Leitsatz (amtlich)

Eine Kapitalerhöhung einer schweizerischen Aktiengesellschaft, bei der die benötigten Mittel nicht aus Einlagen, sondern aus Rücklagen stammen, und die den schweizerischen Rechtsnormen über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln entspricht, führt zu keiner Erhöhung des Einkommens der inländischen Aktionäre.

 

Normenkette

KapErhStG § 7; KapErhG § 1 ff.

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG mit Sitz im Inland, war an einer AG mit Sitz in der Schweiz beteiligt. Die Generalversammlung der schweizerischen AG beschloß am 17. Dezember 1963, das Grundkapital von 500 000 sfrs auf 750 000 sfrs zu erhöhen. Dazu enthält das Protokoll folgende Bestimmung: "Liberiert werden Fr. 100 000 (hunderttausend Franken) zu Lasten des Spezial-Reservefonds. Die Volliberierung soll wenn möglich 1964 in gleicher Weise erfolgen." Durch Beschluß vom 27. Juni 1964 wurden dem in der Bilanz der schweizerischen AG zum 31. Dezember 1962 mit 100 000 sfrs ausgewiesenen Spezialreservefonds aus dem Gewinn 1963 weitere 150 000 sfrs zugewiesen. Der Gesamtbetrag dieses Spezialreservefonds wurde dann im Streitjahr 1964 auch buchungstechnisch in Grundkapital umgewandelt.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) behandelte nur die Umwandlung des am 31. Dezember 1962 vorhandenen Spezialreservefonds von 100 000 sfrs in Grundkapital als steuerfrei nach § 7 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer i. d. F. vom 2. November 1961 (BGBl I 1961, 1917, BStBl I 1961, 708) - KapErhStG -. Für den Anteil der Klägerin an dem darüber hinausgehenden Betrag der Kapitalerhöhung von 150 000 sfrs setzte das FA bei der Körperschaftsteuerveranlagung 1964 Anschaffungskosten von 94 781 DM an, die das Einkommen der Klägerin erhöhten.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Auf die Klage hat das FG die Körperschaftsteuer in der Weise herabgesetzt, daß es den Betrag von 94 781 DM vom Einkommen abzog. Zur Begründung hat das FG, dessen Entscheidung in EFG 1974, 275, veröffentlicht ist, ausgeführt, die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln beruhe im Streitfall auf keiner Doppelmaßnahme und führe daher bei der Klägerin zu keiner Erhöhung des Einkommens.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der gerügt wird

1. die unrichtige Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 7 KapErhStG sowie

2. der unrichtige Ansatz der Ermäßigung für Einkünfte aus Berlin (West) nach § 21 Abs. 3 des BHG 1964.

Das FA meint, eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die der deutschen Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht entspreche und daher nicht nach § 7 KapErhStG steuerlich begünstigt sei, müsse zwangsläufig als Doppelmaßnahme i. S. des deutschen Rechts angesehen werden. Das treffe im Streitfall auf die zweite Stufe der Kapitalerhöhung der schweizerischen AG zu, weil insoweit zur Kapitalerhöhung Gewinn verwendet worden sei, der im Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht in einer Bilanz als verfügbare Reserve ausgewiesen gewesen sei, ja zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht entstanden sei.

Sollte indes die Klage im Hauptpunkt Erfolg haben, betrage die Ermäßigung für Einkünfte aus Berlin (West) nur 11 546 DM.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die verbleibende Steuerschuld um 679 DM höher auf 533 603 DM festzusetzen.

Die Klägerin hält die Revision für unbegründet.

Der BdF ist dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 FGO beigetreten. Er teilt die Auffassung des FA.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nur begründet, soweit das FA unrichtigen Ansatz der Ermäßigung für Einkünfte aus Berlin (West) rügt. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, die die schweizerische AG durchgeführt hat, führt bei der Klägerin nicht zu steuerpflichtigen Einkünften (§§ 1, 7 KapErhStG).

