Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammenveranlagungsbescheid. Bekanntgabefiktion

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Streichung der gegenseitigen Bevollmächtigung auf dem Vordrucktext des Mantelbogens zur Einkommensteuererklärung ist nicht als ein Antrag auf Einzelbekanntgabe auszulegen, der die Anwendung der Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 7 AO ausschließt.

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 7

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Einkommensteuerbescheid 1992 vom 29. September 1994 und die nachfolgenden Änderungsbescheide, zuletzt vom 2. Mai 1996, den Klägern wirksam bekannt gegeben wurden.

Die Kläger sind nicht dauernd getrennt lebende Eheleute, die im Streitjahr 1992 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ging am 8. April 1994 beim Beklagten ein.

Diese Einkommensteuererklärung war von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger gefertigt worden. Bei der Einkommensteuererklärung wurden zwei Mantelbögen (Vordruck ESt 1 A Baden-Württemberg in der Fassung August 1992) verwendet, die jeweils nur von einem der beiden Ehegatten unterschrieben waren. Auf beiden Mantelbögen wurde die Zusammenveranlagung beantragt. Eine Bekanntgabevollmacht zugunsten des Prozessbevollmächtigten bestand nicht.

Im Einzelnen waren auf Seite 1 des Mantelbogens, der nur vom Ehemann, dem Kläger zu Ziffer 1, unterschrieben worden war, neben dessen persönlichen Angaben auch die seiner Ehefrau, der Klägerin zu Ziffer 2, mitgeteilt. Der oberhalb des Unterschriftenfelds stehende Formulartext des amtlichen Vordrucks, „Wir sind damit einverstanden, dass die Bescheide einschließlich etwaiger Änderungsbescheide einem der unterzeichnenden Ehegatten mit Wirkung für und gegen den anderen Ehegatten bekannt gegeben werden”, war handschriftlich gestrichen worden. Im Mantelbogen, der nur von der Ehefrau, der Klägerin zu Ziffer 2, unterschrieben worden war, wurden auf Seite 1 an oberster Stelle ihre persönlichen Daten angegeben und in den Zeilen, die der amtliche Vordruck für die persönlichen Angaben zur Ehefrau vorsieht, wurden Angaben zum Ehemann gemacht. Außerdem war – wie im Mantelbogen des Ehemanns – der Formulartext, „Wir sind damit einverstanden, dass die Bescheide einschließlich etwaiger Änderungsbescheide einem der unterzeichnenden Ehegatten mit Wirkung für und gegen den anderen Ehegatten bekannt gegeben werden”, handschriftlich gestrichen worden. An der Erstellung der Erklärung hatte entsprechend dem Stempelaufdruck auf beiden Mantelbögen der Prozessbevollmächtigte der Kläger mitgewirkt.

Der Beklagte führte für das Streitjahr antragsgemäß eine Zusammenveranlagung der Ehegatten durch. Der Einkommensteuerbescheid 1992 ging am 26. September 1994 zur Post. Er stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 der Abgabenordnung (AO) und war vorläufig wegen anhängiger Verfahren und Verfassungsbeschwerden gem. § 165 AO. Der Bescheid erging in einer Ausfertigung und war an die gemeinsame Anschrift der Eheleute wie folgt adressiert: „Herrn und Frau … und … …”. Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legte der Bevollmächtigte der Kläger Einspruch ein und stellte einen Stundungsantrag, ohne einen Mangel der Bekanntgabe hierbei zu rügen (Einkommensteuerakte 1992 Blatt 56b und 56e). Aufgrund von Änderungen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Vermietung und Verpachtung änderte der Beklagte den vorgenannten Einkommensteuerbescheid des Streitjahrs ab. Der geänderte Bescheid ging in einer Ausfertigung am 8. Juni 1995 zur Post, stand ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und war teilweise vorläufig. Dieser Änderungsbescheid wurde wie der erstmalige Einkommensteuerbescheid an die gemeinsame Anschrift der Eheleute adressiert. Weitere Änderungen der Einkünfte der klagenden Eheleute veranlassten den Beklagten den Einkommensteuerbescheid des Streitjahrs erneut zu ändern. Der zweite Änderungsbescheid ging wiederum in einer Ausfertigung am 2. Mai 1996 zur Post und war wie die bisherigen Bescheide an die gemeinsame Anschrift der Eheleute adressiert.

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2000 teilte der Bevollmächtigte des Klägers zu Ziffer 1 dem Beklagten mit, dass er bei Durchsicht der Steuerakten bemerkt habe, dass einige Einkommensteuerbescheide – einschließlich der des Streitjahrs und der nachfolgenden Änderungsbescheide – nicht nach der gesetzlichen Vorschrift zugestellt worden und somit nichtig seien. Der Bevollmächtigte des Klägers zu Ziffer 1 stellte beim Beklagten sodann den Antrag, zur Beseitigung des falschen Rechtsscheins die nicht wirksam bekannt gegebenen Bescheide für nichtig zu erklären und einen Abrechnungsbescheid für das Streitjahr zu erlassen. Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass er von einer wirksamen Bekanntgabe der Bescheide ausgehe. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 31. Mai 2001 den Antrag des Klägers zu Ziffer 1 auf Erlass eines Abrechnungsbescheids für das Streitjahr ab. Der hiergegen eingelegte Eins...

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