Rn. 150

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Der in § 48 Abs 1 S 1 EStG angeordnete Steuereinbehalt durch den Leistungsempfänger erfolgt für Rechnung des Leistenden. Diese Regelung verdeutlicht die Zielrichtung des Steuerabzugs. Er dient der Sicherung der Steueransprüche des Fiskus gegenüber dem Leistenden, indem ein prozentualer Anteil des erzielten Umsatzes an der Quelle abgeschöpft wird. Der Steuerabzugsbetrag wird auf die steuerlichen Verpflichtungen des Leistenden gemäß § 48c EStG angerechnet. Bestehen keine Steueransprüche, kann sich der Leistende den Steuerabzugsbetrag erstatten lassen (§ 48c Abs 2 EStG).

 

Rn. 151

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Die gesetzliche Einordnung des Steuerabzugsbetrags als "für Rechnung des Leistenden vorgenommen" hat zivilrechtliche Auswirkungen. Der ordnungsgemäße Einbehalt und die Abführung des Steuerabzugsbetrags führen insoweit zur Erfüllung des vertraglichen Anspruchs des Leistenden, es sei denn, für den Leistungsempfänger war aufgrund der ihm zum Zeitpunkt der Zahlung bekannten Umstände eindeutig erkennbar, dass eine Verpflichtung zum Steuerabzug nicht bestand (BGH VII ZR 97/04, BGHZ 163, 103, in Anschluss an BGH X ZR 13/99, HFR 2002, 551; vgl auch LG Cottbus v 22.05.2002, 5 O 314/01, BauR 2002, 1703; OLG Mchn v 19.01.2005, 13 W 3007/04, BauR 2005, 1188). Auch wenn die steuerrechtliche Lage im Zeitpunkt der Zahlung ungeklärt ist, darf der Leistungsempfänger zivilrechtlich den Abzugsbetrag mit Erfüllungswirkung an das FA abführen (BGH VII ZR 2/13, HFR 2014, 450; BGH VII ZR 97/04, BGHZ 163, 103). Er hat aber kein Wahlrecht, den Steuerabzug auch in fernliegenden Fällen aus Vorsichtsgründen vorzunehmen (Diebold, DB 2003, 1134; Fuhrmann, KÖSDI 2003, 13 771: keine Erfüllungswirkung, ggf Schadensersatz).

Zahlt der Leistungsempfänger versehentlich die vollständige Gegenleistung an den Leistenden aus, hat er einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Leistenden, soweit er zusätzlich den Steuerabzug vorgenommen hat (BGH VII ZR 2/13, HFR 2014, 450). Hat er den Steuerabzug unterlassen, kann er von dem Leistenden keine Rückerstattung verlangen (LG Limburg v 31.10.2016, 2 O 96/16; OLG Frankfurt v 30.06.2017, 29 U 275/16 und 29 U 276/16, Nichtzulassungsbeschwerden erfolglos: BGH v 11.03.2020, VII ZR 163/17 und VII ZR 164/17).

 

Rn. 152

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Die zivilrechtliche Erfüllungswirkung gilt auch, wenn die Gegenleistung von dem Leistenden an einen Dritten abgetreten worden ist. Durch den Einbehalt von 15 % der Gegenleistung und Auszahlung von 85 % an den Zessionar wird der Leistungsempfänger frei. Das zivilrechtliche Vertragsverhältnis wird durch die gesetzliche Abzugsverpflichtung abgabenrechtlich überlagert. Sofern der Leistungsempfänger seiner Steuerabzugsverpflichtung nachkommt, verhält er sich nicht vertragswidrig. Der Zessionar muss sich wegen der Nachteile, die sich für ihn aus den steuerlichen Verhältnissen des Zedenten ergeben, an diesen halten (BGH VII ZR 97/04, BGHZ 163, 103). Der Forderungserwerber geht das Risiko ein, dass er die Forderung nur iHv 85 % einziehen kann. Er ist darauf angewiesen, dass der Leistende dem Leistungsempfänger vor der Auszahlung eine Freistellungsbescheinigung vorlegt (Schroen, NWB Fach 3, 12 261; Eggers, StuB 2003, 342).

 

Rn. 153

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Dieselben Grundsätze gelten, wenn die Gegenleistung von einem Gläubiger des Leistenden im Wege der Zwangsvollstreckung gepfändet wird. Der Leistungsempfänger erfüllt seine Verpflichtungen als Drittschuldner, wenn er nur 85 % an den Gläubiger des Leistenden auskehrt und 15 % für Rechnung des Leistenden an das FA abführt. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerabzug im Zeitpunkt der Pfändung noch nicht durchgeführt worden ist (Tz 44 BMF BStBl I 2022, 1229; Diebold, DB 2003, 1134; aA Fuhrmann, KÖSDI 2003, 13 771: Vorrang der Einzelzwangsvollstreckung).

 

Rn. 154

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Der Leistungsempfänger ist zivilrechtlich nur berechtigt, den vom Gesetz vorgesehenen Steuerabzug vorzunehmen. Behält er fälschlicherweise einen oder einen zu hohen Steuerabzugsbetrag ein und führt er diesen an das zuständige FA ab, bleibt er gegenüber dem Leistenden zivilrechtlich weiterhin zur Gegenleistung verpflichtet (vgl Ebling, DStR 2001, Beihefter zu Heft 51/52; Schroen, NWB Fach 3, 12 261; Fuhrmann, KÖSDI 2003, 13 771). Der Abzugsbetrag ist dann steuerrechtlich nicht "für Rechnung des Leistenden" erbracht worden. Der Erstattungsanspruch entsteht nicht im Verhältnis zwischen Leistenden und Fiskus, sondern im Verhältnis Leistungsempfänger und Fiskus (§ 37 Abs 2 AO, nach Korrektur der Anmeldung).

 

Rn. 155–156

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

vorläufig frei

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