Leitsatz (amtlich)

Wird zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen könne, ungenügende Sachaufklärung geltend gemacht, so führt dies grundsätzlich nur dann zur Zulassung der Revision, wenn sich dem FG in Anbetracht des gesamten Sachverhalts die Notwendigkeit einer weiteren Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Die beschwerdeführenden Eheleute hatten am 15. Februar 1962 die Herabsetzung der Vierteljahrsbeträge gemäß § 55c LAG beantragt. Zur Begründung führten sie an, vor ihrer am 8. August 1939 erfolgten Eheschließung sei auf dem Grundstück, das auf den Namen des Beschwerdeführers eingetragen ist, ein Wohnhaus errichtet worden; zu dessen Finanzierung habe die spätere Ehefrau (Beschwerdeführerin) "durch ein von ihrem Vater zu ihren Gunsten dem späteren Ehemann" (Beschwerdeführer) gewährtes Darlehen beigetragen. Im Zeitpunkt der Darlehnsgewährung (Vertrag vom 28. Februar 1938) seien sowohl der Schwiegervater als auch die spätere Ehefrau noch Devisenausländer (Holländer) gewesen. Das FA, das den Antrag zunächst abgelehnt hatte, setzte im Einspruchsverfahren den Vierteljahrsbetrag um 4,40 DM herab, lehnte aber den weitergehenden Herabsetzungsantrag ab. Der Ehefrau habe ihrem Ehemann gegenüber am 21. Juni 1948 zwar keine Darlehnsforderung zugestanden, weil der Darlehnsvertrag lediglich zwischen dem Ehemann und dem Vater der Ehefrau abgeschlossen worden sei. Jedoch habe die Ehefrau, wie sich aus dem Darlehnsvertrag ergebe, einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 4 690 DM gehabt, der eingebrachtes Gut der Ehefrau geworden sei; er sei vom Ehemann im Rahmen seines Verfügungsrechts über Gelder des eingebrachten Gutes verwendet worden. Der sich hiernach ergebende Anspruch der Ehefrau auf Rückgewähr der eingebrachten Gelder sei im Rahmen des § 55c LAG zu berücksichtigen, allerdings nur in Höhe seines gemäß § 14 Abs. 3 BewG abgezinsten Betrags von 750 DM.