1. Erhöht eine Kapitalgesellschaft das Nennkapital nach den Vorschriften des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung vom 23. Dezember 1959 - Kap-ErhG - (BGBl I 1959, 789), so unterliegt der Erwerb der neuen Anteilsrechte nicht den Steuern vom Einkommen und Ertrag (§ 1 KapErhStG). Die Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Nennkapitals erworbenen Anteilsrechte sind auf diese und auf die neuen Anteilsrechte zu verteilen (§ 3 KapErhStG). Diese Vorschriften sind auf den Erwerb der Anteilsrechte einer ausländischen Gesellschaft anzuwenden, wenn die ausländische Gesellschaft den deutschen Kapitalgesellschaften vergleichbar ist und die Anteilsrechte den Anteilsrechten deutscher Kapitalgesellschaften wirtschaftlich entsprechen und auf Maßnahmen der ausländischen Gesellschaft beruhen, die einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln i. S. des deutschen Rechts (§ 1 KapErhStG) entsprechen (§ 7 Kap-ErhStG).

2. Die letzte Voraussetzung, daß die neuen Anteilsrechte auf Maßnahmen beruhen, die einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach deutschem Recht entsprechen, knüpft daran an, daß es nach deutschem Recht zwei Arten der Kapitalerhöhung gibt: Die Kapitalerhöhung gegen Einlagen und die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Die Kapitalerhöhung gegen Einlagen führt der Gesellschaft neue Mittel zu, die der Gesellschafter im Wege der Bareinlage oder Sacheinlage zu leisten hat. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln führt der Gesellschaft keine neuen Mittel zu. Sie besteht darin, daß offene Rücklagen in Nennkapital umgewandelt werden (§ 1 KapErhG).

Da es bei dieser Art der Kapitalerhöhung an einer haftungsbegründenden Zeichnung der neuen Aktien fehlt, umgibt das KapErhG die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit einem Netz von Sicherungen. Die Rücklagen, die in Nennkapital umgewandelt werden sollen, müssen in der letzten Jahresbilanz und in der dem Beschluß zugrunde gelegten Bilanz unter den "offenen Rücklagen" ausgewiesen sein (§ 2 Abs. 1 KapErhG). Sie können nicht umgewandelt werden, soweit in der zugrunde gelegten Bilanz ein Verlust, einschließlich eines Verlustvortrags, oder ein anderer Gegenposten zum Eigenkapital ausgewiesen ist (§ 2 Abs. 2 KapErhG). Die Bilanz, die der Kapitalerhöhung zugrunde gelegt wird, ist von Prüfern darauf zu prüfen, ob sie den Vorschriften über die Gliederung und über die Wertansätze entspricht (§ 4 KapErhG).

§ 7 KapErhStG hat die Bedeutung, daß nur die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln in der Form der Kapitalerhöhung durch Umwandlung von Rücklagen das steuerrechtliche Einkommen der Gesellschafter nicht erhöht. Denn bei dieser Art der Kapitalerhöhung erhält der Gesellschafter durch die neuen Anteilsrechte nichts, was er nicht schon früher besessen hätte (Deutscher Bundestag - BT -, 3. Wahlperiode, zu Drucksache 2706; schriftlicher Bericht des Finanzausschusses zu der Vorschrift des § 5 a KapErhStG, die jetzt § 7 KapErhStG ist). Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist ein Vorgang, der sich innerhalb der Vermögenssphäre der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter abspielt und der die Ertragssphäre der Gesellschafter nicht berührt (BT-Drucksache 101/58 vom 11. April 1958). Ist dies der Rechtsgrund dafür, daß die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln das Einkommen der Gesellschafter nicht erhöht, so kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln der ausländischen Kapitalgesellschaft in allen Einzelheiten den deutschen Vorschriften entspricht. Wie weit das ausländische Recht Sicherungen vorsieht, ist eine Frage des ausländischen Gesellschaftsrechts und berührt nicht das Wesen der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, auf das es für die steuerrechtliche Beurteilung allein ankommt.

3. Nach diesem Verständnis des § 7 KapErhStG sind im Streitfall die Voraussetzungen für die Anwendung der §§ 1, 3 KapErhStG auf die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln der schweizerischen AG erfüllt.

