Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlassung von Belieferungsrechten als gewerbliche Tätigkeit

 

Leitsatz (NV)

Wer Rechte zur Belieferung von Kunden mit Büchern und Schallplatten einer Verlagsgemeinschaft zur Betreuung und Verwaltung überläßt und von dieser das auf ihn entfallende Betriebsergebnis fordern kann, ist gewerblich tätig.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; GewStG § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als sog. Vertriebsfirma Inhaberin von Belieferungsrechten aus Sukzessivlieferverträgen mit Mitgliedern des A-Clubs. Diese sog. Ringmitglieder verpflichten sich zu einer regelmäßigen Mindestabnahme von Waren des A-Konzerns (insbesondere von Büchern und Schallplatten). In dieses System ist der A-Konzern über seine Verlagsgemeinschaft "in den Vertrieb eingeschaltet". Die Vertriebsfirmen schließen mit der Verlagsgemeinschaft Betreuungsverträge ab, nach denen die Verlagsgemeinschaft den Vertrieb im eigenen Namen durchführt. Neugeworbene Ringmitglieder treten im Außenverhältnis in vertragliche Beziehung nur zu der Verlagsgemeinschaft. Die von der Verlagsgemeinschaft geworbenen Kunden werden gegen Kostenerstattung den einzelnen Vertriebsfirmen zugeteilt.

Die Inhaber der Vertriebsfirmen können die Belieferungsrechte durch Verkauf, Schenkung oder Vererbung auf Dritte übertragen. Dadurch gehen Belieferungsrechte auch auf "Privatpersonen" über, die in eigener Person keine aktive gewerbliche Tätigkeit ausüben. Diese "Privatpersonen", zu denen die Klägerin gehört, werden ebenfalls als "Vertriebsfirmen" bezeichnet.

Die Klägerin schloß am 1. Januar 1971 mit der Verlagsgemeinschaft einen Vertrag ab, welcher der Standard-Betreuungsvereinbarung entspricht. Nach § 1 Nr. 1 und 2 des Vertrages werden der Verlagsgemeinschaft die "im Eigentum" der Klägerin verbleibenden Belieferungsrechte zur Nutzung überlassen. Die Verlagsgemeinschaft verpflichtet sich, die Belieferungsrechte "nach Handelsbrauch und nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns zu verwalten" (§ 3 Nr. 1). "Als Entgelt für die Nutzungsüberlassung" ist das "liquiditätsmäßig realisierte Betriebsergebnis je Ring" auszuzahlen; der Anteil der Klägerin errechnet sich "nach dem Anteil des Geldeingangs ihres Mitgliederbestands am Gesamtgeldeingang je Ring" (§ 4 Nr. 1). Ein "Prüfungsausschuß" nimmt die Interessen der Vertriebsfirmen gegenüber der Verlagsgemeinschaft wahr (§ 6 Nr. 1).

Die Klägerin erhielt ihre ersten Belieferungsrechte 1971 von ihrem Vater geschenkt. Sie erwarb bis 1983 ... Belieferungsrechte hinzu, davon ... von der Verlagsgemeinschaft aus neugeworbenen Kundenbeziehungen und ... durch Kauf von anderen Vertriebsfirmen (davon 1981 ... von ihrem Vater). In demselben Zeitraum gingen durch Beendigung von Mitgliedschaften ... Belieferungsrechte verloren. Der Bestand betrug zum Jahresbeginn 1984 ... Rechte. Im Jahre 1984 veräußerte die Klägerin ... Belieferungsrechte für einen Gesamtkaufpreis von ... DM.

Bei mehreren -- allerdings nicht bei der Klägerin durchgeführten -- Betriebsprüfungen und in verschiedenen Steuerbescheiden vertraten Betriebsprüfer und Finanzämter die Auffassung, die Vertriebsfirmen erzielten, sofern sie nicht selbst werbend tätig seien, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; etwaige Veräußerungserlöse seien demgemäß nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen.

