Leitsatz (amtlich)

1. Die Anweisungen in den Abschnitten 76 bis 79 VStR 1963 über die Ermittlung des gemeinen Werts von nichtnotierten Aktien und Anteilen halten sich im Rahmen des § 13 Abs. 2 und 3 BewG und verstoßen auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

2. Eine Einflußnahme auf die Geschäftsführung einer GmbH kann schon bei einer Beteiligung unter 50 v. H. des Stammkapitals in Betracht kommen.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 13 Abs. 2; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 13 Abs. 3

 

Tatbestand

An dem Stammkapital der GmbH, um deren Anteile es sich im vorliegenden Verfahren der Anteilsbewertung zum 31. Dezember 1962 handelt, waren am Stichtag die Kläger zu 1. als Rechtsnachfolger ihres im Jahre 1959 verstorbenen Vaters bzw. Ehemanns zu 38 v. H. und der Kläger zu 2. zu 20 v. H. des Stammkapitals beteiligt. Der restliche Teil des Stammkapitals verteilte sich auf weitere 11 Gesellschafter, deren Anteile jeweils unter 10 v. H. lagen, darunter auch zu 3 v. H. auf einen der Kläger zu 1. Durch den endgültigen Bescheid vom 12. Dezember 1968 stellte das FA den gemeinen Wert der GmbH-Anteile der Kläger zu 1. und 2. auf 297 DM und der Anteile der übrigen Gesellschafter auf 213 DM fest. Die unterschiedliche Bewertung beruhte darauf, daß bei den Anteilen der Gesellschafter, die zu weniger als 10 v. H. beteiligt waren, die Bewertung nach Abschn. 80 Abs. 1 und 2 VStR 1963 durchgeführt wurde.

Die Kläger zu 1. beantragten mit der Sprungklage, den gemeinen Wert ihrer Anteile nicht höher als auf 266 DM festzustellen. Sie begründeten diesen Antrag damit, daß die Anweisung in Abschn. 80 Abs. 3 VStR 1963, nach der ein Paketzuschlag nur noch dann vorzunehmen sei, wenn der gemeine Wert aus Verkäufen abgeleitet worden sei, gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG verstoße und deshalb nicht zu beachten sei. Sie führe dazu, daß bei Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen nach Abschn. 74 Abs. 4 VStR 1963 höchstens ein Paketzuschlag von 25 v. H. gemacht werden könne, während die Schätzung des gemeinen Werts nach den Abschn. 76-79 VStR 1963 gegenüber dem gemeinen Wert der Anteile im Streubesitz einen viel höheren Wert ergeben könne, wie der vorliegende Fall zeige. Der Kläger zu 2. erhob ebenfalls Sprungklage, mit der er beantragte, den gemeinen Wert seiner Anteile auf 213 DM, hilfsweise, nicht höher als auf 266 DM festzustellen. Seinen Hauptantrag begründete er damit, daß er trotz seiner Beteiligung von 20 v. H. am Stammkapital keinen Einfluß auf die Geschäftsführung habe und deshalb auch für seine Anteile die Bewertung nach Abschn. 80 Abs. 1 und 2 VStR 1963 vorgenommen werden müsse.

Das FG verband durch Beschluß vom 12. März 1969 die Klagen der Kläger zu 1. und des Klägers zu 2. zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und lud die Gesellschafter, gegen die der angefochtene Feststellungsbescheid aufgrund des § 69 Abs. 2 BewDV wirkte, nach § 60 Abs. 3 FGO und die Ehefrau des Verstorbenen als Miterbin nach § 60 Abs. 1 FGO zum Verfahren bei. Die Klagen wurden abgewiesen.