Die schweizerische AG ist der deutschen AG vergleichbar, ihre Aktien entsprechen wirtschaftlich den deutschen Aktien (Art. 620 ff. des Schweizerischen Obligationenrechts - OR -). Die neuen Anteilsrechte, die die Klägerin auf Grund der beschlossenen Kapitalerhöhung erhalten hat, beruhen in vollem Umfang auf Maßnahmen, die einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach deutschem Recht "entsprechen" (i. S. des § 7 KapErhStG). Nach schweizerischem Aktienrecht ist, wie das FG festgestellt hat, neben der im Gesetz geregelten Kapitalerhöhung gegen Einlagen (Art. 650 ff. OR) auch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zulässig. Sie unterscheidet sich auch nach schweizerischem Recht von der Kapitalerhöhung gegen Einlagen dadurch, daß der Gesellschaft keine neuen Mittel zugeführt werden, das Grundkapital vielmehr durch Umwandlung von Reserven oder unverteilten Gewinnen erhöht wird (von Steiger, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 1966 S. 292). Sie entspricht damit - jedenfalls soweit Rücklagen in Grundkapital umgewandelt werden - ihrem Wesen nach der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach deutschem Recht (vgl. Erlaß vom 3. Oktober 1975, BB 1975, 1424).

Das gilt im Streitfall nicht nur für die erste Stufe der Kapitalerhöhung in Höhe von 100 000 sfrs, sondern auch für die zweite Stufe in Höhe von 150 000 sfrs. Nach deutschem Recht wäre es allerdings nicht möglich gewesen, die Spezialreserve auch in Höhe der vorerst noch nicht vorhandenen 150 000 sfrs in Grundkapital umzuwandeln. Denn die Rücklagen, die in Grundkapital umgewandelt werden sollen, müssen in der letzten Jahresbilanz und, wenn dem Beschluß eine andere Bilanz zugrunde gelegt wird, auch in dieser Bilanz unter "Rücklagen" ausgewiesen sein (§ 2 Abs. 1 KapErhG; Lutter in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Vorbemerkungen vor § 207 Tz. 16). Dieses Gebot hängt aber eng mit den erwähnten Sicherungen zusammen, mit denen das deutsche Recht die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln umgeben hat. Das Wesen der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln als Umwandlung von Rücklagen in Grundkapital wird durch das Fehlen dieser Sicherungen nicht verändert.

Die Frage kann nur sein, ob es nach schweizerischem Aktienrecht zulässig war, Beträge in Grundkapital umzuwandeln, die im Zeitpunkt des Beschlusses vom 17. Dezember 1963 in der dafür vorgesehenen Spezialreserve noch nicht enthalten waren. Diese Frage hat das FG im Ergebnis zu Recht bejaht. Die Eintragung in das Handelsregister, die am 28. September 1964 im Anschluß an den Beschluß der schweizerischen AG vom 27. Juni 1964 erfolgte und durch die die Kapitalerhöhung wirksam wurde (Art. 653 OR), bietet eine Gewähr dafür, daß das schweizerische Recht nicht verletzt wurde und daß es sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelte (Art. 940 OR; vgl. Urteil des BFH vom 10. Oktober 1973 I R 18/72, BFHE 110, 417, BStBl II 1974, 32). In dieser Eintragung ist der Satz enthalten: "Das Grundkapital von Fr. 750 000 ist nun, durch Entnahme von Fr. 150 000 aus einer Spezialreserve, voll liberiert."

Das FG hat auch festgestellt, daß im Streitfall keine Einzahlungsverpflichtungen der Aktionäre begründet wurden, die allerdings das Wesen der Kapitalerhöhung verändert hätten. Soweit in der Bilanz der schweizerischen AG zum 31. Dezember 1963 auf der Passivseite bereits ein Grundkapital von 750 000 sfrs und auf der Aktivseite "Ausstehende Einlagen auf das Grundkapital" von 150 000 sfrs ausgewiesen sind, ist die Bilanz falsch. Weder bestanden die ausstehenden Einlagen noch war das Grundkapital vor Eintragung der Volliberierung auf 750 000 sfrs erhöht (Art. 653 OR).

Die Kapitalerhöhung war bei Eintritt ihrer Wirksamkeit eine Kapitalerhöhung durch Umwandlung von Rücklagen und nicht durch Umwandlung von Gewinn. Der Senat braucht daher nicht zu prüfen, ob auch eine Kapitalerhöhung durch Umwandlung von Gewinn in Grundkapital die Voraussetzungen des § 7 KapErhStG erfüllt hätte.

4. Das FG hat, wie das FA in der Revision zutreffend ausführt, die Ermäßigung für Einkünfte aus Berlin (West) unrichtig berechnet. Insoweit ist die Berechnung der Körperschaftsteuer richtigzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72182

BStBl II 1977, 177

BFHE 1977, 362

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