Dieser Auffassung war bis 1984 auch der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --). Der Sachbearbeiter B von der Körperschaftsteuerstelle des FA, die für den A-Konzern zuständig war, erteilte seit 1971 wiederholt entsprechende (mündliche) Auskünfte, so auch dem Steuerberater C (damals steuerlicher Berater der Klägerin, ihres Vaters und ihrer Geschwister), bevor der Vater 1981 Belieferungsrechte an seine Kinder veräußerte. Die Finanzverwaltung änderte ihre Auffassung, nachdem im April 1984 eine Besprechung zwischen Bediensteten der Oberfinanzdirektion (OFD) und der Konzern-Betriebsprüfung stattgefunden hatte. Der A- Konzern erhielt hiervon anläßlich einer Besprechung im Juni 1984 Kenntnis.

Das FA hatte die Klägerin seit 1971 entsprechend ihren Steuererklärungen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlagt. Gewerbesteuermeßbeträge waren nicht festgesetzt worden. Bei der Verlagsgemeinschaft hatten Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 7, § 12 Abs. 2 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) stattgefunden, die die Verlagsgemeinschaft zum Anlaß nahm, die Klägerin und andere nichtgewerbesteuerpflichtige "Vertriebsfirmen" mit Gewerbesteuerumlagen zu belasten.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1984 erfaßte das FA die Einkünfte der Klägerin aus den Belieferungsrechten (einschließlich der Veräußerungsentgelte von ... DM) als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Es erließ außerdem Gewerbesteuermeßbescheide für 1978 bis 1985 (der Bescheid für 1983 lautete auf 0 DM) und Einheitswertbescheide über (gewerbliches) Betriebsvermögen zum 1. Januar 1978, 1. Januar 1980 und 1. Januar 1983. Die Einsprüche hatten nur hinsichtlich der Einheitswertbescheide insofern teilweise Erfolg, als das FA unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Oktober 1987 II R 224/82 (BFHE 151, 198, BStBl II 1988, 50) nur noch die Belieferungsrechte ansetzte, die von Dritten käuflich erworben worden waren.

Im finanzgerichtlichen Verfahren wurde die Klage gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1983 zurückgenommen. Das FA änderte den angegriffenen Einkommensteuerbescheid 1984 mit Bescheid vom 23. Juni 1992, der zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde. Die Klage blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte aus: Die Klägerin habe in den Streitjahren einen Gewerbebetrieb unterhalten, zu dessen notwendigem Betriebsvermögen die Belieferungsrechte gehört hätten. Der Klägerin sei das Tätigwerden der von ihr beauftragten Verlagsgemeinschaft bei der Verwertung der Belieferungsrechte zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, 240, BStBl II 1991, 66). Die Beurteilung des Betreuungsvertrags als Auftragsverhältnis entspreche dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 1. Juli 1985 II ZR 7/85 und des BFH in BFHE 151, 198, BStBl II 1988, 50. Der Auftragscharakter zeige sich insbesondere daran, daß neue Kundenbeziehungen und die daraus resultierenden Erträge der Klägerin zugewiesen worden seien und die Verlagsgemeinschaft lediglich Kostenerstattung gefordert habe (§§ 667, 670 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --). Die Klägerin habe das Verlustrisiko der Geschäfte mit den Ringmitgliedern getragen. Eine Unternehmerinitiative habe sie über den Prüfungsausschuß entfalten können.

Das FA sei nicht nach Treu und Glauben gehindert gewesen, die angegriffenen Bescheide zu erlassen.

Die Klägerin rügt mit der Revision Verletzung des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Grundsätze von Treu und Glauben.

Sie beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids für 1984 vom 23. Juni 1992 das Einkommen um ... DM herabzusetzen und die angegriffenen Gewerbesteuermeßbescheide und Einheitswertbescheide aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG hat zu Recht angenommen, daß die Klägerin in den Streitjahren gewerblich tätig war (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG). Hieraus folgt für die Einkommensteuer, daß auch die Erlöse aus der Veräußerung von Belieferungsrechten als Betriebseinnahmen zu erfassen sind. Die Klägerin unterliegt der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 GewStG). Für den Gewerbebetrieb sind Einheitswerte festzustellen (§ 95 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes -- BewG --).

a) Der Klägerin kann nicht darin gefolgt werden, daß sie lediglich vermögensverwaltend (BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 427f., BStBl II 1984, 751) tätig geworden sei und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) erzielt habe.

