Rz. 201

Nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO gelten die in Rz. 150ff. geschilderten Grundsätze auch bei einer Bekanntgabe an einen Beteiligten außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes (Ausland). Es besteht lediglich der Unterschied, dass die Bekanntgabe nicht am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bewirkt gilt, sondern einen Monat nach der Aufgabe zur Post. Mit dieser längeren Frist sollen die im Vergleich zum Inland längeren Postlaufzeiten bei Übersendung ins Ausland berücksichtigt werden (vgl. Rz. 112ff.).

Die Vorschrift gilt entsprechend für die Bekanntgabe an einen Bevollmächtigten im Ausland.[1]

 

Rz. 202

Abs. 2 Nr. 2 ermöglicht eine vereinfachte Bekanntgabe von Verwaltungsakten im Ausland.[2] Voraussetzung ist jedoch, dass der andere Staat der Übersendung von Verwaltungsakten zugestimmt hat. Die Übersendung des Verwaltungsakts durch die Post ins Ausland stellt die Vornahme einer hoheitlichen Handlung (Bekanntgabe eines Verwaltungsakts) im Ausland dar, die einen Eingriff in die Souveränität des ausländischen Staats bedeutet und daher grundsätzlich seiner Zustimmung bedarf. Die Zustimmung erteilt haben bisher Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Kanada, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Slowenien, Slowakei, Spanien, Ungarn und die USA[3]; eingeschränkt möglich ist die Bekanntgabe im Ausland in Liechtenstein[4] und der Schweiz[5]

In diesen Staaten kann durch einfachen Brief, Telefax oder -unter den Voraussetzungen des § 87a AO-durch elektronische Übermittlung bekannt gegeben werden[6]

Soweit die Zustimmung nicht vorliegt, hat eine Zustellung nach § 9 oder § 10 VwZG oder nach § 123 AO izu erfolgen Die Entscheidung liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (§ 5 AO). Erfolgt eine Bekanntgabe im Ausland ohne Zustimmung des betreffenden Staats, ist sie unwirksam, da dann keine Berechtigung zur Vornahme dieses hoheitlichen Akts vorliegt, die typisch hoheitlichen Wirkungen der Bekanntgabe also auch nicht eintreten können.[7]

 

Rz. 203

§ 122 Abs. 2 Nr. 2 AO überschneidet sich in seinen Tatbestandsvoraussetzungen mit § 123 AO. Beide Vorschriften sind anwendbar, wenn die Bekanntgabe im Ausland zu erfolgen hat, der Empfänger also keine inländische Bekanntgabeadresse hat. Grundsätzlich sind daher beide Vorschriften[8] nebeneinander anzuwenden.

Unterschiedlich sind aber die Rechtsfolgen. Während bei § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO die allgemeinen Regeln des § 122 AO gelten, d. h. der Empfänger durch schlichtes Leugnen, die Sendung erhalten zu haben, die Vermutung des Zugangs zerstören kann, ist das bei § 123 AO nicht der Fall. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO kann somit die Beweislast durch einfaches Leugnen der Finanzbehörde auferlegt werden. § 123 AO ist zwar mit dem Verlangen, einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu benennen, die praktisch schwieriger zu handhabende Vorschrift; in den Rechtsfolgen kann die Zugangsvermutung aber nur durch den Gegenbeweis zerstört werden, gibt der Finanzbehörde mit der Verlagerung der Beweislast auf den Empfänger somit eine wesentlich stärkere Stellung.

Die Finanzbehörde kann nach ihrem Ermessen entscheiden, ob sie von § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO, von § 123 AO oder von § 9 VwZG Gebrauch macht. Es besteht kein allgemeines Erfordernis, dass Verwaltungsakte an im Ausland ansässige Stpfl. zuzustellen sind.[9] Kriterien der Ermessensausübung sind die Notwendigkeit, einen einwandfreien Bekanntgabenachweis zu erhalten, Aufwand für das jeweilige Verfahren und das Risiko, dass der Stpfl. bei einem vereinfachten Verfahren den Verwaltungsakt tatsächlich nicht erhält.

Rz. 204–208 einstweilen frei

[2] Bock, DStZ 1986, 329.
[3] Vgl. AEAO, zu § 122 Nr. 1.8.4.
[4] AEAO zu § 122 Nr. 1.8.4 und Nr. 3.1.4.1.
[5] AEAO zu § 122 Nr. 1.8.4 und Nr. 3.1.4.1.
[6] AEAO zu § 122 Nr. 1.8.4.
[7] A. A. Domann, DB 1986, 611.
[8] und § 9 VwZG.
[9] BFH v. 14.10.2010, II S 24/10 PKH, BFH/NV 2011, 201.

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