Entscheidungsstichwort (Thema)

Die Entscheidung über einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung ist unanfechtbar

 

Leitsatz (NV)

Gegen die Vorschrift, nach der die Entscheidung des FG über einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung unanfechtbar ist, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Beschwerde ist gegen eine solche Entscheidung auch dann nicht gegeben, wenn der Antragsteller auf das im Tatbestand des Urteils nicht wiedergegebene Vorbringen in der Revisionsinstanz die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs stützen will.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 108

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) - einer KG - wegen Gewinnfeststellung 1974 bis 1976 hat das Finanzgericht als unbegründet abgewiesen. Das Urteil wurde der Klägerin am 27. April 1985 zugestellt.

Am 10. Mai 1985 beantragte die Klägerin, den Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils zu berichtigen. Das FG lehnte den Antrag ab. Gegen diesen Beschluß hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, das FG habe es zu Unrecht unterlassen, in seinem Urteil die Tatsache zu erwähnen, daß sie - die Klägerin - in der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergangen sei, einen Vertagungsantrag gestellt habe. Diese Tatsache sei von Bedeutung im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs. Schon deshalb müsse trotz des entgegenstehenden Wortlauts des § 108 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Beschwerde gegen die den Antrag auf Tatbestandsberichtigung ablehnende Entscheidung des FG als zulässig angesehen werden.

Die Klägerin regt hilfsweise an, das Verfahren nach Art. 100 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und wegen der Frage der Vereinbarkeit des § 108 Abs. 2 Satz 2 FGO mit dem GG das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anzurufen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Gemäß § 108 Abs. 2 Satz 2 FGO ist ein Beschluß, in dem über eine beantragte Tatbestandsberichtigung (§ 108 Abs. 1 FGO) entschieden wurde, unanfechtbar.

Entgegen diesem klaren Wortlaut des Gesetzes hält der Bundesfinanzhof (BFH) die Beschwerde ausnahmsweise dann für zulässig, wenn der Beschluß des FG unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 1967 VII B 21/66, BFHE 90, 285, BStBl II 1969, 6, und vom 25. Juli 1978 VII B 20/78, BFHE 125, 490, BStBl II 1978, 675; a. A. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 108 Anm. 9 B).

Der Senat kann offenlassen, ob er sich dieser Auffassung anschließen könnte, da im Streitfall nicht ersichtlich ist, daß der Beschluß des FG vom 18. Juli 1985 an einem schwerwiegenden Verfahrensfehler leidet.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, die Beschwerde gegen die den Antrag auf Tatbestandsberichtigung ablehnende Entscheidung des FG als zulässig zu behandeln.

Die Unanfechtbarkeit des Beschlusses vom 18. Juli 1985 hindert die Klägerin nicht, im Revisionsverfahren mit der Verfahrensrüge geltend zu machen, das FG habe durch die Ablehnung des Vertagungsantrags gegen die Verpflichtung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs verstoßen. Zwar ergibt sich aus der sinngemäßen Anwendung der §§ 512, 548 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i. V. m. § 155 FGO, daß Entscheidungen des FG, die dem Endurteil vorausgegangen sind und die - wie die Entscheidung über einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung - nicht mit der Beschwerde anfechtbar sind, nicht der Beurteilung des BFH im Revisionsverfahren unterliegen. Der BFH ist jedoch im Revisionsverfahren nur an die Entscheidung selbst, nicht auch an ihre Begründung und die aus ihr zu ziehenden Folgerungen gebunden. Insbesondere steht die Unanfechtbarkeit einer dem Endurteil vorausgegangenen Entscheidung der Vorinstanz der Nachprüfung des finanzgerichtlichen Urteils unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht entgegen (Urteil des Reichsgerichts vom 17. April 1939 IV 210/38, RGZ 160, 157, Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. September 1953 I ZR 139/52, Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 548 ZPO Nr. 2).

Schon aus diesem Grunde bestehen keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 108 FGO mit Art. 103 GG. Das BVerfG hat die Verfassungsmäßigkeit des § 108 Abs. 2 Satz 2 FGO mit Beschluß vom 14. Januar 1983 2 BvR 1745/82 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 108, Rechtsspruch 12) bejaht (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift vgl. auch BFH-Beschluß vom 2. Oktober 1969 V B 31/69, BFHE 96, 558, BStBl II 1969, 736).

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 780

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