Das FG hat zutreffend der Klägerin die Handlungen zugerechnet, die die Verlagsgemeinschaft im Interesse und für Rechnung der Klägerin durchführte. Hierzu gehörten die Lieferungen von Büchern und Schallplatten, die die Verlagsgemeinschaft an Mitglieder der Klägerin tätigte; ferner die Bezüge dieser Gegenstände von dem A- Konzern. Die Verlagsgemeinschaft betreute den Kundenbestand der Klägerin, der sich aus ... Belieferungsrechten ergab. In diesem Zusammenhang überwachte sie die Einhaltung der Mindestabnahmeverpflichtungen und warb neue Mitglieder, die den Ausfall der Altmitglieder durch Kündigung u. ä. ersetzten. Diese Tätigkeiten insgesamt waren ihrer Art nach gewerblich und begründeten ihrem Umfang nach einen Gewerbebetrieb.

Die Tätigkeiten sind der Klägerin ungeachtet dessen zuzurechnen, daß die Verlagsgemeinschaft im eigenen Namen auftrat. Die Verlagsgemeinschaft handelte für Rechnung der Klägerin. Das FG zieht zu Recht eine Parallele zu dem Betriebsführungsvertrag (in der Form des Managementvertrags), bei dem ebenfalls trotz alleinigen Auftretens des Betriebsführers nach außen dessen Handlungen und das Ergebnis einkommensteuerrechtlich dem Überlassenden zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 6. Mai 1986 VIII R 300/82, BFHE 147, 308, 310, BStBl II 1986, 891). Ein Gewerbetreibender muß nicht in eigener Person auftreten, um am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilzunehmen; es genügt, daß ihm eine für seine Rechnung ausgeübte Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66 m. w. N.). Ob eine solche Zurechnung stattfindet, bestimmt sich nach der Ausgestaltung des Innenverhältnisses. Im Streitfall ist das "Betreuungsverhältnis" zwischen Klägerin und Verlagsgemeinschaft maßgeblich, wie es sich aus dem Vertrag vom 1. Januar 1971 ergibt.

b) Gegenstand des Vertrags vom 1. Januar 1971 ist zwar eine "Nutzungsüberlassung" der Belieferungsrechte durch die Klägerin an die Verlagsgemeinschaft (Präambel, §§ 1, 2). Es handelt sich indessen schon zivilrechtlich nicht um eine Nutzungsüberlassung in Form einer Verpachtung (§ 181 Abs. 1 BGB). Ein Pächter müßte in den Genuß der Früchte (Erträge) kommen (§ 581 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Verlagsgemeinschaft darf indessen die ihr überlassenen Belieferungsrechte nur "betreuen" (Präambel) und "verwalten" (§ 3 Nr. 1). Früchte (Erträge) darf sie aus ihnen nicht ziehen. Das "Entgelt für die Nutzungsüberlassung" (Überschrift des § 4) ist keine Vergütung i. S. des § 581 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Verlagsgemeinschaft verbleibt -- anders als einem Pächter -- kein Anteil am Betriebsergebnis.

Der BGH hat demgemäß in seinem Urteil vom 1. Juli 1985 II ZR 7/85, das einen Rechtsstreit von Vertriebsfirmen (Buchhändlern) mit der Verlagsgemeinschaft betraf, aus § 4 Nr. 1 hergeleitet, daß die jeweilige Vertriebsfirma "die Herausgabe (§ 667 BGB) der für Rechnung der Vertriebsfirmen jeweils erzielten Einnahmen abzüglich der auf jede Vertriebsfirma ... entfallenen Kosten der zentralen Vertriebs- und Betreuungsorganisation" (§ 670 BGB) verlangen kann. Der Verlagsgemeinschaft bleibt keine Möglichkeit, nach Art eines Pächters am erzielten Betriebsergebnis teilzunehmen. Demgemäß hat der BGH ein (unentgeltliches) Auftragsverhältnis i. S. des § 662 BGB angenommen (vgl. auch -- zu diesem Vertrag -- BFH-Urteil in BFHE 151, 198, 203, BStBl II 1988, 50).

