Entscheidungsstichwort (Thema)

§ 10d EStG a.F. als eigenständige Korrekturvorschrift; Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus

 

Leitsatz (NV)

1. Ein bereits gewährter Verlustabzug kann nach § 10d EStG a.F. im Rücktragsjahr auch wegen eines Rechtsfehlers berichtigt werden.

2. Der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus ist anhand der Kostenmiete zu ermitteln, wenn dieses Haus besonders aufwendig gestaltet oder ausgestattet ist.

 

Normenkette

EStG § 10d a.F., § 21 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines Zweifamilienhauses.

Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte mit dem geänderten Einkommensteuerbescheid für 1983 vom 21. Juli 1986 einen Verlustrücktrag aus dem Jahr 1985 in Höhe von 72957 DM. Mit Bescheid vom 19. Januar 1988 verminderte das FA diesen Verlustrücktrag auf 25391 DM mit der Begründung, als Rohmietwert der von der Klägerin selbstgenutzten Wohnung in ihrem Haus sei die Kostenmiete anzusetzen. Während des Einspruchsverfahrens berichtigte das FA den Verlustrücktrag auf 25931 DM (Bescheid vom 6. Juli 1988). Als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung setzte es mit allen Einkommensteuerbescheiden für 1983 ./. 34132 DM an. Der Einspruch gegen die Herabsetzung des Verlust-rücktrags blieb erfolglos.

Für 1984 errechnete das FA im Bescheid vom 24. Mai 1985 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 29283 DM und setzte die Einkommensteuer in Höhe von 33444 DM fest. Mit dem Änderungsbescheid vom 17. September 1987 setzte das FA die Einkommensteuer auf 30617 DM herab. Es berücksichtigte dabei einen Verlustrücktrag aus dem Jahr 1986 in Höhe von 52237 DM und erhöhte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf 17743 DM. Es ging dabei vom Ansatz der Kostenmiete aus. Der Einspruch hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hob die Einkommensteuerbescheide für 1983 und 1984 vom 19. Januar 1988 und 17. September 1987 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf. Zur Begründung führte es aus, als Rohmietwert einer Wohnung im eigenen Haus dürfe nach § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur die Marktmiete, nie die Kostenmiete angesetzt werden.

Das FA rügt mit der auf das Streitjahr 1983 beschränkten Revision Verletzung des § 21 Abs. 2 EStG. Nach seiner Auffassung ist im Streitfall die Kostenmiete anzusetzen.

Die Klägerin rügt mit ihrer auf das Streitjahr 1984 beschränkten Revision Verletzung des § 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FG hätte die Einkommensteuer für 1984 selbst festsetzen müssen. Sie sei dadurch beschwert, daß aufgrund der Aufhebung des Einkommensteuerbescheids vom 17. September 1987 die höhere Steuerfestsetzung im Bescheid vom 24. Mai 1985 wieder in Kraft getreten sei.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen und das FG zu veranlassen, die für zutreffend gehaltene Einkommensteuer für das Jahr 1984 festzusetzen, hilfsweise, die Steuer für das Jahr 1984 auf der Grundlage der festgestellten Kostenmiete und der Berücksichtigung des Verlustrücktrags 1986 festzusetzen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung für das Streitjahr 1984 aufzuheben und die Einkommensteuer auf 30617 DM festzusetzen.

Das FA erließ während des Revisionsverfahrens Änderungsbescheide für die Streitjahre, in denen es die Steuerfestsetzung hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrags (§ 32a Abs. 1 EStG) für vorläufig erklärte, für 1983 mit der Maßgabe, daß die Einkommensteuer den im Bescheid vom 21. Juli 1986 festgesetzten Betrag von 31605 DM nicht unterschreiten dürfe.

Die Klägerin beantragt, diese Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2, § 127 FGO).

I. Die während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheide wurden auf Antrag der Klägerin Gegenstand des Verfahrens (§§ 68, 121, 123 Satz 2 FGO).

II. 1. Revision des FA

a) Die Vorentscheidung verletzt hinsichtlich des Streitjahres 1983 § 21 Abs. 2 EStG in der für das Jahr 1985 geltenden Fassung, weil das FG zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus stets anhand der Marktmiete zu ermitteln ist.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 (BFHE 174, 51) erneut ausgeführt hat, ist der Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus i.S. des § 21 Abs. 2 EStG dann anhand der Kostenmiete zu ermitteln, wenn dieses Haus besonders aufwendig gestaltet oder ausgestattet ist. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.

b) Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher bezüglich des Streitjahres 1983 aufzuheben. Das FG wird Feststellungen zu der Frage nachzuholen haben, ob für das Jahr 1985 die Kosten- oder die Marktmiete anzusetzen war. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird es für den Fall des Ansatzes der Kostenmiete folgendes zu beachten haben:

Rechtsgrundlage für die nachträgliche Herabsetzung des Verlustrücktrags in den Bescheiden vom 19. Januar und 6. Juli 1988 ist § 10d Sätze 2 und 3 EStG in der damals geltenden Fassung. Diese Regelung ist neben den abgabenrechtlichen Vorschriften eine eigenständige Korrekturvorschrift. Ein bereits gewährter Verlustabzug kann danach im Rücktragsjahr nicht nur aufgrund neuer Tatsachen, sondern auch wegen eines Rechtsfehlers berichtigt werden (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. November 1989 VIII R 209/85, BFHE 160, 219, BStBl II 1990, 620; vom 18. September 1991 XI R 36/90, BFH/NV 1992, 37; vom 9. Juli 1992 XI R 23/91, BFH/NV 1992, 815). Korrekturgrund ist allein ein in bezug auf den Verlustabzug fehlerhaftes Ergebnis. Die Ursache des Fehlers ist irrelevant. Die gesetzliche Regelung bezweckt die richtige und vollständige Verwirklichung des Verlustabzugs und stellt in diesem Bereich die Rechtmäßigkeit des Bescheids vor das Vertrauen auf dessen Bestand (BFH-Urteile in BFH/NV 1992, 37 und 815).

2. Revision der Klägerin

a) Für das Streitjahr 1984 ist das FG-Urteil aufzuheben, weil es durch ersatzloses Aufheben des Bescheids vom 17. September 1987, der gegenüber dem ursprünglichen Bescheid vom 24. Mai 1985 für die Klägerin günstiger war, die Rechtsposition der Klägerin in unzulässiger Weise verschlechtert hat (Verböserungsverbot; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1970 VI R 313/68, BFHE 102, 202, BStBl II 1971, 591 m.w.N.).

b) Im zweiten Rechtsgang wird das FG den Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung nach Maßgabe des Urteils vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 zu ermitteln haben.

Dabei wird es für den Fall des Ansatzes der Kostenmiete folgendes zu berücksichtigen haben:

Verfahrensrechtliche Gründe für eine Erhöhung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Verlustrücktragsjahr 1984 ist vorbehaltlich eines etwaigen Vertrauensschutzes nach § 177 Abs. 3 i.V.m. § 176 der Abgabenordnung (AO 1977) die Vorschrift des § 177 Abs. 2 AO 1977 (BFH-Urteil vom 27. September 1988 VIII R 432/83, BFHE 155, 83, BStBl II 1989, 225).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419538

BFH/NV 1994, 700

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