Mit der gegen die Einspruchsentscheidung eingelegten Berufung wurde in erster Linie beantragt, den Anspruch der Ehefrau gegen ihren Ehemann in Höhe von 4 690 DM als Forderung bzw. Schuld zu berücksichtigen, hilfsweise eine niedrigere Abzinsung der Forderung vorzunehmen. Das FG, das die Berufung nach Inkrafttreten der FGO als Klage behandelte, hat die Klage nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen. § 55c LAG sei nicht anwendbar, weil das durch den Vermögensabgabebescheid erfaßte abgabepflichtige Vermögen nicht aus zusammengerechneten Vermögensteilen beider Ehegatten, sondern ausschließlich aus dem allein dem Kläger gehörigen Einfamilienhaus bestanden habe. Bei dieser Beurteilung habe das Gericht die für die Entscheidung wesentliche Frage, ob die Ehefrau am Währungsstichtag Inhaberin der streitigen Darlehnsforderung gewesen sei, verneint. Das FG sei vielmehr zu der Auffassung gekommen, daß im Zeitpunkt der Währungsreform nicht die Ehefrau, sondern deren Vater nach wie vor Inhaber der Darlehnsforderung gewesen sei. Die Anwendung des § 55c LAG scheide demnach aus, weil die Ehefrau kein abgabepflichtiges Vermögen besessen habe.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Eheleute wird darauf gestützt, daß das Urteil des FG von den Entscheidungen des BFH zu § 55c LAG abweiche, insbesondere von den Urteilen III 342/63 vom 16. Dezember 1966 (BFH 87, 361, BStBl III 1967, 104 ff.) und III 143/64 vom 10. Februar 1967 (BFH 88, 336, BStBl III 1967, 408 ff.). Im Urteil werde eine rechtskräftige Zusammenveranlagung der Eheleute zur Vermögensabgabe als nicht gegeben festgestellt und bereits aus diesem Grunde eine Anwendung des § 55c LAG für nicht möglich erklärt. Das FG sei zu diesem Schluß gekommen, weil der Vermögensabgabebescheid vom 30. März 1955 nur an den Ehemann gerichtet gewesen sei. Gemäß der Entscheidung des BFH im Urteil III 342/63 (a. a. O.) könne aber der Bescheid über die Vermögensabgabeveranlagung der Ehefrau noch nachgeholt werden. Außerdem wird die Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, bestehendes Recht "laut BGB" sei nicht richtig angewendet worden. Das FG sei zu dem Schluß gekommen, der Darlehnsvertrag vom 28. Februar 1938 zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Schwiegervater sei ein Vertrag zugunsten Dritter gewesen, habe aber verneint, daß die Tochter ein Recht aus diesem Vertrag erworben habe. Es habe seine Feststellung darauf gestützt, die Beschwerdeführer hätten in der Vermögenserklärung 1946 den Schwiegervater (Darlehnsgeber) als Gläubiger bezeichnet. Zu diesem Schluß reiche jedoch die Sachaufklärung des FG nicht aus. Ferner wird gerügt, daß sich das FG mit der den Hauptanlaß der Klage darstellenden zu hohen Abzinsung der Forderung seitens des FA überhaupt nicht auseinandergesetzt habe. Schließlich wird geltend gemacht, daß der Streitwert vom FG unrichtig berechnet worden sei und nicht der Streitwertberechnung im Urteil des BFH III 109/64 U vom 30. Juli 1965 (BFH 83, 287, BStBl III 1965, 603 f.) entspreche. Nach Ansicht der Beschwerdeführer sei bei richtiger Streitwertberechnung die Zulässigkeit der Revision allein schon wegen Überschreitung der Revisionssumme gegeben.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das FA (Beschwerdegegner) hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen, denn die Beschwerdeführer rügten eine im erstinstanzlichen Urteil enthaltene Tatsachenfeststellung. An die auf Grund der Beweiswürdigung getroffenen tatsächlichen Feststellungen sei das Revisionsgericht gebunden, es sei denn, daß in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht würden. Dies sei jedoch nicht der Fall.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer ist die Zulässigkeit der Revision nicht auf Grund der Höhe des Streitwerts gegeben. Ist die Höhe des Streitwerts für die Zulässigkeit der Revision von Bedeutung, so hat der BFH den Streitwert selbst zu ermitteln. Dieser beträgt unter Berücksichtigung der in dem - von den Beschwerdeführern angeführten - Urteil III 109/64 U vom 30. Juli 1965 (a. a. O.) enthaltenen Grundsätze 831 DM. Gemäß § 115 Abs. 1 FGO wäre die Revision mithin nur gegeben, wenn sie das FG zugelassen hätte oder die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg hätte. Beides ist nicht der Fall.

Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 3 FGO darauf gestützt ist, das Urteil weiche von den näher bezeichneten Entscheidungen des BFH ab, und zwar insofern, als in dem Urteil die Anwendbarkeit des § 55c LAG von dem Vorliegen einer rechstkräftigen Zusammenveranlagung abhängig gemacht werde, der Vermögensabgabeveranlagungsbescheid aber nur an den Ehemann gerichtet gewesen sei, ist sie nicht begründet. Denn die Divergenzrevision ist nur dann gegeben, wenn das Urteil des FG auf der - behaupteten - Abweichung beruht. Das FG hat es aber ausdrücklich dahingestellt gelassen, ob die Zusammenveranlagung etwa schon darum nicht vorliege, weil der Vermögensabgabebescheid nur an den Ehemann gerichtet gewesen sei. Es hat vielmehr seine die Klage abweisende Entscheidung allein darauf gestützt, daß nach seinen Feststellungen die Ehefrau kein abgabepflichtiges Vermögen besessen habe und § 55c LAG deshalb nicht zur Anwendung komme. Diese aus seiner tatsächlichen Feststellung vom FG gezogene Folgerung entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH zu § 55c LAG, so daß insoweit eine Divergenz nicht feststellbar ist.