Zutreffend hat das FG den Auftragscharakter auch durch § 1 Nr. 3, § 7 Nr. 1 der Betreuungsvereinbarung bestätigt gefunden.

Diese Vertragsbestimmungen befassen sich mit der Zuweisung neuer Kundenbeziehungen an die Vertriebsfirmen. Nach § 1 Nr. 3 gelten "Rechte und Pflichten gegenüber Mitgliedern, die aufgrund besonderer Werbemaßnahmen bei der Verlagsgemeinschaft zugunsten der Vertriebsfirma entstehen", automatisch als zur Nutzung mitübertragen. Nach § 7 Nr. 1 werden "alle notwendigen Nebenleistungen, die die Verlagsgemeinschaft ... erbringt, ... der Vertriebsfirma zu Selbstkosten berechnet". Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG hierin eine besondere vertragliche Ausgestaltung der §§ 667, 670 BGB gesehen hat. Es ist kein Pächter vorstellbar, der dem Verpächter gegen bloße Kostenerstattung neue Pachtgegenstände verschafft, ohne aus diesen einen Ertrag erzielen zu können. Die Vorteile, die der A-Konzern ansonsten aus dem einstufigen Vertriebssystem ziehen kann, hat er nicht als Pächter erzielt.

c) Die Klägerin hat auch ein Unternehmerrisiko getragen und Unternehmerinitiative entfalten können. Ihr wirtschaftlicher Erfolg war von der ihr zuzurechnenden Tätigkeit der Verlagsgemeinschaft abhängig. Ein Unternehmerrisiko lag auch darin, daß sich ihr Bestand an Belieferungsrechten durch Kündigung, Tod u. ä. der Mitglieder in erheblichem Maße minderte (im Jahresdurchschnitt des Streitzeitraums um 14 %). Unternehmerinitiative konnte sie u. a. durch den Zuerwerb oder die Zurückweisung zugeteilter neuer Belieferungsrechte entfalten. Vor allem waren ihr aber die Initiativen zuzurechnen, die die Verlagsgemeinschaft im Interesse der Klägerin ergriff. Inwieweit die Klägerin zusammen mit anderen Vertriebsfirmen auch über den Prüfungsausschuß die Geschäftstätigkeit der Verlagsgemeinschaft beeinflussen konnte (vom FG bejaht), kann offenbleiben. Jedenfalls lassen sich -- entgegen der Auffassung der Klägerin -- die Vertriebsfirmen nicht mit Aktionären und der Prüfungsausschuß nicht mit dem Aufsichtsrat einer Publikums-Aktiengesellschaft vergleichen. Die Vertriebsfirmen sind nicht an der Verlagsgemeinschaft beteiligt, sondern dieser einzelvertraglich verbunden. Der Prüfungsausschuß ist kein Organ der Verlagsgemeinschaft, sondern ein Interessenverband der Mitgliedsfirmen.

d) Das FG hat zu Recht die Notwendigkeit einer einheitlichen und gesonderten Feststellung der gewerblichen Einkünfte aller Mitgliedsfirmen verneint (§ 180 Abs. 1 Nr. 2a der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Die einzelnen Betreuungsverträge sind "eine Vielzahl vertikaler Verträge", ohne daß "noch eine horizontale Bindung unter diesen hinzukommen müßte" (BGH, a. a. O.). Für eine Mitunternehmerschaft der Klägerin oder anderer Vertriebsfirmen mit der Verlagsgemeinschaft oder dem A- Konzern fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

2. Das FA war nicht nach Treu und Glauben gehindert, die angegriffenen Bescheide zu erlassen.

a) Das FA hat der Klägerin keine Zusage erteilt. Die Revision stellt die diesbezüglichen Ausführungen des FG nicht in Frage.

b) Nach Auffassung der Klägerin soll die Finanzverwaltung einen allgemeinen Vertrauenstatbestand geschaffen haben, der das FA verpflichtete, seinen Bescheiden zumindest bis zum Veranlagungszeitraum 1984 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugrunde zu legen. Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen. Dabei ist der Würdigung der Zeugenaussagen durch das FG zu folgen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Gegenüber den getroffenen tatsächlichen Feststellungen des FG sind keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht worden. Die Würdigung des FG ist entgegen der Auffassung der Revision nicht unmöglich.