Mit der Revision stellten die Kläger die gleichen Anträge, die sie mit ihrer Klage gestellt hatten. Sie rügten unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Die Revision wurde im wesentlichen wie folgt begründet: Das FA habe zwar den gemeinen Wert der Anteile der Kläger zu 1. nach Abschn. 77-79 VStR 1963 richtig ermittelt. Die VStR 1963 seien jedoch nur Verwaltungsanweisungen, die - soweit sie den vorliegenden Fall beträfen - nicht mit § 13 Abs. 2 und 3 BewG und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar seien. Es widerspreche allen Erfahrungsgrundsätzen, daß Majoritätsanteile mit fast 40 v. H. höher bewertet würden als Streubesitzanteile. Der Paketzuschlag bis zu 25 v. H., der früher auch bei der Bewertung von Majoritätsanteilen maßgebend gewesen sei, wenn sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen habe ableiten lassen, sei ein aus der Erfahrung gewonnener, wohl abgewogener Wertzuschlag, während die Ergebnisse der jetzt aufgrund der Neufassung der VStR 1963 vorgenommenen Berechnungsmethode unrealistisch seien und deshalb dem Charakter der Ermittlung des Verkehrswerts nicht entsprächen. Die Auffassung des FG, ein Verstoß gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung liege nicht vor, weil beide Verfahren nicht vergleichbar seien, sei unrichtig. Die gemeinen Werte von nichtnotierten Aktien und Anteilen würden grundsätzlich durch Ableitung aus Verkäufen ermittelt. Für den Fall, daß Verkäufe nicht vorgelegen hätten, werde die Bewertung nach Abschn. 77-79 VStR 1963 vorgenommen. Beide Verfahren seien vom Gesetzgeber als gleichwertig angesehen worden. Das neue Verfahren führe zu völlig unbilligen Ergebnissen, was sich besonders im vorliegenden Fall zeige, wo früher ein Zuschlag von 10 v. H. in Betracht gekommen wäre und heute noch bei Vorliegen von Verkäufen in Betracht kommen würde, während nach der vorgenommenen Berechnung der Zuschlag 40 v. H. betrage. Auch die Unterstellung des FG, daß die Anteile des Klägers zu 2. mit 20 v. H. Einfluß auf die Geschäftsführung hätten, verstoße gegen § 13 Abs. 2 und 3 BewG und gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das FG gehe zu Unrecht davon aus, daß der Kläger zu 2. zusammen mit einem oder zwei Zwerganteilsinhabern, also mit mehr als 25 v. H. des Stammkapitals, jeden Beschluß vereiteln könne. Alle Beschlüsse, insbesondere diejenigen, die die Geschäftspolitik beträfen, bedürften nach § 47 Abs. 1 GmbHG nur einer einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Der Gesellschaftsvertrag sehe im vorliegenden Fall nichts Abweichendes vor. Lediglich bei Satzungsänderungen siehe § 53 GmbHG und dementsprechend der Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Mehrheit von 75 v. H. der abgegebenen Stimmen vor. Um Beschlüsse, die die Geschäftspolitik beträfen, zu Fall zu bringen, brauche der Kläger zu 2. also nicht, wie das FG meine, weitere 5 v. H. der Stimmen, sondern weitere 30 v. H., während die Kläger zu 1. lediglich weitere 13 v. H. bzw. 8 v. H. der Stimmen benötigten, um jeden Beschluß durchzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Die Kläger greifen mit ihren Einwendungen dagegen, daß die Bewertung der Anteile von Gesellschaftern, die einen Einfluß auf die Geschäftsführung haben, nach Abschn. 76-79 VStR 1963 vorgenommen worden ist, die Ermittlung des gemeinen Werts von nichtnotierten Anteilen nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren an. Denn die in diesen Abschnitten der VStR 1963 enthaltenen Verwaltungsrichtlinien bilden den Kern des Stuttgarter Verfahrens und gelten für alle Regelbewertungen. Der Senat stimmt dem FG darin zu, daß diese Einwendungen unbegründet sind. Die Finanzverwaltung hat das Stuttgarter Verfahren zur Schätzung des gemeinen Werts entwickelt. Diese Schätzung wird in allen Fällen erforderlich, in denen sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen ableiten läßt. Das Stuttgarter Verfahren hält sich im Rahmen des § 13 Abs. 2 BewG, nach dem bei dieser Schätzung das Vermögen und die Ertragsaussichten der Gesellschaft zu berücksichtigen sind. Das FG weist mit Recht darauf hin, daß der Senat dieses Verfahren stets als ein wertvolles und die Einheitlichkeit der Bewertung gewährleistendes Hilfsmittel zur Feststellung des gemeinen Werts von nichtnotierten Aktien und Anteilen anerkannt hat. Der Senat hat diese Auffassung in dem Grundsatzurteil III R 135/67 vom 18. Dezember 1968 (- BFH 95, 266 -, BStBl II 1969, 370) nochmals bestätigt. Er hat dabei ausdrücklich hervorgehoben, daß dieses Verfahren ein für alle Unternehmen gleiches Schätzungsverfahren ist. An dieser Auffassung hält der Senat auch im Streitfall trotz der Einwendungen der Kläger fest. Die von den Klägern behauptete Ungleichmäßigkeit, die darin liegen soll, daß sich für eine Beteiligung im Sinne des § 13 Abs. 3 BewG bei der Ermittlung des gemeinen Werts nach dem Stuttgarter Verfahren angeblich ein höherer Wert ergibt, als wenn der gemeine Wert aus Verkäufen abgeleitet würde, läßt sich nicht feststellen. Die Kläger unterstellen dabei, daß der nach Abschn. 80 Abs. 1 und 2 VStR 1963 für die Anteile im Streubesitz ermittelte Wert ebenso hoch ist wie der aus Verkäufen abgeleitete Wert. Diese Unterstellung ist jedoch nicht gerechtfertigt. Wie der Senat bereits in dem Urteil III 396/58 S vom 19. Dezember 1960 (BFH 72, 241, BStBl III 1961, 92) hervorgehoben hat, liegen die nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelten Werte erfahrungsgemäß unter dem gemeinen Wert. Es kann daher viel eher unterstellt werden, daß die nach diesem Verfahren ermittelten Werte für Anteile, die Einfluß auf die Gesellschaft gewähren, nicht höher sind als die Werte, die sich ergeben, wenn man zu den Verkaufspreisen einen Paketzuschlag von bis zu 25 v. H. macht. Aus den gleichen Gründen ist auch der Einwand der Kläger nicht stichhaltig, die Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren sei deswegen nachteiliger, weil ein Paketzuschlag nach § 13 Abs. 3 BewG nur zu machen sei, wenn die Beteiligung mehr als 25 v. H. des Stammkapitals betrage, während eine Bewertung nach Abschn. 76-79 VStR 1963 schon für Anteile in Betracht komme, die Einfluß auf die Geschäftsführung gewährten, also u. U. auch für Anteile, die weniger als 25 v. H. des Stammkapitals ausmachten. Man könnte viel eher darin einen Vorteil erblicken, daß alle Anteile, die Einfluß auf die Geschäftsführung gewähren, ohne Rücksicht auf die Höhe der Beteiligung und auf die damit verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Gesellschaft in gleicher Höhe bewertet werden.

