rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Verzicht auf Aussetzungszinsen infolge sachlicher Unbilligkeit bei Verpfändung eines Festgeldkontos, Erzielung von der Höhe nach unter den Aussetzungszinsen liegenden Festgeldzinsen und bei unterlassener Weiterverfolgung eines Antrags auf Aufhebung der AdV und Freigabe des verpfändeten Festgeldkontos

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Entscheidung, ob nach § 237 Abs. 4 i. V. m. § 234 Abs. 2 AO aus Billigkeitsgründen auf – nach endgültiger Erfolgslosigkeit eines Rechtsbehelfs entstandene – Aussetzungszinsen verzichtet werden kann, handelt es sich analog zu der Regelung des § 163 AO um ein gesondertes Billigkeitsverfahren, das außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Zinsfestsetzung zu behandeln ist und eine Ermessensausübung der Finanzbehörde erfordert.

2. Ein Verzicht auf Aussetzungszinsen aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit kommt nur in Betracht, wenn die Erhebung der Zinsen im Einzelfall mit Rücksicht auf den § 237 AO zugrunde liegenden Zweck nicht mehr zu rechtfertigen ist bzw. den gesetzlichen Wertungen zuwider läuft. Die Erhebung von Aussetzungszinsen ist auch dann nicht sachlich unbillig, wenn Sicherheiten für die ausgesetzte Abgabenforderung verlangt und gestellt worden sind.

3. Ist ein Festgeldkonto als Sicherheit für die Aussetzung der Vollziehung einer Abgabenforderung verpfändet worden, so ist nicht etwa infolge sachlicher Unbilligkeit ein Teilverzicht auf die Ausssetzungszinsen in dem Umfang geboten, in dem die Aussetzungszinsen von 6 % jährlich den mit der Festgeldanlage in dem für die Aussetzung der Vollziehung relevanten Zeitraum erzielten Festgeldzins überstiegen haben. Ein Teilverzicht ist auch dann nicht geboten, wenn der Steuerpflichtige zwar bereits vor Ablauf der Aussetzung der Vollziehung und vor der endgültigen gerichtlichen Entscheidung über den Rechtsbehelf in der Hauptsache bei der Finanzbehörde die Aufhebung der Verpfändungsvereinbarung sowie die Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung beantragt hat, wenn er diesen Antrag jedoch nach einer schriftlichen Ablehnung durch die Finanzbehörde nicht weiterverfolgt und nicht weiter alles Gebotene gegenüber der Finanzbehörde unternommen hat, um doch noch die vorzeitige Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung und die Freigabe der verpfändeten Beträge zu erreichen.

 

Normenkette

AO § 237 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 234 Abs. 2, §§ 5, 163, 227; FGO § 102

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.04.2013; Aktenzeichen V R 29/11)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Erlass von Aussetzungszinsen nach einem vor dem Finanzgericht – FG – Berlin und dem Bundesfinanzhof – BFH – anhängig gewesenen Rechtsstreit.

Die Klägerin war Veranstalterin für Deutschland im Rahmen der Welttournee einer Musikgruppe. Dabei hatte die Klägerin die „Promotion und Bühnenorganisation” für die Deutschlandauftritte übernommen. In diesem Zusammenhang schloss sie mit der V. Inc., ansässig in den USA, – im Folgenden: V. – einen Vertrag über die Bereitstellung von technischen Materialien und Dienstleistungen für Engagements im Rahmen der Tournee. Die V. stellte danach insbesondere das Bühnenequipment inklusive Personal für eine Vergütung von 9.246.000 US-Dollar zur Verfügung. Die V. stellte der Klägerin Rechnungen, ohne darin Umsatzsteuer auszuweisen. Die Eigenumsätze der Klägerin waren nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UmsatzsteuergesetzUStG – umsatzsteuerfrei.

Die Klägerin meldete beim Beklagten für die von V. bezogenen Leistungen Umsatzsteuer im Abzugsverfahren (§§ 5156 Umsatzsteuer-DurchführungsverordnungUStDV –) an, legte dagegen jedoch ebenso wie die V. Einsprüche ein. Die Beteiligten vereinbarten, hinsichtlich des Voranmeldungszeitraumes Juni 1998 ein Musterverfahren vor Gericht zu betreiben, worauf der Beklagte insoweit eine abschlägige Einspruchsentscheidung erließ und die V. vor dem FG Berlin am 27.04.1999 Klage erhob, die dort unter dem Aktenzeichen 7 K 7137/99 geführt wurde. Zu diesem Verfahren wurde die Klägerin beigeladen. Mit Urteil vom 20.03.2001 gab das FG Berlin der Klage statt, ließ jedoch die Revision zu (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2001, 996). Die dagegen vom Beklagten eingelegte Revision hatte Erfolg. Der BFH hob das finanzgerichtliche Urteil mit Urteil vom 06.11.2002 V R 57/01 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2003, 827) auf und verwies den Rechtsstreit an das FG Berlin zurück. Dieses wies im II. Rechtsgang mit Urteil vom 03.05.2005 7 K 7512/02 die Klage ab. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg (BFH, Beschluss vom 07.07.2006 V B 113/05, BFH/NV 2006, 2103). Im Klageverfahren wurde V. durch die Sozietät … und Partner – im Folgenden: X – vertreten, an der der Klägervertreter zu 2. beteiligt war, die Klägerin durch eine andere Sozietät.

Noch vor Klageerhebung, nämlich am 02.09.1998, hatte die Klägerin unter ...

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