Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlust der wirtschaftlichen Identität. Branchenwechsel einer Kapitalgesellschaft ohne gleichzeitige Zuführung neuen Betriebsvermögens

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Übertragung von mehr als der Hälfte der Geschäftsanteile sowie die Änderung des Unternehmenszwecks einer Körperschaft von einer aktiv tätigen zu einer vermögensverwaltenden Gesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ist ohne die Zuführung neuen Betriebsvermögens nicht hinreichend, um den Verlust der wirtschaftlichen Identität der Gesellschaft anzunehmen.

 

Normenkette

KStG 1996 § 8 Abs. 4; GewStG 1991 § 10a S. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.05.2008; Aktenzeichen I R 87/07)

 

Tenor

Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1998 und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1998, beide vom 15. März 2002, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. September 2003, werden aufgehoben.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Der Unternehmensgegenstand der Klägerin war in der Vergangenheit die Sonderabfallentsorgung für Krankenhäuser, Kliniken und gewerbliche Betriebe. Die Klägerin nutzte dafür ein gesondert genehmigtes Abfallzwischenlager. Der Grund und Boden war per Erbpacht angepachtet. Die darauf errichteten Gebäude zur Abfallbehandlung und die dazu erforderlichen Betriebsvorrichtungen standen im Eigentum der Klägerin.

Von den Geschäftsanteilen der Klägerin wurden mit Vertrag vom 30. Dezember 1994 30 % und mit Vertrag vom 27. Juni 1996 20 %, jeweils per 01. Januar 1995, mit Vertrag vom 03. Juli 1997 per 01. Januar 1997 25 % sowie mit Vertrag vom 30. September 1998 25 % und mit Vertrag vom 16. November 1998 50 %, jeweils per 01. Januar 1998, veräußert.

Mit Vertrag und Wirkung vom 31. Dezember 1998 übertrug die Klägerin ihr operatives Geschäft auf die …gesellschaft mbH (…). Das … gelegene Industriegrundstück verpachtete sie an die …. Weiteres unbewegliches Anlagevermögen behielt die Klägerin zurück. Die immateriellen Wirtschaftsgüter – darunter auch eine Transportgenehmigung nach § 49 Abs. 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW/AbfG) – sowie Vorräte, Forderungen und Verbindlichkeiten veräußerte die Klägerin an die …. Die … übernahm die Arbeitnehmer der Klägerin, die wesentlichen vertraglichen Verpflichtungen, den Kundenund Lieferantenstamm sowie die erforderlichen Genehmigungen. Das bewegliche Anlagevermögen veräußerte die Klägerin an eine dritte Gesellschaft, die es in der Folge an die … verpachtete. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist seither die Verwaltung und Verpachtung des Grundbesitzes und der Anlagen. Neues Betriebsvermögen ist der Klägerin nicht zugeführt worden.

In den Jahren 2000 und 2001 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. Der Prüfer kam zu der Auffassung, dass der zum 31. Dezember 1997 festgestellte verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer in Höhe von DM 6 927 295 und der zum 31. Dezember 1997 festgestellte Gewerbeverlust in Höhe von DM 5 282 970 gemäß § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), hinsichtlich des Gewerbeverlustes i.V.m. § 10a Satz 4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), nicht abzugsfähig sei. Der Beklagte erließ daraufhin die hier angefochtenen geänderten Bescheide über Körperschaftsteuer 1998, 1999 und 2000, die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zum 31. Dezember 1998, zum 31. Dezember 1999 und zum 31. Dezember 2000, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1998, auf den 31. Dezember 1999 und auf den 31. Dezember 2000, über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1998, auf den 31. Dezember 1999 und auf den 31. Dezember 2000 sowie über Gewerbesteuermessbetrag und Gewerbesteuer 1999 und 2000.

Die Klägerin macht geltend, dass sie ihre wirtschaftliche Identität i.S.d. § 8 Abs. 4 KStG nicht verloren habe, weil ihr – was unverzichtbare Voraussetzung der Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG sei – kein neues Betriebsvermögen zugeführt worden sei.

Ergänzend weist sie darauf hin, dass § 8 Abs. 4 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 wegen Mängeln des Gesetzgebungsverfahrens verfassungswidrig sein könnte.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1998 und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewer...

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