Der andere Grund, auf den die Nichtzulassungsbeschwerde gestützt wird, die mangelnde Sachaufklärung durch das FG, vermag die Zulassung der Revision ebenfalls nicht zu begründen. Der Verfahrensmangel ungenügender Sachaufklärung, auf dem die Entscheidung beruhen könnte, würde nur dann zur Zulassung der Revision führen können, wenn sich dem FG in Anbetracht des gesamten Sachverhalts die Notwendigkeit einer weiteren Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen. Dieser in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit anerkannte Grundsatz (vgl. Beschluß des BVerwG VIII B 190/61 vom 20. Februar 1962 in Die Öffentliche Verwaltung, Jahrgang 1962 S. 555) gilt auch für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (so auch v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 115 Rdziff. 29; Ziemer-Birkholz, FGO, § 115 Rdziff. 34). Die Ausführungen, mit denen die Beschwerdeführer in ihrem Schriftsatz vom 12. September 1967 unter Nr. 2 die mangelnde Sachaufklärung des FG begründen wollen, stellen, soweit es sich nicht um Rechtsausführungen handelt, neues tatsächliches Vorbringen dar, auf das einzugehen und das aufzuklären das FG allein schon deshalb keine Möglichkeit hatte, weil es bisher nicht vorgetragen worden war. Dies gilt einmal für die nunmehr in der Beschwerde angeführten Gründe, warum in der Vermögenserklärung der Beschwerdeführer auf den 1. Januar 1946 als Gläubiger der Forderung der Schwiegervater angegeben worden ist. Es gilt ferner aber auch für die Ausführungen darüber, daß der Schwiegervater "wenig später das Darlehen eindeutig zur Ausstattung seiner Tochter erklärt und diese Willenserklärung dadurch bekräftigt" habe, daß er das in seinen Händen befindliche verstempelte Original des Darlehnsvertrags an seine Tochter (Beschwerdeführerin) übergeben habe. Daß im übrigen in der mündlichen Verhandlung die Frage des Bestehens der Forderung der Ehefrau gegenüber dem Ehemann erörtert worden ist, ergibt sich aus dem Urteil des FG, in dem es im Zusammenhang mit seinen Darlegungen zur Vertragsauslegung folgendes ausgeführt hat:

"Diese Auslegung des Vertrages stützt sich auch auf die Tatsache, daß der Kläger in seiner am 15. Juni 1947 unterzeichneten Vermögenserklärung 1946 als Gläubiger der Darlehnsforderung ausdrücklich seinen Schwiegervater X, nicht aber die Klägerin zu 2) bezeichnet hat.

Die hierfür vom Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 1967 gegebene Erklärung, man habe dem damals vermögenslos gewordenen Herrn X den Glauben vermitteln wollen, noch Inhaber von Vermögenswerten zu sein, kann nicht überzeugen. Zur Erreichung dieses Zieles war die Bezeichnung des Herrn X als Gläubiger der Forderung in der diesem gar nicht zugänglichen Vermögensteuererklärung des Klägers zu 1) weder ausreichend noch erforderlich."

Ebenfalls neues tatsächliches Vorbringen stellen die Ausführungen über die letztwilligen Verfügungen des Schwiegervaters dar. Die damit zusammenhängenden Fragen aufzuklären und in die Beweiswürdigung einzubeziehen, wäre das Gericht nur dann in der Lage gewesen, wenn diese nur den Beschwerdeführern bekannten persönlichen Umstände vorher vorgetragen worden wären. Schriftlich ist Derartiges nicht vorgetragen worden. Daß dies in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden sei, haben die Beschwerdeführer nicht geltend gemacht; solches ergibt sich auch nicht aus den Akten. Die Beschwerdeführer haben aber ausweislich der Verhandlungsniederschrift genügend Gelegenheit gehabt, alle mit dem behaupteten Bestehen der Ehegattenforderung zusammenhängenden Tatsachen vorzutragen und gegebenenfalls Beweisanregungen zu geben. Sind aber von den Beschwerdeführern weder vor noch in der mündlichen Verhandlung solche Umstände dargetan, noch Beweisanregungen gegeben worden, die auf das oben angeführte tatsächliche Vorbringen in der Beschwerdebegründung Bezug haben, so konnte das FG auf Grund der zu den Akten gegebenen Kopien der vertraglichen Unterlagen und der Schriftstücke der Devisenbehörden und auch auf Grund des Vorbringens in der mündlichen Verhandlung im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung zu dem Ergebnis kommen, daß der beschwerdeführenden Ehefrau am Währungsstichtag keine Forderung gegen ihren Ehemann zugestanden hat. In Anbetracht dieses Sachverhalts kann nicht anerkannt werden, daß sich dem Gericht die Notwendigkeit einer weiteren Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen. Die Geltendmachung des Verfahrensmangels ungenügender Sachaufklärung vermag daher die Zulassung der Revision ebenfalls nicht zu begründen.

Ungerechtfertigt erscheint schließlich auch die Rüge, das FG habe es unterlassen, sich mit der beanstandeten Abzinsung auseinanderzusetzen. Da das FG das Bestehen einer Forderung der Ehefrau überhaupt verneint hat, brauchte es auf die Frage der Abzinsung der Forderung nicht einzugehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67726

BStBl II 1968, 535

BFHE 1968, 310

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