rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabefiktion durch Aufgabe zur Post

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO greift dann nicht, wenn ein Steuerbescheid mit einer falschen Adresse versehen ist und für den Zugang des Bescheids die Ermittlung der richtigen Adresse durch eine weitere Stelle (Post) erforderlich ist.

 

Normenkette

AO 1977 § 122 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Einkommensteuerfestsetzungen für die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1992; streitentscheidend ist letztlich die Frage, ob die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO eingreift oder anderweitige Indizien vorliegen die es rechtfertigen, die entsprechenden Bescheide als durch ordnungsgemäße Bekanntgabe gegenüber dem Kläger wirksam geworden zu betrachten.

Der Kläger handelte jedenfalls seit 1985 mit gebrauchten Kraftfahrzeugen, die er aus den Vereinigten Staaten importierte und in Deutschland an Dritte veräußert. Nachdem der Kläger zunächst ein Einzelunternehmen betrieben hatte, wurde im Jahr 1986 die „………. [Kläger]” Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet. Gesellschafterin war neben dem Kläger Frau …

Die GbR hatte ihren Betriebssitz im ………. 11 in …… Auch der Kläger hatte jedenfalls ab dem Jahr 1987 seinen Wohnsitz im ……… 11 – 13 in …… Der Beklagte richtete seine Schreiben, die für den Kläger persönlich bestimmt waren, an die Adresse „………….”.

Das Unternehmen der GbR wurde zum 20.01.1988 an die ……… GmbH veräußert. Der Kläger als Mitgesellschafter der GmbH wurde zum Geschäftsführer ernannt. Die ……… GmbH hatte als Anschrift die ……… 32 in ……

Der Beklagte sandte noch die Einkommensteuerbescheide des Klägers für 1988 vom 26.10.1990 und für 1989 vom 30.12.1991 wie in der Vergangenheit an dessen Wohnadresse ……… Auch eine Nichtveranlagungs-Verfügung für 1990 vom 01.09.1992 wurde an diese Adresse versandt.

Jedenfalls im Jahr 1992 hatte die ……… GmbH dann ihren Sitz in der ……… 46 in …….

Am 10.02.1992 begann eine Fahndungsprüfung gegenüber der …. …… GmbH für Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer der Jahre 1988 bis 1991, die letztlich mit der Liquidation der GmbH endete.

Im Jahr 1994 wurde dem Beklagten von der Post ein Schreiben zurückgesandt; in den Steuerakten des Beklagten findet sich ein leerer Umschlag mit folgenden Angaben:

„ZURÜCK …

Empfänger hat folgende Anschrift:

[handschriftlicher Eintrag]

……. 46

………”

Am 15.12.1994 änderte der Beklagte daraufhin die Anschrift des Klägers in den Grunddaten in ……. 46. Diese Adresse wurde von dem Beklagten jedenfalls auch seit Dezember 1994 als Anschrift der ……. GmbH geführt.

Bereits unter dem 13.12.1994 war der Bericht über die steuerlichen Feststellungen anlässlich der Fahndungsprüfung bei der …… GmbH gefertigt worden.

In fast allen An- und Verkaufsfällen kam die Steuerfahndung zu dem Ergebnis, dass die Einkaufspreise für die Fahrzeuge zu niedrig erklärt und damit Zollabgaben verkürzt worden waren. Im Übrigen führten die Feststellungen aber auch über verdeckte Gewinnausschüttungen zu erheblichen Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen.

Der Beklagte erließ daher – neben hier nicht streitgegenständlichen Haftungsbescheiden – folgende Einkommensteuerbescheide gegenüber dem Kläger, denen die vorgenannten Feststellungen zugrunde lagen:

Bescheiddatum

Veranlagungszeitraum

30.3.1995

1988

30.3.1995

1989

15.5.1995

1990

2.5.1995

1991

2.5.1995

1992

Die Bescheide wurden durch die Post mit einfachem Brief übermittelt und trugen als Adresse die Anschrift „……… 46” in ……; sie wurden nicht als „unzustellbar” an den Beklagten zurückgesandt.

Jedenfalls bis zum 19.05.1995 war der Kläger aber noch im …………. in …… gemeldet.

Offenbar im Juli 1995 verzog der Kläger an seine jetzige Adresse „……………… 109” in ……

Im Jahr 1995 betrieb der Beklagte die Zwangsvollstreckung aus den Einkommensteuerbescheiden.

Am 12.12.1995 stellte der Kläger deshalb bei Gericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide. In den Antrag heißt es:

„[Der Beklagte hat] die Ansicht vertreten, diese [Bescheide] seinen – teilweise – unanfechtbar, was nicht der Fall ist. Ein Nachweis der Zustellung ist nicht erbracht.”

In seiner Antragsschrift bezog sich der Kläger auf Einsprüche vom 29.09.1995. Nachdem der Beklagte erläutert hatte, dass sich diese Einsprüche – unstreitig – nicht gegen die Einkommensteuerbescheide gerichtet hatten, teilte der Kläger unter dem 22.01.1996 durch seinen Prozessbevollmächtigten mit:

„Ich bedauere außerordentlich, bisher – möglicherweise – gegen die … [Einkommensteuer-]Bescheide … noch keinen Rechtsbehelf eingelegt zu haben. Diese Bescheide sind mit nicht bekannt, liegen mir nicht vor, so dass ich zweifle, ob sie auch der Partei zugegangen sind, ggfls. wann sie der Partei zugegangen sind.”

Gegen die Bescheide legte der Kläger dann ebenfalls unter dem 22.01.1996 Einspruch ein; im Schriftsatz heißt es wörtlich:

„Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Eine Zustellung ist nicht erfolgt. …”

Nachdem der Beklagte dem Kläger in einem Erörterungsschreiben mit...

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