1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 119 AO ist weitgehend inhaltsgleich mit § 37 VwVfG sowie § 33 SGB X. Durch das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (ÄndGVwVfV) v. 21.8.2002[1] wurden die elekronische Erlassmöglichkeit für Verwaltungsakte zugelassen, die früher in Abs. 4 enthaltene Regelung in § 119 Abs. 3 S. 2 AO übernommen und § 119 Abs. 3 S. 3 AO eingefügt. Durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften v. 25.7.2013[2] wurde § 119 Abs. 3 S. 4 eingefügt. Die Änderung durch das Zweite Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (2. DSAnpUG-EU) v. 20.11.2019[3] hat kaum Bedeutung.

§ 119 AO gilt grundsätzlich für alle Steuern, für die die AO gilt; vgl. zum Geltungsbereich der AO § 1 AO. § 119 AO gilt im Wesentlichen auch für Eingangs- und Ausfuhrabgaben (Zölle) und Abschöpfungen. Art. 22 Abs. 2 UZK bestimmt, dass die Zollbehörden spätestens innerhalb von 30 Tagen überprüfen, ob die Bedingungen für die Annahme des Antrags erfüllt sind. Der Erlass der Entscheidung und ihre Mitteilung hat gem. Art. 22 Abs. 3 UZK binnen 120 Tagen nach Annahme des Antrags zu erfolgen.

 

Rz. 2

Der Aufbau des § 119 AO ist uneinheitlich. § 119 Abs. 1 AO enthält den Grundsatz der inhaltlichen Bestimmtheit und regelt damit eine Voraussetzung der materiellen Wirksamkeit des Verwaltungsakts. Demgegenüber enthalten Abs. 2 und 3 Regelungen über die formellen Erfordernisse; ein Verstoß hiergegen lässt die materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts unberührt, wenn er auch, eben wegen des formellen Fehlers, zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führt. Da jedoch die materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts von diesen formellen Fehlern unberührt bleibt, kann der formelle Fehler nach § 126 AO geheilt werden oder nach § 127 AO unbeachtlich sein. Ein materieller Mangel des Verwaltungsakts entzieht sich dagegen einer Heilung[4] und kann auch nicht unbeachtlich sein. § 119 Abs. 3 S. 2 AO enthält Sonderregelungen für formularmäßig oder mittels EDV erstellte Verwaltungsakte. Betroffen hiervon sind sowohl sachliche als auch formelle Voraussetzungen. Darüber hinaus enthält Abs. 3 S. 3 und 4 formelle Voraussetzungen für einen in elektronischer Form erlassenen Verwaltungsakt.

Rz. 3 einstweilen frei

[1] BGBl I 2002, 3322.
[2] BGBl I 2013, 2749.
[3] BGBl I 2019, 1626; Ersatz des Ausdrucks "der Betroffene" durch "die betroffene Person".
[4] Zu einer Umdeutung vgl. § 128 AO.

2 Inhaltliche Bestimmtheit des Verwaltungsakts (§ 119 Abs. 1 AO)

 

Rz. 4

§ 119 Abs. 1 AO enthält mit dem Grundsatz der inhaltlichen Bestimmtheit die wichtigste allgemeine Bestimmung über die materielle Wirksamkeit eines Verwaltungsakts. Ein Verwaltungsakt ist eine einseitig von der Behörde vorgenommene Regelung, bei der der Betroffene nur in wenigen Fällen (Antragsrecht) Einfluss auf den Inhalt nehmen kann. Es gehört daher zu den grundlegenden, im Interesse der Rechtssicherheit und des Schutzes des Betroffenen bestehenden Regeln, dass die Behörde ihren Regelungswillen klar und eindeutig zum Ausdruck bringt. Der Stpfl. muss erkennen können, ob er betroffen ist und was von ihm verlangt wird bzw. welches Recht ihm zuerkannt wird. Da der Verwaltungsakt eine einseitige Regelung der Behörde darstellt, fällt es regelmäßig in den Verantwortungsbereich dieser Behörde, wenn der Inhalt nicht eindeutig ist.[1]

Steuerbescheide, die die Adressaten lediglich in einem Bescheidkopf mit der jeweiligen Steuernummer benennen und weder eine (vollständige oder abgekürzte) Firmenbezeichnung noch eine Anschrift tragen ("leeres Adressfeld"), erfüllen nicht die Voraussetzungen an die hinreichende Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit ihres Inhaltsadressaten und sind nichtig.[2]

Auch Feststellungsbescheide müssen ebenso wie Steuerbescheide hinreichend deutlich erkennen lassen, für wen sie inhaltlich bestimmt sind.[3] Der Grundsatz der inhaltlichen Bestimmtheit gilt auch für Steuerbescheide. Schriftliche Steuerbescheide müssen nach § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein sowie nach§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag genau bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet.[4]

Ein Änderungsbescheid muss zudem grundsätzlich den geänderten Bescheid erkennen lassen, Hierfür enthält § 157 Abs. 1 AO jedoch eine spezielle Konkretisierung dieses Grundsatzes.[5]

Der Grundsatz der inhaltlichen Bestimmtheit gilt auch für die Nebenbestimmungen des § 120 AO.

Zur inhaltlichen Bestimmtheit von Haftungsbescheiden vgl. Gehm, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 191 AO Rz. 16ff., von Duldungsbescheiden Gehm, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 191 AO Rz. 73; speziell zur inhaltlichen Bestimmtheit von LSt-Haftungsbescheiden vgl. Herrmann, in Frotscher/Geurts, EStG, § 42d Rz. 85.

[1] Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 37 VwVfG Rz. 2ff.
[2] BFH v. 23.8.2017, I R 52/15, BFH/NV 2018, 401 m. w. N.; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 119 AO Rz. 4.

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