2. Das FG hat es auch mit Recht abgelehnt, die Anteile des Klägers zu 2. als Anteile mit nur geringem Einfluß auf die Geschäftsführung anzusehen und deshalb nach Abschn. 80 Abs. 1 und 2 VStR 1963 zu bewerten. Der Senat hat zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Aktien oder Anteile nur geringen Einfluß auf die Geschäftsführung gewähren, in dem Urteil III R 12/67 vom 5. Juli 1968 (BFH 93, 243, BStBl II 1968, 734) Stellung genommen. Er hat in diesem Urteil ausgeführt, daß nur nach den Verhältnissen im Einzelfall entschieden werden könne, ob diese Voraussetzungen vorliegen. Er hat allerdings auch zum Ausdruck gebracht, daß es nicht nur bei Zwerganteilen an einer Einflußmöglichkeit auf die Geschäftsführung fehlen kann, sondern auch bei höherer Beteiligung, und zwar auch dann, wenn von den restlichen Aktien oder Anteilen nicht mehr als 75 v. H. des Nennkapitals in der Hand eines Gesellschafters liegen. Das FG hat diese Grundsätze beachtet. Es ist aufgrund der im Streitfall vorliegenden Beteiligungsverhältnisse zu der Feststellung gekommen, daß die Anteile des Klägers zu 2. ihm Einflußmöglichkeit auf die Geschäftsführung der GmbH gewähren. Dabei ist das FG davon ausgegangen, daß der Kläger zu 2. nur noch Anteile in Höhe von mehr als 5 v. H. des Stammkapitals für sich gewinnen müsse, um auch formell Einfluß auf die Geschäftsführung nehmen zu können. Das ist entgegen der Auffassung des Klägers zu 2. nicht zu beanstanden. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Klägers zu 2., daß eine Einflußnahme auf die Geschäftsführung erst bei einer Beteiligung von mehr als 50 v. H. möglich sei. Nach der Anweisung in Abschn. 74 Abs. 4 VStR 1963, die auf der Rechtsprechung des RFH beruht, genügt eine Beteiligung von mehr als 25 v. H. des Stammkapitals zur Vornahme eines Paketzuschlags nach § 13 Abs. 3 BewG. Der RFH hat diese Auffassung in dem Urteil III 116/41 vom 2. Oktober 1941 (RStBl 1941, 845) damit begründet, daß die Beteiligung von mehr als 25 v. H. (aber nicht mehr als 50 v. H.) zwar nicht die Beherrschung der Kapitalgesellschaft ermögliche, aber doch einen wesentlichen Einfluß auf alle Maßnahmen der Gesellschaft von größerer Wichtigkeit gewähre. Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß ein Anteilsbesitz von mehr als 25 v. H. des Stammkapitals auf jeden Fall nicht mehr unter Abschn. 80 Abs. 1 und 2 VStR 1963 fallen kann. Deshalb ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das FG darauf abstellt, ob der Kläger zu 2. nach den bei der Gesellschaft bestehenden Beteiligungsverhältnissen ohne besondere Schwierigkeiten so viel Stimmen zu sich herüberziehen kann, daß diese zusammen mit seinen Stimmen mehr als 25 v. H. des Stammkapitals ausmachen, während die Hauptgesellschafter umgekehrt mehr Stimmen brauchten, um zusammen mit diesen mehr als 75 v. H. des Stammkapitals zu vertreten und damit den Kläger zu 2. ausschließen zu können.

 

Fundstellen

BStBl II 1971, 419

BFHE 1971, 550

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