Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltlicher Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: IX R 4/24)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein unentgeltlich eingeräumtes Nießbrauchsrecht ist ein Wirtschaftsgut i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, das einlage- und entnahmefähig ist.

2. Der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht stellt keine Veräußerung, sondern einen veräußerungsähnlichen Vorgang dar.

3. Veräußerungsähnliche Vorgänge fallen nicht unter § 23 EStG.

 

Normenkette

EStG § 22 Nrn. 2-3, § 23

 

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchrechts im Streitfall zu Einkünften i. S. von § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führt.

Der Klägerin wurde im Jahr 2008 im Wege des Vermächtnisses ein Nießbrauchrecht an dem in E gelegenen Grundstück „Y 1” von ihrem verstorbenen Ehemann A 2 unentgeltlich zugewandt. Das Nießbrauchrecht wurde am 00.00.2009 bestellt. Eigentümer des Grundstücks war eine Erbengemeinschaft, bestehend aus den gemeinsamen Kindern der Klägerin und des verstorbenen A 2, N und A 3.

Das Grundstück war zunächst an einen fremden Dritten vermietet. Die Klägerin erzielte hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 EStG. Ab dem Jahr 2012 vermietete die Klägerin das Grundstück an die Firma A & Co. KG, deren Komplementärin die Klägerin war. Das Nießbrauchrecht wurde im Jahr 2012 zu einem Einlagewert von 0,00 € in das Sonderbetriebsvermögen der Klägerin bei der Firma A & Co. KG eingelegt. Die Mieteinnahmen stellten von 2012 bis Februar 2018 Sonderbetriebseinnahmen der Klägerin gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG dar.

Im Veranlagungszeitraum 2018 schied die Klägerin als Komplementärin bei der Firma A & Co. KG aus (Eintragung im Handelsregister erfolgte am 00.00.2018). Das Nießbrauchrecht wurde mit Beendigung der Mitunternehmerstellung der Klägerin in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu einem Wert von 0,00 € in das Privatvermögen der Klägerin überführt. Die von der Klägerin nunmehr erzielten Mieteinnahmen waren erneut solche i.S. des § 21 EStG.

Mit Vertrag vom 00.00.2017 veräußerte die Erbengemeinschaft das Grundstück „Y 1” an die V GrundstücksverwaltungsGmbH & Co. KG mit der Bestimmung, dass erst bei Erlöschen des Nießbrauchrechtes der Kaufpreis fällig werden sollte. Mit „Vereinbarung über die Aufhebung eines Nießbrauchs” vom 06.11.2019 zwischen der Klägerin und der O GmbH Co. KG verzichtete die Klägerin gegen eine Entschädigung in Höhe von X € auf ihr Nießbrauchrecht. An der O GmbH Co. KG waren N und A 3 im Streitjahr kapitalmäßig zu jeweils 50% als Kommanditisten beteiligt. Die Entschädigung wurde durch N und A 3 geleistet. Der Verkehrswert des Nießbrauchrechts wurde, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, mit X € beziffert, der darüber liegende Betrag wurde als Schenkung qualifiziert.

Einkommensteuerrechtlich zog die Klägerin zunächst keine Folgen aus der Ablösung des Nießbrauchrechts.

Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L (GKBP) führte ab dem 11.06.2021 für den Zeitraum 2017-2019 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin als Vorsitzende des Verwaltungsrats der A Unternehmen durch. Im Rahmen des Prüfungsberichts vom 16.05.2022 trafen die Prüfer unter anderem die Feststellung, dass die Ablösung des Nießbrauchs zu Einkünften i. S. von § 23 EStG führe.

Das zugunsten der Klägerin eingetragene Nießbrauchrecht stelle einen vermögenswerten Vorteil dar. Der Nießbrauch vermittele dem Berechtigten das Recht, die Nutzungen aus dem Nießbrauchgegenstand zu ziehen. Nießbrauchrechte seien auch selbständig bewertbar. Die Bewertung habe nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes zu erfolgen.

Da das Wirtschaftsgut „Nießbrauchrecht” bis zum Verzicht als Einkunftsquelle genutzt worden sei, habe sich die Veräußerungsfrist auf zehn Jahre verlängert. Als Anschaffungszeitpunkt gelte der Zeitpunkt der Entnahme des Nießbrauchrechts aus dem Sonderbetriebsvermögen der Klägerin. Der entgeltliche Verzicht der Klägerin auf das Nießbrauchrecht im Jahr 2019 sei damit innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist erfolgt.

Soweit im BMF-Schreiben vom 30.09.2013 ausgeführt werde, dass eine Ablösung eines Vermächtnisnießbrauchs gegen Einmalzahlung beim Nießbraucher eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung darstelle, sei diese Regelung lediglich zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ergangen und nicht auf § 23 EStG übertragbar.

Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25.11.1992 – X R 34/89, BFHE 170, 76, BStBl II 1996, 663 ergebe sich, dass der Verzicht auf ein Nießbrauchrecht gegen die Zahlung eines Einmalbetrages ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft sei. Das Urteil sei entgegen der Ansicht der Klägerin auf den vorliegenden Fall anwendbar.

Der Veräußerungspreis für das Nießbrauchrecht betrage X €. Zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns seien vom Veräußerungspreis die Anschaffungskosten abzuziehen. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG trete an die...

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