Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Einkünfte, die als Entlohnung für mehrjährige Tätigkeit nach § 34 Abs. 4 EStG 1953 (ß 34 Abs. 3 EStG 1955) zum Zwecke der Einkommensteuerveranlagung auf mehrere Jahre verteilt werden, sind im Jahre des Zufließens bezogen. Diese Einkünfte sind bei der Ermittlung des Einkommens des Jahres des Zufließens mit Verlusten im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG auszugleichen, auch wenn dadurch die steuerliche Begünstigung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 und der spätere Verlustabzug entfallen.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 4, 3, § 2 Abs. 1-2, § 10d

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Verlust aus dem Jahre 1954 bei der Einkommensteuerveranlagung 1955 nach § 10 d EStG 1955 abzugsfähig oder bereits im Jahre 1954 mit Einkünften ausgeglichen worden ist, für die die Bgin. im Jahre 1954 die Vergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 beantragt hat.

Die Bgin. betreibt seit April 1954 eine Fremdenpension. Sie erhielt im Jahre 1954 für ihre frühere Tätigkeit in den Jahren 1950 bis 1953 als Geschäftsführerin ihres Schwagers 5.000 DM. Andere Vergütungen hatte sie seinerzeit nicht erhalten, da der Inhaber infolge Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit kein Gehalt zahlen konnte. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1954 beantragte die Bgin., die 5.000 DM auf drei Jahre nach § 34 Abs. 4 EStG 1953 zu verteilen. Aus der Fremdenpension ergab sich für das Jahr 1954 ein Verlust von 3.250 DM. Das Finanzamt, das die 5.000 DM nicht als außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG 1953 anerkannte, kam nach Ausgleich des Verlustes mit den 5.000 DM bei 640 DM Einkommen zu einer Einkommensteuer von 0 DM.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1955 beantragte die Bgin. die Anerkennung eines Verlustes aus dem Jahre 1954 von 3.250 DM. Die 5.000 DM seien auf die Jahre 1951 bis 1953 zu verteilen und berührten daher den Verlust 1954 nicht; andernfalls würde die Begünstigung des § 34 EStG nicht zur Auswirkung kommen.

Das Finanzamt lehnte den Abzug des Verlustes aus Gewerbebetrieb 1954 ab, da er bereits im Jahre 1954 mit den 5.000 DM ausgeglichen sei. § 34 EStG schalte bei außerordentlichen Einkünften nur die Progression aus, berühre jedoch nicht die Vorschriften über die Ermittlung des Einkommens.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Berufung gab das Finanzgericht dem Antrag auf Abzug des Verlustes von 3.250 DM bei der Einkommensteuerveranlagung 1955 statt. Es nahm ohne Prüfung der Voraussetzungen den Tatbestand des § 34 EStG an und führte aus, daß alsdann die Veranlagungen der auf das Jahr des Zufließens folgenden Jahre so durchzuführen seien, als ob die Einkünfte nicht im Jahr des Zufließens, sondern in den Jahren angefallen wären, in deren Verlauf sie erzielt worden seien. Somit sei der Verlust des Jahres 1954 nicht ausgeglichen worden.

Hiergegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts. Er bestreitet das Vorliegen eines steuerlich zu berücksichtigenden Verlustes im Jahre 1954; hilfsweise rügt er, das Finanzgericht habe die Voraussetzungen des § 34 EStG ohne Prüfung als gegeben unterstellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Nach § 10 d EStG 1955 kann ein Verlust aus Gewerbebetrieb im Folgejahr abgezogen werden, soweit er nicht bereits im vorangegangenen Veranlagungszeitraum ausgeglichen ist. Da die weiteren Voraussetzungen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder - 5 EStG und der ordnungsmäßigen Buchführung nicht bestritten sind, ist im Streitfall allein entscheidend, ob der Verlust im Entstehungsjahr 1954 mit den 5.000 DM ausgeglichen worden ist oder ob die beantragte Verteilung nach § 34 Abs. 4 EStG 1953 (dessen Anwendbarkeit zunächst unterstellt werden soll) die Entlohnung für mehrjährige Tätigkeit bei der Berechnung des Einkommens 1954 derart ausklammert, daß ein Verlustausgleich im Jahre 1954 nicht stattfindet. Eine solche Ausklammerung ist jedoch zu verneinen. Die Verteilung nach § 34 Abs. 3 EStG 1953 ist nur eine gedachte und dient lediglich der Errechnung des Steuersatzes. Der Grundsatz des § 11 EStG, wonach Einnahmen in dem Jahre des Zuflusses bezogen sind, wird dadurch nicht geändert. § 34 EStG bezweckt, bestimmte einmalige Einkünfte von der Progression auszunehmen (vgl. Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 34, Anm. 1). Die zum Zwecke der Einkommensteuerveranlagung vorzunehmende Verteilung der Einkünfte auf die Jahre, in denen sie erzielt wurden (ß 34 Abs. 3 Satz 2 EStG 1955, früher § 34 Abs. 4 Satz 2 EStG), dient als Tarifvorschrift lediglich der Ermittlung des Steuersatzes und verändert nicht die gesetzlichen Bestimmungen über die Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte der einzelnen Veranlagungszeiträume (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs IV 426/53 U vom 25. August 1955, BStBl 1955 III S. 378, Slg. Bd. 61 S. 462). Danach gehören zu den Einkünften des Jahres 1954 der gewerbliche Verlust und die 5.000 DM Entlohnung (abzüglich Werbungskosten), die nach § 2 Abs. 2 EStG zur Berechnung des Einkommens auszugleichen sind. Sinn und Zweck des Verlustabzugs ist es, in begrenztem Rahmen eine Durchschnittsbesteuerung durchzuführen, wobei aber der Verlust selbstverständlich nur einmal berücksichtigt werden kann (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs VI 114/56 U vom 30. August 1957, BStBl 1958 III S. 22, Slg. Bd. 66 S. 51). Das ist hier bei der Veranlagung 1954 geschehen. Eine weitere Berücksichtigung des Verlustes ist nicht zulässig. Es spielt dabei keine Rolle, daß eine Auswirkung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 wegen des Ausgleiches nicht eintrat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409543

BStBl III 1960, 47

BFHE 1960, 126

BFHE 70, 126

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