Das FA ist grundsätzlich berechtigt, den noch offenen Veranlagungen die zutreffende Rechtsauffassung zugrunde zu legen. Eine Ausnahme ist nach Treu und Glauben nur dann zu machen, wenn sich das FA zu seinem eigenen früheren Verhalten, auf das der Steuerpflichtige vertraut hat und vertrauen durfte, in Widerspruch setzt (BFH- Urteile vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, 38, BStBl II 1986, 520; vom 23. Mai 1989 X R 17/85, BFHE 157, 516, 520, BStBl II 1989, 879; vom 28. Februar 1990 I R 120/86, BFHE 160, 96, 99, BStBl II 1990, 553, und vom 5. September 1990 X R 100/89, BFH/NV 1991, 217, m. w. N.). Das FG hat diese Voraussetzungen zu Recht verneint. Es genügt nicht, daß das FA in den Einkommensteuerbescheiden der Klägerin bis 1983 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angesetzt hatte. Fehlerhafte Äußerungen in Betriebsprüfungsberichten können keine Bindung bewirken. Besprechungen der OFD mit dem für die Verlagsgemeinschaft auftretenden Zeugen D Anfang der 60er Jahre hatten vorwiegend Umsatzsteuerprobleme zum Gegenstand; nur hierüber hat die OFD eine schriftliche Bestätigung erteilt. Die ertragsteuerrechtliche Beurteilung der Belieferungsrechte wurde zwar angesprochen. Das FG hat indessen nicht feststellen können, daß es auch insoweit zu einer abschließenden verbindlichen Regelung gekommen wäre. Diese Würdigung des FG ist möglich. Immerhin ist insoweit (im Gegensatz zur Umsatzsteuer) eine schriftliche Bestätigung der OFD ausgeblieben. Auch war eine Regelung nicht dringend, weil damals die meisten Vertriebsfirmen aktiv gewerblich tätig waren. Die Auskunft des Sachbearbeiters B im Jahre 1981 betraf einen Veräußerungsfall des Vaters der Klägerin. Auch andere außerhalb des Besteuerungsverfahrens der Klägerin geäußerte Auffassungen (insbesondere anläßlich von Außenprüfungen bei der Verlagsgemeinschaft) konnten keinen Vertrauenstatbestand schaffen.

c) Das FG hat schließlich zu Recht auch eine Verwirkung der Gewerbesteueransprüche 1978 bis 1982 abgelehnt (dazu BFH-Urteil vom 5. März 1970 IV R 213/65, BFHE 100, 1, BStBl II 1970, 793). Es fehlte an einer Vermögensdisposition, die die Klägerin im Vertrauen darauf, daß das FA bei den Einkommensteuerveranlagungen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angesetzt hatte, getroffen haben konnte.

Als eine solche Vermögensdisposition läßt sich lediglich die Hinnahme der Gewerbesteuerumlage durch die Verlagsgemeinschaft auffassen. Der Vermögensnachteil der Gewerbesteuerumlage hebt sich indessen dadurch auf, daß die Verlagsgemeinschaft nach Rechtskraft der Nachforderungsbescheide die Umlagen zurückerstatten wird. Diese Betrachtung hat -- entgegen der Auffassung der Revision -- nicht zur Folge, daß sich das FA mit der Behauptung eines zivilrechtlichen Regreßanspruchs gegenüber dem A-Club exkulpiert. Es geht vielmehr darum, ob die (zivilrechtliche) Disposition bei der Zahlung der Gewerbesteuerumlage für die Klägerin nachteilig war. Der Erstattungsanspruch, der der Klägerin nach eigenem Bekunden im Falle einer rechtskräftigen Bestätigung der angegriffenen Gewerbesteuermeßbescheide zusteht, ist bei der Bemessung des Dispositionsnachteils zu berücksichtigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420856

BFH/NV 1996, 133

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