionsverfahren auch Wiederaufnahmegründe geltend gemacht werden, die eine der angefochtenen Entscheidung vorausgehende Entscheidung (des FG oder des BFH) betreffen, sofern die angefochtene Entscheidung darauf beruht. Damit können im Wiederaufnahmeverfahren auch die nach § 128 Abs. 2 FGO nicht selbstständig anfechtbaren, einem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen, z. B. Beweisbeschlüsse oder auch prozessleitende Verfügungen, überprüft werden, wenn sie Grundlage des angefochtenen Urteils bzw. Beschlusses bilden. Voraussetzung ist nur, dass die vorausgehende Entscheidung nicht ihrerseits mit der Wiederaufnahmeklage angegriffen werden kann. Die Wiederaufnahmeklage richtet sich gegen die den Vorprozess beendende Entscheidung, bei deren Überprüfung die vorausgegangene Entscheidung ebenfalls geprüft wird.[20]

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