Leitsatz (amtlich)

Der ausschließlich einem Lastenfahrstuhl dienende Fahrstuhlschacht ist Teil der Betriebsvorrichtung.

 

Normenkette

BewG 1965 § 68 Abs. 2; BerlinFG § 19 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) unterhält in Berlin (West) einen Produktionsbetrieb. Im Jahre 1972 ließ sie außen an ihrem Fabrikationsgebäude einen Lastenfahrstuhl anbauen. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) sah in der Fahrstuhlanlage eine Betriebsvorrichtung und gewährte der Klägerin eine Investitionszulage in Höhe von 25 v. H. der Baukosten. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat das FA jedoch die Auffassung, daß nur der eigentliche Fahrstuhl eine Betriebsvorrichtung sei. Der Fahrstuhlschacht gehöre dagegen zum Gebäude, weil er gemauert sei. Anders wäre es nur, wenn der Fahrstuhlschacht aus einer Stahl/Glaskonstruktion bestünde. Das FA gewährte deshalb für den Fahrstuhlschacht nur eine Investitionszulage von 10 v. H. und forderte mit Bescheid vom 9. Dezember 1974 den Differenzbetrag zurück. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage machte die Klägerin geltend: Die gesamte Fahrstuhlanlage sei ein selbständiges Bauwerk, das jedoch nicht alle Gebäudemerkmale erfülle. Die Fahrstuhlanlage sei schon deshalb eine Betriebsvorrichtung. Im übrigen sei dem FA der Sachverhalt bei der Gewährung der Investitionszulage bekannt gewesen. Aus der Rechnung der Firma ... ergebe sich, daß im Zusammenhang mit der Errichtung des Fahrstuhlschachts "Maurer-, Putz-, Schlosser-, Außenanstrich- und Dachdeckerarbeiten" angefallen seien.

Das FG gab der Klage statt. Es ließ die Frage, ob auch der Fahrstuhlschacht eine Betriebsvorrichtung sei oder zum Gebäude gehöre, dahingestellt. Es vertrat die Auffassung, daß dem Rückforderungsanspruch des FA der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehe. Dem FA könne zwar nicht widerlegt werden, daß es von der Bauweise des Fahrstuhlschachts erst durch die Betriebsprüfung Kenntnis bekommen habe. Andererseits habe aber die Klägerin alles ihrerseits Erforderliche getan, indem sie die Baukosten aufgeschlüsselt und ihrem Investitionszulageantrag die Rechnungen beigefügt habe. Das FA hätte bei der Klägerin Rückfrage halten müssen, wenn es nach seiner Meinung auf die Bauart des Fahrstuhlschachts ankam.

Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Es vertritt unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 26. März 1974 VIII R 224/72 (BFHE 112, 444, BStBl II 1974, 538) die Auffassung, daß dem FA nur die Kenntnis, nicht aber auch das Kennenmüssen infolge ungenügender Sachverhaltsaufklärung entgegengehalten werden könne. Das FG habe aber festgestellt, daß dem FA der Sachverhalt erst durch die Betriebsprüfung bekanntgeworden sei.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 19 Abs. 6 BerlinFG ist eine Investitionszulage zurückzuzahlen, wenn nachträglich festgestellt wird, daß sie zu Unrecht gewährt worden ist. Das ist hier nicht der Fall. Denn entgegen der Auffassung des FA ist im vorliegenden Fall nicht nur der eigentliche Fahrstuhl, sondern auch der Fahrstuhlschacht eine Betriebsvorrichtung und damit ein bewegliches Wirtschaftsgut i. S. des § 19 Abs. 1 und 2 BerlinFG. Die vom FG in seinem Urteil getroffenen Feststellungen reichen aus, damit der Senat diese Entscheidung selbst treffen kann.

Es kann deshalb offenbleiben, ob dem Rückforderungsanspruch des FA auch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht, was wesentlich davon abhängt, ob die vom FG getroffene Feststellung, daß dem FA der Sachverhalt erst im Rahmen der Betriebsprüfung bekanntgeworden sei, mit dem Inhalt der Investitionszulageakten übereinstimmt.

2. Unzutreffend ist allerdings die Auffassung der Klägerin, daß die Fahrstuhlanlage ein selbständiges Bauwerk sei und mangels aller Merkmale des Gebäudebegriffs schon deshalb eine Betriebsvorrichtung darstelle. Die Fahrstuhlanlage ist vielmehr nach §§ 93, 94 Abs. 2 BGB mit ihrem Anbau ein wesentlicher Bestandteil des bisherigen Altgebäudes geworden, mit dem sie körperlich zusammenhängt und mit dem sie eine einheitliche Sache bildet. Durch das Abbrechen nur des Altgebäudes würde die Fahrstuhlanlage sowohl in ihrer Substanz als auch in ihrer Zweckbestimmung zerstört werden.

3. Die Verfahrensbeteiligten gehen zutreffend davon aus, daß der Fahrstuhl als solcher eine Betriebsvorrichtung nach § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG 1965 ist. Typische Lastenfahrstühle stehen insbesondere in Fabrikationsgebäuden im Gegensatz zu Personenaufzügen und Rolltreppen (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 1971 III R 90/69, BFHE 102, 107, BStBl II 1971, 455) nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang zum Gebäude (vgl. zu diesem Begriff BFH-Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132), sondern in einem unmittelbaren und besonderen Verhältnis zu dem in dem Gebäude betriebenen Gewerbebetrieb.

4. Entgegen der Auffassung des FA gehört im vorliegenden Fall jedoch auch der Fahrstuhlschacht zur Betriebsvorrichtung. Das ergibt sich unmittelbar aus § 68 Abs. 2 Satz 2 BewG 1965. Diese Bestimmung regelt, unter welchen Voraussetzungen Gebäudebestandteile ausnahmsweise nicht zur Bewertungseinheit des Gebäudes gehören, sondern zusammen mit Maschinen und ähnlichen Betriebsanlagen zum beweglichen Vermögen zu rechnen sind. So sind beispielsweise Decken, auch soweit es sich im Zusammenhang mit Betriebsvorrichtungen um Verstärkungen handelt, stets dem Gebäude zuzurechnen. Andererseits sind Gebäudebestandteile, wenn sie ausschließlich zu einer Betriebsanlage gehören, zusammen mit dieser zu bewerten. Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Der Fahrstuhlschacht dient einzig und allein dem Lastenfahrstuhl, für dessen Installation und Betrieb er errichtet worden ist. Der Fahrstuhlschacht hat ohne den Aufzug keinen Sinn, wie umgekehrt der Fahrstuhl ohne den Fahrstuhlschacht nicht betrieben werden könnte. Darüber hinaus hat der Fahrstuhlschacht auch nicht noch eine zusätzliche Gebäudefunktion, etwa in der Form tragender Wände innerhalb des Gebäudes zu erfüllen. Es handelt sich hier um ähnliche Erwägungen, wie sie der Senat bereits bei der Abgrenzung der Frage, ob ein Förderturm ein Gebäude oder eine Betriebsvorrichtung ist, in seinem Urteil vom 13. Juni 1969 III R 17/65 (BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517) angestellt hat.

Die Vorentscheidung war somit im Ergebnis zu bestätigen.

 

Fundstellen

BStBl II 1978, 186

BFHE 1978, 77

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